Pro Familie waren ja nur zwei Plätze reserviert, doch als ich mich neben „Meinem“ in eine der hintersten Kirchenbänke zwängte, stellte ich fest, dass sich die Glucke zu uns gesellt hatte.
„Was machst du denn hier?“, zischte ich verärgert. „Wir haben nur zwei Eintrittskarten. Du musst verschwinden.“
„Warum soll ausgerechnet ich verschwinden? Du kannst ja gehen“, gab sie giftig zurück.
„Vergiss es! Ich bleibe. Karlsson hat die Eintrittskarten mir gegeben, nicht dir. Also geh jetzt, ich will diese Abschlussfeier geniessen.“
„Ich bleibe“, beharrte sie.
Wären nicht in diesem Augenblick die ersten Schulabgänger zur Tür hineingekommen, hätte ich vielleicht noch versucht, sie unsanft zum Ausgang zu befördern, aber dafür war es jetzt zu spät. Und anfangs ging es ja auch noch ganz gut mit ihr. Klar, sie starrte wie gebannt auf Karlsson, als die Schüler vorne sangen, sie murmelte auch andauernd: „Sieht er nicht toll aus?“, aber ansonsten hielt sie sich ziemlich ruhig. Die Reden liess sie still über sich ergehen, doch als die Schulklassen aufgerufen wurden, ihre Zeugnisse in Empfang zu nehmen, fing sie an, nervös zu werden.
Erst rutschte sie bloss unruhig auf ihrem Platz herum.
Dann fing sie an zu fragen: „Wann kommt Karlsson endlich dran? Sag ‚Deinem‘, er soll sich bereit machen, Fotos zu schiessen.“
Aber es dauerte – Karlsson kam erst ganz am Schluss – und so musste sie sich irgendwie beschäftigen. Also fing sie an, bei jedem, der ihr während Karlssons Schulzeit auf irgend eine Weise positiv aufgefallen war, begeistert zu applaudieren. „Was für ein netter Kerl“, seufzte sie beim einen, „Seit der Spielgruppe kennen sie sich nun schon“, bei der anderen, „Hoffentlich verlieren sie sich nicht aus den Augen“, beim Dritten. Weil das noch immer nicht genug war, fing sie an, leise zu schniefen und zu murmeln, wie schnell doch die Zeit vergehe, eben erst hätten die Kinder alle zusammen im Sandkasten gespielt und jetzt seien sie alle schon so gross. „Es war so eine schöne Zeit und jetzt soll das alles vorbei sein“, heulte sie.
Ich hätte sie gerne darauf hingewiesen, dass die Zeiten zumindest während der ersten sechs Schuljahre bei Weitem nicht immer rosig gewesen waren, aber jetzt war endlich Karlsson an der Reihe und nun seufzte und schluchzte und schniefte sie natürlich erst recht und das war dann so ansteckend, dass ich mir selber auch die eine oder andere Träne aus den Augen wischen musste.
„Das Ganze lässt dich also doch nicht so kalt, wie du immer behauptest“, meinte die Glucke hämisch, als sie ihre Gefühle endlich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte.
„Ich hab‘ nie behauptet, es liesse mich kalt“, entgegnete ich. „Aber so ein Theater wie du muss man nun wirklich nicht machen. Er hat ja noch ein paar Schuljahre vor sich.“
Tja, und dann heulte sie gleich wieder los, denn nun fiel ihr wieder ein, dass Karlsson nach den Sommerferien über Mittag nicht mehr nach Hause kommen kann und das findet sie ganz schrecklich.