Die Geschichte von der Twitter-Nutzerin, die ganz überraschend ins Gefängnis musste – eine Satire in 3 Akten

Die folgende Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.

1. Akt

Morgens um 15 Uhr in Deutschland. Anna* befindet sich in ihrer Wohnung in München*. Als stolzes Mitglied der sogenannten Twitter-Elite fühlt sie sich verpflichtet, ihre 5000+ Follower über die Tatsache zu informieren, dass ihr “süßer Nachbar” gerade den Staubsauger schwingt. Außerdem überlegt sie, ob sie statt Kaffee lieber Arsen zum Frühstück trinken soll. “Leben am Limit”, wie sie es gerne in ihren Tweets schreibt. Noch ist sie erstaunlich gut gelaunt. Doch das sollte sich schnell ändern.

Etwa zwei Stunden später sitzt sie auf der Couch und möchte ihren Followern gerade mitteilen, dass sie jetzt gerne einen Kaffee und ein Schnitzel hätte, als es an der Tür klingelt. In freudiger Erwartung, dass es eventuell ihr süßer Nachbar ist oder ihr Ex, der, nachdem sie ihm zahlreiche Nacktbilder geschickt hat, nun demütig zu Kreuze kriecht und sie auf Knien anflehen will ihn wieder zurückzunehmen, öffnet Anna die Türe. Zwei gut gebaute Uniformierte begrüßen sie freundlich und wünschen eine Frau Anna Müller zu sprechen. ‘Ich habe doch gar keine Stripper bestellt.’, denkt Anna und gibt sich gegenüber den Polizisten als besagte Frau Müller zu erkennen.

“Es liegt ein Haftbefehl gegen Sie vor. Sie schulden dem Staat 1800 Euro. Wir müssen Sie deshalb mitnehmen. Sie kommen ins Gefängnis zu 120 Tagessätzen à 15 Euro. Es sei denn, Sie können das Geld auf der Stelle bezahlen.”

Natürlich konnte Anna das nicht. Sie hatte auch leider überhaupt keine Ahnung, warum sie dem Staat so viel Geld schuldete. Sie hörte heute das erste Mal davon! Natürlich, sie hätte die lustigen bunten Briefe vielleicht öffnen sollen, anstatt sie bei ihrer letzten Party als Untersetzer zu verwenden. Und die Herren mit den Aktentaschen, die sie jedes Mal unsanft geweckt hatten, wenn sie Montag morgens um 15 Uhr gerade ihren Rausch vom Wochenende ausschlief, waren vielleicht doch keine Staubsaugervertreter. Aber deshalb gleich ins Gefängnis?

Doch die Hüter des Gesetzes meinten es offenbar ernst. Während sich Anna ihre Schuhe anzog, schaffte sie es noch einen letzten Hilferuf an ihre Follower zu twittern:

“ACHTUNG! KEIN WITZ! ICH MUSS JETZT INS GEFÄNGNIS! FALLS JEMAND MIR 1800 LEIHEN KANN UND MICH RAUSHOLEN, MELDET SICH SOFORT!”

2. Akt

Im Gefängnis angekommen steckte man Anna in einen schicken, schwarz-weiß gestreiften Overall und gewährte ihr einen Anruf. Den nutzte sie, um niemand geringeren als die Autorin Joanne K. Rowling* anzurufen und diese um Hilfe zu bitten. Da Autoren bekanntlich keine reichen Menschen sind, wandte sich diese wiederum an ihren Freund Thomas*, der ebenfalls zur Twitter-Elite zählt und mit Anna bekannt ist. Doch auch Thomas ist als Unternehmer ein armer und vielbeschäftigter Mann, aber er wusste sich zu helfen. In seinem gut besuchten Blog veröffentlichte er einen Spendeaufruf:

“Helft Anna aus dem Gefängnis!”

Er erklärte kurz die Situation, wusste aber auf die Frage, warum Anna eigentlich zu dieser Geld- bzw. Haftstrafe verurteilt wurde, keine Antwort. Er ist eben, wie er sagt, ein vielbeschäftigter Mann.
Thomas lässt es sich zudem nicht nehmen seine Leser auf all seine bisherigen Wohltaten hinzuweisen. Da bleibt für Freunde nicht mehr viel Geld übrig. Verständlich. So fordert er das deutsche Volk auf Geld für die Befreiung seiner Freundin auf sein privates Konto zu überweisen. Denn für “Hipsterscheiße” wie Paypal hat er keine Zeit. Wie gesagt: ein vielbeschäftigter Mann.

Tatsächlich ist fast das Doppelte der geforderten Summe eingegangen, sodass Thomas die völlig aufgelöste Anna 5 Tage später aus dem Gefängnis holen konnte. Es war eine harte Zeit, denn Alkohol und Drogen sind dort nicht gestattet. Außerdem erlaubten ihr die Wachen nicht ihren Ex zu stalken. Ein Hobby, auf das sie nur ungern verzichtet.

3. Akt

Erleichtert über ihre wiedergewonnene Freiheit gönnte sie sich einen Kaffee, eine Zigarette und schaltete ihr Handy ein, das man ihr bei ihrer Verhaftung abgenommen hatte. Und da passierte es! Ihr iPhone machte sich vollkommen selbstständig und sendete die Nachricht, in der sie Kaffee und Schnitzel fordert an ihre 5000+ Follower – der Tweet, den sie vor dem Hilferuf hatte senden wollen. Doch der Empfang ist in München wirklich grauenhaft und der Tweet wurde in den Entwürfen gespeichert. Die Twitter-App ist jedoch sehr zuverlässig und erkannte die Wichtigkeit dieser Nachricht, weshalb sie selbstständig den Entwürfe-Ordner öffnete und die Nachricht eben doch noch sendete! Dies sorgte für Entrüstung in der Twitter-Gemeinde, die als erstes Lebenszeichen ein überschwängliches “Dankeschön!” von der Straftäterin erwartet hatte. Die arme Anna bekam von der ganzen Sache nichts mit. Erst Stunden später löschte sie den Tweet und bedankte sich bei ihren Geldgebern.

Und sie stalkte glücklich, bis an ihr Lebensende!

Ende ;)

*Name und Ort geändert

Anmerkung: Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei diesem Beitrag um eine Satire, die auf einer wahren Begebenheit beruht. Ich habe die Geschichte nur über Twitter mitbekommen und bin mit den betroffenen Personen nicht persönlich bekannt. Die Handlung basiert auf den Blogeinträgen des Spendensammlers und alten Tweets der verhafteten Person. Ich habe hier bewusst auf die richtigen Namen und Orte verzichtet, damit niemand auf die Idee kommt, mich des Rufmordes zu beschuldigen oder was auch immer. Die Tweets sind allerdings echt. Was ihr damit anfangt ist eure Sache und liegt nicht mehr in meiner Hand. Diese Geschichte ist lediglich meine Art auszudrücken, wie ich die ganze Situation als Außenstehender empfunden habe. Ich habe nicht vor irgendjemanden zu beleidigen, zu beschuldigen oder sonst etwas.


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