Auf
der diesjährigen Berlinale im Februar war dieser Film der, von den
Medien und der Festivalleitung immens gehypte Star. Es ist ein Film,
der von einem nahezu unbekannten Regisseur inszeniert wurde, dessen
Arbeiten in den letzten Jahren vor allem im Fernsehen zu sehen waren.
Hier durchlief Dominik Graf die üblichen Stationen, die für einen
deutschen Regisseur, der nicht den standardisierten
Leuchtfeuer-Hollywood-Karriere-Weg gehen will, anscheinend
unvermeidbar sind. So führten diverse Tatorte und Polizeirufe zu
seinem Ruf, ein Krimiexperte zu sein. Dabei scheint das in
Deutschland die einzige Möglichkeit zu sein, halbwegs kreative, oder
zumindest bezahlte Regiearbeit zu praktizieren. Doch halt! Ein
weiteres Genre gibt es, nämlich das der Biografie. Wenn es nicht
gerade um Hitlers Helfer oder eben deren Gegner gehen soll, und man
leider auch gerade keine zündende Idee für mehr oder weniger
packendes Wendedrama in der Tasche hat, müssen eben die klassischen
Komponisten / Dichter unseres traditionsreichen Landes her halten. So
stand ich also auf der Berlinale und dachte mir „Nicht noch ein
Schillerfilm“.
Das
ist nun ein halbes Jahr her und jetzt endlich startet „Die
geliebten Schwestern“ in den deutschen Kinos.
Sommer
in Weimar. Die junge Charlotte von Lengefeld sitzt in einem Zimmer
der Parterre der Weimarer Fürstenresidenz und macht, was
heiratsfähige Frauen in ihrem Alter so machen. Sie wartet auf einen
Günstling. Die ehrenwerte Frau von Stein hat sich nämlich ihrer
angenommen, um sie endlich unter die Haube zu bringen. Damals, wie
heute, schien die Auswahl in der Dichterstadt nicht all zu
berauschend zu sein. Der einzige mögliche Kandidat ist ein
schottischer Käpt'n mit schrecklichem Akzent und noch
schrecklicherem Humor. Charlotte will ihn aber unbedingt heiraten, um
endlich ihre Familie zu entlasten. Während die junge Frau also
wartet, hört sie von draußen eine rufende Stimme. Diese Stimme
gehört zu einem – im Vergleich zu den restlichen Einwohnern der
kleinen Stadt – auffallend gutaussehenden, jungen Mann. Der scheint
sich verlaufen zu haben und erkundigt sich nach dem Weg. Eine kokette
Schäkerei entsteht, der die Anstandsdame des Hauses direkt ein Ende
bereitet.
Über
Charlotte erfährt man nun, dass sie eine Schwester, namens Caroline
hat, die sie nach Ende der anbandelnden Liaison mit dem Käpt'n in
Weimar besucht, um ihr in dieser schweren und aussichtslosen Zeit
Beistand zu leisten. Caroline erfährt vom kurzen Besuch des jungen
Mannes am Fenster und bringt dessen Namen in Erfahrung. Tags darauf
wird ein weiterer Besucher angekündigt und sein Name lautet
Friedrich Schiller.
Mehr
möchte ich an dieser Stelle über die Story nicht sagen. Zum einen
hört an dieser Stelle des Films der vorhersehbare Teil der
Geschichte auf und es geht tatsächlich einigermaßen frisch erzählt
weiter; zum anderen basiert die gesamte Thematik des Films auf nichts
weiter, als Mutmaßungen und Gerüchten – was in diesem Fall
überaus positiv zu bewerten ist, beweist es doch die Kreativität
der Autoren des Films.
„Die
geliebten Schwestern“ schlägt insgesamt eine andere Gangart an,
als man es bei derartigen Filmen erwartet hätte. Die Immersion ist,
trotz aufwändiger Ausstattung und toller Kostüme, erstaunlich
gering. Das liegt an der Form, die Graf wählt, um die Geschichte zu
erzählen. Wahrscheinlich, um einen authentischeren Eindruck zu
schaffen, hat der Rahmen einen dokumentarischen Stil. Dominik Graf
selbst gibt den Erzähler der Geschichte. Einblendungen in klobiger
Schrift verstärken den Eindruck. Auch wenn dieser Stil am Anfang
etwas befremdlich wirkt, sorgt er doch für ein gutes Tempo, so dass
mir die doch recht stolze Laufzeit von zweieinhalb Stunden nicht zu
lang wurde. An einigen Stellen läuft dieser Stil allerdings etwas
konträr zur eigentlichen Geschichte, die natürlich voller Gefühle
und Drama und dem ganzen anderen kitschigen Zeug sein muss. So wirken
solch klischeehafte Szenen, wie die Rettung eines ertrinkenden Kindes
im Fluss, sowie das anschließende Gruppenkuscheln auf einem Feld
irgendwie absurd. All die Nüchternheit verschwindet in diesen
Szenen, wird danach aber sofort wieder entfaltet und sorgt so dafür,
dass man die Motive der Schwestern und die Schillers nicht ganz
nachvollziehen, oder ernst nehmen kann.
Auch
an anderer Stelle schlägt dieser Twist zu. Graf hat sich
entschieden, seinen Schiller reduziert und knapp zu konstruieren,
womit ich persönlich überhaupt kein Problem hätte. Das zieht nach
sich, dass Schiller oft sehr reduziert und knapp redet. Nie kommt
Leidenschaft durch, die aber nicht schlecht gewesen wäre, zumal es
ja bei dieser Dreiecksbeziehung um etwas sehr ungewöhnliches und
skandalöses ging. Aber vielleicht kann man so eine Geschichte nicht
erzählen, ohne den ganzen Kitsch, auf den Graf offensichtlich
verzichten wollte. Mit dem Kitsch wäre es ein zweiter „Goethe“
geworden, eine oberflächliche Kostümromanze. Davon ist „Die
geliebten Schwestern“ zum Glück weit entfernt und vermag es, neben
den zahlreichen unterhaltsamen Momenten auch ein packendes und
ziemlich wirklichkeitsnahes Zeitbild zu schaffen.
Zur
schauspielerischen Leistung muss man im Grunde nichts sagen. Alle
spielen gut; es gibt keine Totalausfälle; den Oscar wird Hannah
Herzsprung auch dafür nicht bekommen (obwohl ihre Unterlippe so
schön beben kann, wenn sich aufgeregt werden soll).
Bei
all der Aufregung vor einem halben Jahr in Berlin und jetzt hier in
Weimar selbst, ist „Die geliebten Schwestern“ ein ganz normaler,
gut gemachter, aber nicht über zu bewertender Film, der den großen
Dichter Friedrich Schiller auf eine angenehm andere, aber nicht
unbedingt neue Art beleuchtet. Unterhaltsam und sehenswert – das
muss Kino ja generell leisten. In einem halben Jahr wird wohl keiner
mehr darüber sprechen.
Die
geliebten Schwestern (D, 2014): R.: Dominik Graf; D.: Henriette
Confurius, Florian Stetter, Hannah Herzsprung, u.a.; M.: Sven
Rossenbach & Florian van Volxem; Offizielle Homepage
In
Weimar: lichthaus, CineStar
Kineast
im Radio: Immer Sonntags, 14 Uhr auf Radio Lotte Weimar.