Die Fußballpleite

Die Fußballpleite

Das ist doch nicht die Möglichkeit! Wir haben verloren! Und es ist doch nicht die Möglichkeit: Es ist mir nicht egal! Ich habe mich quasi bis zum letzten Spiel dagegen gewehrt vom Fußballhurricane eingesaugt zu werden. Sätze wie "Is doch nur Fußball" oder "Ich werd was lesen während du das guckst", waren bei mir an der Fußballtagesordnung. Ich wollte nicht, dass es mir gefällt, weil ich nämlich mit den Millionen von Menschen mit Kriegsbemalung und Kriegstrompeten (!) nichts zu tun haben wollte.
Dieses theatralische Emotionen nach außen tragen erinnert mich immer an das Gruppenheulen unter Anleitung von Detlev D! Soost in jeder einzelnen Popstars-Staffel. Und Körperflüssigkeiten überhaupt: Wenn beim Public Viewing die Massen beim erzielen eines Tores wie der tasmanische Teufel ihre Freudenpiruetten drehen, und der Angst+Stressschweiß in zentrifugal-Bahnen um sich spritzt, dann wird mir spontan ein bisschen anders im Magen.
Doch irgendwas hat mich dann still und heimlich doch erfasst. Ich möchte nicht behaupten es sei Fußball-Euphorie gewesen, aber ein wenig Neugier vielleicht. Natürlich habe ich versucht mir das nicht anmerken zu lassen, außerdem gefiel ich mir in der Rolle des Spielverderbers auch ein wenig. So ließ ich mich also noch ausdrücklich bitten eine Freundin zum Public Viewing in der Stargarder Straße zu begleiten. Es war das Spiel Deutschland gegen Argentinien, und ich setzte mich demonstrativ mit dem Rücken zum Spielfeld. Ich hätte ja nicht ahnen können wie bescheuert das ist. Nicht nur, weil ich mich ständig verrenken musste, sondern auch, weil ich mich jedes mal zu Tode erschreckt habe wenn ein Tor fiel. Wurden die Vuvuzela-Soundwellen ja auf diese Weise direkt gegen mein Netzhaut getrötet. Die Stimmung war ansteckend, das Ergebnis wie jeder weiss phänomenal, und irgendwo ganz tief in mir keimte ein wenig Fußballbegeisterung.
Auf das gestrige Spiel habe ich mich richtig gefreut. Ich war mir sicher - auch wenn das jetzt blöd klingt - wenn ICH jetzt noch dazu unsere Mannschaft anfeuere, dann muss das doch klappen! Auf meiner Riesenglotze, dank AliceTV-Box in Full-HD, schaute ich mir das Spiel an. Ich hatte zwar keine Kriegsbemalung, aber innerlich strahlte ich in schwarz-rot-gold. Die Spannung war kaum auszuhalten, und als das Tor fiel kam es mir vor als wäre das Tor meine Brust und der Ball ein Dolch. Schweini rannte zwar wie ein Irrer, aber es war sogar für einen Laien wie mich zu sehen, dass die Spanier einfach besser gespielt haben. Gerade in dem Moment wo ich mich dem Fußball geöffnet hatte kam die Niederlage. Aber es erfüllt mich ein bisschen mit Stolz, wenn ich an unsere Mannschaft denke. Wie sie zum Schluss noch einmal gekämpft haben, wie unser Torwart eisern wie eine Mauer die Bälle abgehalten hat. Dieses eine Tor war für ihn nicht zu vermeiden. Der Ball war zu schnell, der Arm zu kurz. Und als der kleine Philipp Lahm nach dem Spiel mit Tränen in den Augen und zitternder Unterlippe noch ein kleines Interview gab, da hätte ich ihn am liebsten in den Arm genommen und gesagt, dass doch alles wieder gut wird.
Jungs, das habt ihr trotz allem toll gemacht! Wir sind stolz auf unsere Nationalelf!


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