Die Geschichte von der Lügnerin und dem Träumer: "Tatort: Kartenhaus" aus Köln

Geschichte Lügnerin Träumer:

©ARD

Es ist immer schlecht, wenn man meint, alles übers eigene Kind zu wissen – und dann doch feststellen muss: Nein, irgendwie weiß ich gar nicht so viel. „Mein Sohn ist ein anständiger Junge“, meint Pia Tarrach (Bettina Stucky). „Mein Sohn bringt niemanden um!“, sagt sie ebenfalls. Die Kommissare aus Köln (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Patrick Abozen) sehen das anders. Und auch der Zuschauer weiß schon seit der ersten Minute des neuen Köln-Tatorts „Kartenhaus“: Der liebe Adrian Tarrach (großartig: Rick Okon) ist sehr wohl ein Mörder und viel weniger anständig, als die Frau Erzeugerin denkt.
Seine Freundin Laura (ebenfalls ganz groß: Ruby O. Fee) steht kurz vor ihrem 18. Geburtstag, ein Caterer wurde beordert, ein DJ, das ganz große Fest soll's werden. Selbst die Eltern sollen verschwinden. Aber da war ja noch was: Laura berichtete ihrem Macker, dass Stiefvater Klaus sie mal dort angepackt hat, wo man seine Tochter nicht unbedingt berühren sollte. Und selbst ist der Mann von heute: Er schnappt sich folglich ein Messer aus dem Messerblock („Einfach so“) und dann ist Ruhe. „Der tut dir nicht mehr weh!“ Stimmt, denn Klaus ist tot, Lauras Mutter Carmen (Julika Jenkins) plötzlich schon wieder alleine an weiter Front – und aus Laura und Adrian wird Bonnie und Clyde. Nein, die starben ja. Also wollen sie doch lieber Mallory und Mickey von den „Natural Born Killers“ sein. Denn am Ende wartet dort ja bekanntlich der Sonnenaufgang...

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Aus die Maus mit Klaus (r.).©WDR/Martin Menke


"No need to run and hide. It's a wonderful, wonderful life"


Die Ausgangssituation ist simpel wie genial: Ein junges Päärchen, das auf Außenstehende wie frisch verliebt wirkt, macht sich auf die Flucht. Auf die Flucht vor dem Leben, auf die Flucht vor der Polizei, auf die Flucht nach vorn. Er, der Sohn einer pflegefälligen Dauer-Raucherin, Bruder vom Vater missbraucht und kurzerhand übers Geländer gehopst, der Vater wiederum scheiterte besoffen beim Versuch, den tristen Balkon der tristen Wohnung mitten in der noch viel tristeren Plattenbau-Siedlung etwas aufzumöbeln – und hopste auch mal flott übers Geländer. Kommst du aus der Gosse, bleibst du halt in der Gosse, kommst vom rechten Weg ab, trotz recht gutes Intelligenzquotienten. Ein ganz normales Schicksal eines Tatort-Scheusals.
Während Adrian da raus wollte und vom eigenen Club („Irgendwas wie eine Bar oder so“) träumte, gilt für Laura das komplette Gegenteil. Ihr Zuhause ist eine schicke Villa im gut betuchten Stadtteil. Doch sie hat ein Problem: Sie hat keine Freunde. Es kommt eben nicht gut an, Mitschüler der Vergewaltigung zu bezichtigen, liebes Fräulein. Hat sie aber dennoch getan. Der (gerechte) Lohn: Ihre Mitschüler halten sie wahlweise für peinlich oder völlig durchgeknallt. „Die redet eh nur Scheiße.“ Und verraten wir mal so viel: Ihr Stiefvater, der tote Klaus – nicht der Staplerfahrer, um jegliche Verwechslungen mal direkt auszuschließen -, hat sie vielleicht auch gar nicht angepackt. Die Kommissare bemerken: „Ein Träumer und eine Lügnerin – eine gefährliche Mischung.“

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Links: Der Träumer. Rechts: Die Lügnerin. ©WDR/Martin Menke


„And i will catch you if you fall“

Wohl wahr. Den beiden Ermittlern bleibt nichts anderes, als der Kotze vom Adrian hinterher zu fahren. Als er einen zweiten Mord macht – mit Waffe! - und sich dabei auch noch filmen lässt – Profikiller müsste man sein! -, muss er sich erstmal übergeben. Die ersten Morde sind halt vermutlich die schwersten. „Ein Mörder mit Moral“, erkennen Ballauf und Schenk anerkennend an. Viel mehr als solche Sprüche, Autofahrten von Platz X zu Y und ständigen Telefonaten mit ihrem Präsidiums-Sekretär Tobias (Abozen) bleiben ihnen dabei aber nicht übrig. „Wir sammeln ja nur die Leichen ein.“ Doch das nervt beim Tatort-Debüt vom ehemaligen 1live-Filmkritiker Sebastian Ko kaum.
Das Buch kam schließlich von Jürgen Werner, die Inszenierung macht aus der Hatz zwischen Plattenbau-Siedlung, Airport-Hotel und Junkie-Wohnung einen durchaus aufregenden 90-Minüter. Viele Klischees lässt das Buch nicht aus, doch nicht nur die musikalische Untermalung ist passend. Der Mord an Klaus wird mit „When the rain begins to fall“ hinterlegt, der finale Showdown mit „Wonderful life“. Es ist eine prima Charakterstudie eines Päärchens, das sein ganzes Leben noch vor sich hatte – aber mit dem es das Leben nicht all zu gut meinte. Der Film verliert sich nicht an Nebensächlichkeiten, zieht das Katz-und-Maus-Spiel routiniert durch und gewährt den beiden Hauptprotagonisten derweil viel Raum. Okon und O. Fee nehmen Kos Angebot dankend an und brillieren als Gangster-Paar in Ausbildung.
Auch wenn diverse Hintergründe der beiden Figuren dabei unbeleuchtet bleiben und Ballauf und Schenk sich nur mit ein paar recht platten – aber durchaus nicht ganz uncharmanten – Gags zufrieden geben müssen: „Kartenhaus“ ist ein wirklich frischer und aufgeweckter Tatort. Und so ganz unschuldig, das wusste auch Adrians Mutter schlussendlich, war ihr Sohn dann doch nie.

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©ARD

Immerhin: Auf Lauras Frage „Können wir nicht einfach aufhören damit?“ findet er eine letztlich noch eine ganz individuelle Lösung...
BEWERTUNG: 7,5/10Titel: Tatort: KartenhausErstausstrahlung: 28.02.2016Genre: KrimiRegisseur: Sebastian Ko
Darsteller: u.a. Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Patrick Abozen, Rick Okon, Ruby O. Fee

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