Im April 2011 erschien ein Report vom Testbiotech e. V., Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie über Gentechnisch veränderte Pflanzen in Futter- und Lebensmitteln.
In einigen Beiträgen habe ich mich mit dem Thema "Grüne Gentechnik" auseinandergesetzt und auf die Risiken hingewiesen. Nach Meinung von unabhängigen Fachleuten werden diese Risiken unterschätzt, verharmlost und zum Teil verschwiegen.
Sollte sich auch nur ein Bruchteil der bislang bekannten Risiken als Wahrheit herausstellen, würde dies milliardenschweren Schaden anrichten. Zu dem ist zu befürchten, das natürlich belassenes Saatgut äußerst knapp wird und in die Hände von Spekulanten fällt. Gesunde Nahrung wäre dann für sehr viele Menschen unbezahlbar und die Zahl der hungernden Menschen auf dieser Welt würde rapide steigen. Über weitere Folgen kann man beliebig spekulieren.
Dies ist keineswegs Schwarzmalerei, sondern eine realistische Betrachtung der derzeitigen Situation. Aus o.g. Report zitiere ich hier die Zusammenfassung, die sachlich und fachlich richtig, das Gefährdungspotenzial beschreibt.
„Im Mittelpunkt dieses Berichts stehen gentechnisch veränderte Pflanzen, die entweder Unkrautvernichtungsmittel (Herbizide) tolerieren oder Insektengifte produzieren oder beide Eigenschaften in sich vereinen. Seit etwa 20 Jahren bestimmen diese gentechnisch veränderten Pflanzen das Geschäft mit der Agrogentechnik, bei den von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA bewerteten Anträgen machen sie fast 100 Prozent aus. Sie werden überwiegend als Futter-Pflanzen eingesetzt. Vor allem bei gentechnisch veränderten Pflanzen, die eine Toleranz gegenüber Breitbandherbiziden aufweisen, kam es in den letzten Jahren zu einer starken Ausweitung der Anbauflächen, insbesondere in den USA, Argentinien, Brasilien und Paraguay.
Hauptbestandteil der Spritzmittel, bekannt vor allem unter dem Markennamen Roundup oder Roundup Ready, ist Glyphosat oder N-(Phosphonomethyl)Glycin. Durch den flächendeckenden Einsatz von Glyphosat-Herbiziden entwickelten sich Resistenzen bei immer mehr Unkrautarten. In der Folge stieg auch der Spritzmittelaufwand. Für Verbraucher ist diese Entwicklung wegen der Glyphosat-Rückstände in Futter- und Lebensmitteln relevant. 1996 empfahl die FAO, den zulässigen Glyphosat-Grenzwert bei Sojabohnen auf extrem hohe 20 mg/kg anzuheben. Dieser Rückstandshöchstgehalt kommt auch in der EU zur Anwendung. Neuere Untersuchungen legen aber den Verdacht nahe, dass Glyphosat und seine Abbauprodukte schon in weitaus geringeren Mengen gesundheitliche Risiken bergen. Gefährdet sind demnach u.a. das menschliche Fortpflanzungssystem, das Nervensystem sowie die Entwicklung von Embryonen. Die Situation wird dadurch verschärft, dass den auf dem Markt erhältlichen Glyphosat-Produkten (wie Roundup) zum Teil große Mengen sogenannter POE-Tallowamine als Benetzungsmittel zugesetzt werden. Sie sollen das Eindringen des Glyphosats in die Pflanze erleichtern.
Die Gefährlichkeit der POE-Tallowamine wurde vor einem Jahr von den deutschen Behörden neu bewertet. Es besteht die Befürchtung, dass diese Stoffe in gesundheitsgefährdenden Konzentrationen auch in tierische Produkte übergehen und so erhebliche Risiken für die Verbraucher entstehen können. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) legte deswegen im Juni 2010 erstmals toxikologische Grenzwerte für POE-Tallowamine fest und untersagte die Verwendung von Futtermitteln, bei deren Anbau in Deutschland Spritzmittel mit diesen Zusatzstoffen eingesetzt wurden. Trotzdem wurden Landwirte, Futtermittelhersteller und Verbraucher nicht vor möglichen Rückständen in importierten Futtermitteln, insbesondere vor herbizidresistenten Sojabohnen gewarnt.
Seit 1996 landen jedes Jahr Millionen Tonnen gentechnisch veränderte Soja in Europa und Deutschland, hauptsächlich für Futtermittel. Die überwiegende Anzahl von Nutztieren wird derzeit nicht nach den Standards der „ohne-Gentechnik“-Kennzeichnung oder nach den Regeln des ökologischen Landbaus gefüttert. Deswegen muss man davon ausgehen, dass die meisten Verbraucher zu Produkten von Tieren greifen, die mit gentechnisch veränderten Sojabohnen gefüttert wurden. Es gibt bislang jedoch keine ausreichenden Untersuchungen darüber, wie stark Pflanzen und tierische Produkte und damit unsere Nahrungsmittel mit Rückständen von Glyphosat belastet sind. Aussagekräftige Zahlen zu Rückständen von POE-Tallowaminen fehlen völlig. Für das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid und seine gesundheitsgefährdenden Begleitstoffe sind noch nicht einmal geeignete, einfache und zugleich kostengünstige Nachweisverfahren verfügbar.
