Die Geldgier einzelner Manager und die wahren Gründe der Finanzkrise

In Leipzig gibt es eine Handelshochschule. Die HHL soll die älteste betriebswirtschaftliche Hochschule im deutschsprachigen Raum sein und zählt laut Eigenwerbung zu den führenden internationalen Business Schools. Sie hat sich der Ausbildung „leistungsfähiger, verantwortungsbewusster und unternehmerisch denkender Führungspersönlichkeiten“ verschrieben. „Die HHL zeichnet sich aus durch exzellente Lehre, klare Forschungsorientierung und praxisnahen Transfer sowie hervorragenden Service für ihre Studierenden. “ Dies nur zur Hintergrundillustration, vor der sich die nun kommenden bahnbrechenden Erkenntnisse über die wahren Ursachen der Finanzkrise besonders schön einordnen lassen.

Die HHL hat nämlich in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut TNS Infratest (nicht mal Umfragen kriegen die Studenten der HHL allein auf die Reihe, aber die sollen künftig ja das Fußvolk führen und nicht befragen) eine aktuelle repräsentative Umfrage durchgeführt. Und dabei zeigte sich einmal mehr, dass man nur dumm genug fragen muss, um idiotische Antworten zu bekommen. Und leider auch, dass die meisten Menschen in diesem unserm Lande (und wohl nicht nur hier) völlig falsche Vorstellungen haben, in was für einer Welt wir eigentlich leben.

Die Umfrager wollten wissen, was nach Ansicht der Bundesbürger für die immer noch nicht überwundene Finanzkrise (dieser Euphemismus stammt nicht von mir, sondern aus der Pressemitteilung der HHL, denn „immer noch nicht überwunden“ ist eine interessante Umschreibung für „geht gerade erst so richtig los“) verantwortlich ist. Und was antworten die braven Bundesbürger?! „Die Geldgier einzelner Manager, die zu weichen Regeln für die Banken sowie das Versagen der Politik.“

Jawoll: Gut neunzig Prozent der befragten Deutschen antworteten auf die Frage „Was meinen Sie, welche tieferen Gründe für die immer noch nicht überwundene Finanzkrise von 2008 ursächlich sind?“ dass die Geldgier einzelner Manager ein tieferer Grund sei. 85 Prozent meinen, dass die Regeln für die Banken zu lasch sind und 81 Prozent glauben, dass die Politik versagt hat. Immerhin 78 Prozent machen auch noch das kurzfristigen Gewinnstreben der Unternehmen verantwortlich, fast genauso viele denken, dass die hohe Verschuldung öffentlicher Haushalte ein tieferer Grund der Krise ist. Hier trifft übrigens umgekehrt zu, dass die Krise dafür sorgt, dass die Verschuldung öffentlicher Haushalte rasant steigt – aber das interessiert offenbar nicht.

Da will man doch nur noch laut schreien, dann leise verzweifelt weinen und sich später zu Tode saufen. Nicht der Kapitalismus ist schuld, nicht das perverse System, das aus Geld Schulden macht, mit denen wiederum Geld verdient wird, nicht die permanente Enteignung derer, die für Geld arbeiten müssen, das man ihnen dann wieder abzockt, über Steuern, Mieten, Gebühren, Abgaben aller Art, nein, das geht alles voll in Ordnung. Wenn da nur nicht die Geldgier einzelner Manager wäre, die den ganzen schönen Kapitalismus ruiniert! Das ist es, was die Leute in der Birne haben!

Pisa-Schock-technisch müsste der schiefe Turm sofort umfallen und der Fernsehturm am Alex gleich dazu, am besten stürzt die Kuppel im Reichstag auch noch in sich zu Samen. Sämtliche Kultusministerien müssten vor Scham zu Staub zerfallen, es sei denn, sie geben endlich zu, dass das oberste Bildungsziel in Deutschland ist, die Köpfe der Leute von jeglicher selbstständiger Denkfähigkeit zu befreien. Das gelingt ihnen nämlich hervorragend.

Trotzdem rufe ich in meiner Verzweiflung laut aus: Deutschland braucht unbedingt noch eine Bildungsoffensive! Als erstes müssen die Business-Schools verboten werden, samt BWL, VWL und allem, was dazu gehört. Mit dieser Art der Volksverdummung muss endlich Schluss sein. Und dann könnte man darüber nachdenken, was das für ein System ist, in dem ein paar geldgierige skrupellose Arschlöcher überhaupt mit so viel Macht ausgestattet werden, dass sie ganze Volkswirtschaften mal eben vor die Wand fahren können. Ganze Bevölkerungen in Haftung nehmen, um sie für die Torheiten ihrer Regierenden bezahlen lassen, Existenzen ruinieren, Leben zerstören, ganze Landstriche verwüsten – und das alles ganz ohne den herkömmlichen blutigen Krieg. Den gibt es woanders natürlich auch, aber in unserer hochentwickelten Welt erobert man neue Geschäftsfelder mit finanziellen Massenvernichtungswaffen.

Klingt ziemlich totalitär, dafür, dass wir angeblich in einer Demokratie leben. Aber so läuft es halt: Alle Macht geht vom Gelde aus. Aber nicht die Geldgier einzelner ist das Problem, sondern dieses ganze System. Das von Romantikern noch immer Marktwirtschaft genannt wird.



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