Die geborgte Stärke der SPD

Die geborgte Stärke der SPDDie SPD kann derzeit vor Kraft kaum laufen. Über 35% in Mecklenburg-Vorpommern, quasi sicherer Wahlsieg in Berlin, die Demoskopenwerte für Bundestagswahlen ständig am Wachsen. Dazu die Dauerkrise von LINKEn und FDP, das Ende des grünen Aufstiegs und Streit in der CDU. In der derzeitigen Freude über die Entwicklungen häuten Gabriel, Steinmeier und Steinbrück aber nicht nur das Wild bevor es gefangen wurde. Sie jagen es nicht einmal; das erledigen andere. Die SPD profitiert derzeit einzig von der Schwäche der anderen; einen eigenen Kraftquell besitzt sie nach wie vor nicht. Das gilt insbesondere für den verbreiteten Irrtum, dass Steinbrück der Messias für die Wahlergebnisse der Partei wäre.
Die Enttäuschung zahlloser Wähler über die schwarz-gelbe Koalition lässt sich fast mit Händen greifen und ist auch unwidersprochen. Allein sie muss für einen Stimmenzuwachs der SPD sorgen, weil viele FDP-Wähler von 2009 entweder nicht mehr zur Wahl gehen oder sich stattdessen für Alternativen entscheiden. Gleiches gilt für Wechselwähler zur CDU, und natürlich für den riesigen Batzen SPD-Sympathisanten, der 2009 überhaupt nicht zur Wahl ging, und zuletzt für diejenigen, die zur LINKEn abgewandert sind. Von all diesen drei Verliererparteien bekam die SPD Wähler zurück, und zwar mehr als sie an die Grünen verlor - deren Zuwachs ist hauptsächlich auf Kosten von FDP und LINKEn entstanden. Warum aber würden nun wieder mehr 2009 enttäuscht von den Urnen ferngehaltene Wähler ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten machen? Die Große Koalition und das Desaster von 2009 sind nun bereits zwei Jahre her, und die Fehler und Schwächen der SPD-Spitze verblassen völlig gegen Merkel und Westerwelle.
Die geborgte Stärke der SPDDie SPD hält sich derzeit außerdem munter in den Schlagzeilen, indem sie ausgiebig die K-Frage diskutiert, also eine rein hypothetische Frage, die irrelevanter zum aktuellen Zeitpunkt kaum sein könnte. In politischen Sachfragen gibt sie sich staatstragend. Euro-Bonds, sicher, wir sind für europäische Integration. Libyen-Einsatz, dagegen und nach dem Erfolg doch dafür. Wenn hier jemand in fünf Monaten seine Meinung umdrehen darf dann Steinmeier, aber sicher nicht Westerwelle, die alte Tröte. Schuldenproblem - hier wurde, staatstragend, die Schuldengrenze miteingeführt. Überhaupt ist die SPD hier in der komfortablen Position, überall auf Mitarbeit verweisen zu können wenn es klappt und einfach der CDU den Frosch in den Schuh zu schieben wenn es sich als Fehler herausstellt. Paradebeispiel siehe Libyen. Und in der Scheindebatte um die Kanzlerkandidatur macht man derzeit Stimmung mit Nostalgie und Merkel-Bashing.
Denn was ist das Pushen einer Führungsfigur wie Steinbrück anderes als eine implizite Kampfansage an Merkels ständiges Herumlavieren und Kompromisse schließen? Die Führungstroika, als die sich die Stones und Gabriel gerade gerieren, verteilt die Eier der SPD in mehrere Körbe. Wenn sich bei den Wahlen der Euro weiter als Hauptthema und ein Bedürfnis nach einer Führungsfigur abzeichnet, hat die SPD Steinbrück in den Startlöchern. Der ist ohnehin der Darling der Medien; niemand kann so gut in Überschriften reden wie er. Steht der Sinn nach einem sanften, ausgeglichenen Staatsmann ohne Angriffsfläche kann man Steinmeier noch einmal ins Rennen schicken und mit leister Stimme Detailkritik an Merkel üben lassen, um sie die konfrontationsscheue deutsche Seele zu streicheln. Und will man doch Abteilung Attacke gegen, könnte man Gabriel mehr Raum einräumen, obwohl der als Kanzler, gelinde gesagt, schwer vorstellbar ist.
Die geborgte Stärke der SPDWas aber in zwei Jahren sein wird - schwer zu sagen. Die aktuelle Stärke der SPD ist geborgt von der Schwäche der anderen, und das ist kein Zustand der sich zwei Jahre lang aufrecht erhalten lässt. Die Strategie Steinbrücks scheint zu sein, sich konsequent im Gespräch zu halten und die finale Entscheidung einserseits bis irgendwann spät 2012 offen zu halten und gleichzeitig auf eine Entscheidung zwischen ihm und Steinmeier zuzuspitzen - was darauf hinausliefe, dass es überhaupt keine Entscheidung zu treffen gäbe. Ob die SPD mit ihm als Frontmann gewinnen könnte  bezweifle ich aber. In Deutschland werden immer noch Parteien gewählt. Es ist zwar richtig, dass die Führungspersonen wichtiger geworden sind als früher; das Kreuz aber macht man immer noch bei einer Partei und dem Konglomerat an Werten und programmatischen Absichten für die sie steht oder zu stehen vorgibt. Wenn man aber Steinbrück mag, liegt die Wahl der CDU näher, während er die klassische SPD eher vergrätzt. Die große Nähe zu Helmut Schmidt, die er gerade zelebriert, gefällt den Medien, die schon Schmidt sehr mochten. Nur sollte man sich vor Augen halten, dass die SPD unter Schmidt mit jeder Wahl verlor, die Grünen zuließ und am Ende die SPD für Jahre als politisches Trümmerfeld zurückließ.
Bildnachweise: Westerwelle - Janwikifoto (GNU 1.2)Steinbrück - Peter Schmelzle (GNU 1.2)

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