Auch bei Pflanzen, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie in ihrem Gewebe Insektizide produzieren, gibt es erhebliche Risiken. In der EU sind inzwischen zehn verschiedene Toxine aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (sogenannte Bt-Toxine) bei gentechnisch veränderten Pflanzen zugelassen. Durch nachträgliche Kreuzung entstehen Pflanzen mit einer Kombination aus verschiedenen Bt-Toxinen und mit weiteren Eigenschaften (sogenannte Stacked Events). Der vorliegende Bericht gibt einen systematischen Überblick über Bt-Toxine und ihre Verwendung in den Stacked Events, die in der EU bereits zugelassen sind oder demnächst zugelassen werden sollen. Die Insektengifte der gentechnisch veränderten Pflanzen sind im Vergleich zu natürlicherweise in Bodenbakterien vorkommenden Bt-Toxinen erheblich modifiziert. Ihre Wirkungsweise ist im Detail nicht vollständig aufgeklärt und ihre Wechselwirkungen sind nicht ausreichend untersucht. Auch die Frage, wieviel Insektengift unter wechselnden Umweltbedingungen in den Pflanzen produziert wird, kann nicht beantwortet werden.
Durch Kreuzung kombiniert man außerdem insektengiftproduzierende mit herbizidtoleranten Pflanzen. Auch hier wurden gesundheitsgefährdende Synergie-Effekte nicht überprüft. 2010 befürwortete die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Zulassung des gentechnisch veränderten Mais „SmartStax“. Dieser gentechnisch veränderte Mais produziert sechs verschiedene Insektengifte und toleriert zwei Herbizide (Glyphosat und Glufosinat). Vor der Zulassung hat die Lebensmittelbehörde EFSA keine Fütterungsstudien zur Untersuchung von Gesundheitsrisiken verlangt.
Der Anbau und die Verwertung von herbizidtoleranten und insektengiftproduzierenden Pflanzen führen zu einer nie da gewesenen großflächigen und permanenten Exposition der Umwelt mit bestimmten Herbiziden und Insektiziden. Diese Stoffe, ihre Abbauprodukte und Beistoffe und die sich daraus ergebenden „Giftcocktails“ sind zu einem festen Bestandteil der Nahrungskette geworden. Fahrlässigkeiten oder Fehleinschätzungen bei der Bewertung der damit einhergehenden Risiken führen zu einer kaum einzugrenzenden Gefährdung von Mensch und Umwelt. Anlass zur Sorge geben u.a. Untersuchungen an Frauen in Kanada, in deren Blut Rückstände von Herbiziden und Insektengifte gefunden wurden, die über gentechnisch veränderte Pflanzen in die Nahrungskette gelangt sein können. Zum Teil fand man diese Stoffe sogar im Blut von im Mutterleib heranwachsenden Föten. Bisher gibt es keine funktionierenden Systeme zur Überwachung gesundheitlicher Auswirkungen nach einer Marktzulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen, obwohl diese in der EU gesetzlich vorgeschrieben sind. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Bericht unter anderem folgende Maßnahmen in Bezug auf herbizidtolerante und insektengiftproduzierende Pflanzen:
- Verbraucher, Landwirte und Futtermittelhersteller müssen über eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Herbizidrückstände in Futtermitteln umfassend informiert werden. Lassen sich die Bedenken bezüglich der gesundheitlichen Risiken von gentechnisch veränderter Soja und anderen Produkten mit entsprechenden Rückstandsbelastungen nicht ausräumen, muss ihr Import vorsorglich ausgesetzt werden.
- Anträge auf Neu- oder Wiederzulassungen von Pflanzen, die Bt-Toxine produzieren, sollten bis auf Weiteres nicht bewilligt werden. Bereits zugelassene insektengiftproduzierende Pflanzen müssen neu bewertet werden.
- Die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen und die Bewertung von Pestiziden muss wesentlich stärker miteinander verzahnt werden. Als Vorbedingung für die Zulassung von Pestiziden und die Festsetzung von Rückstandhöchstgehalten müssen evaluierte, einfache und kostengünstige Nachweisverfahren für Rückstände zur Verfügung stehen. Die Hersteller der Pestizide sollten an den Kosten der Rückstandsuntersuchungen beteiligt werden. Die Glyphosat-Grenzwerte müssen deutlich abgesenkt werden. Der Einsatz von POE-Tallowaminen als Benetzungsmittel in Pestiziden muss verboten werden.
Weiterhin gelten folgende allgemeine Empfehlungen für den Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen:
- Die vergleichende Risikoabschätzung sollte durch ein Prüfverfahren ersetzt werden, das spezifisch auf die Risiken und technischen Besonderheiten von gentechnisch veränderten Pflanzen ausgerichtet ist.
- Die Europäische Kommission muss Vorschläge unterbreiten, wie in Zukunft gesundheitliche Risiken nach einer Marktzulassung gentechnisch veränderter Pflanzen festgestellt werden können. Dabei müssen auch Produkte berücksichtigt werden, die von mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefütterten Tieren stammen. Solange kein funktionierendes Monitoring etabliert ist, sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Inverkehrbringung von Produkten aus gentechnisch veränderten Pflanzen nicht gegeben.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen können drastische Eingriffe in die Märkte bedeuten. Sie ergeben sich aus bisherigen Versäumnissen in der Risikobewertung und im Risikomanagement. Wird jetzt nicht gehandelt, würden zukünftige Korrekturen noch erheblich massivere Konsequenzen nach sich ziehen. Beispielsweise könnten größere Engpässe bei der Beschaffung von gentechnisch nicht veränderten Rohstoffen entstehen. Ein „Weiter so“ kommt aus Sicht des Schutzes der Umwelt, der Verbraucher, Landwirte und Lebensmittelmärkte nicht in Frage."
Den Report gibt es hier
im PDF-Format.