Die fetten Jahre sind vorbei

Von Juicytubes105
Seit ich denken kann hatte ich immer Probleme mit meinem Gewicht. Das Ganze hat eine einfache Erklärung.. ich esse eben gern. Als Kind war das nicht das Problem, im Kindergarten war man oft draussen und hat rumgetobt, zu Hause war man fast immer in der Natur und hat gespielt. Als ich in die Schule kam, begann das Problem.. man hat ja fast den gesamten Tag gesessen.. so wurde ich über die Jahre immer dicker und auch immer unglücklicher. Ich wurde in der Schule immer gehänselt und teilweise richtig gemobbt.. von der 7. Klasse bis zur neunten war es besonders schlimm.. ich wurde geschlagen, mir wurden die Haare abgeschnitten, ich wurde gespuckt usw... es war furchtbar ... ich hatte schließlich niemandem etwas getan, ich war einfach nur dick und passte für viele nicht ins Schema F. Gut, die Zeit habe ich überlebt obwohl es schwierig für mich war, aber Teenager sind nun mal ziemlich gehässige Schweine. Aber selbst danach hat man als dicker Mensch immer mit Vorurteilen zu kämpfen.. Dicke sind faul, behäbig, dumm oder einfach komplett disziplinslos.. ach, am Arsch sage ich da nur. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Wenn ich einkaufen war, wurde zuerst immer der Inhalt meines Einkaufswagens gemustert, wenn da irgendwas drin war, das mehr als 100 Kalorien hatte wurde ich immer so pikiert angesehen nach dem Motto "Die ist schon so fett, muss die noch mehr fressen". Die gleichen Blicke habe ich auch immer gespürt wenn ich im Sommer ein Eis im Café gegessen habe oder mir auf dem Weihnachtsmarkt eine Bratwurst gegönnt habe. Dann wurde aber auch offen darüber gelästert, aber nicht nur von Teenagern oder Kindern sondern auch von "gestandenen" Männern und Frauen, als ob sie was besseres wären.. das war einfach nur verletzend und demütigend. Das hatte einfach zur Folge, dass ich kaum noch weg gegangen bin.. ich habe mich einfach nicht mehr getraut und daher zu Hause verkrochen und aus Frust gegessen. Schlimm fand ich es auch Klamotten kaufen zu gehen.. oft wurde ich direkt schon an der Ladentür mit den Worten "Übergrößen führen wir nicht" abgewürgt, selbst wenn ich vielleicht einfach nur ne Tasche oder ein Tuch kaufen wollte. Aber in den Läden für Übergrößen ist die Auswahl ja mehr als beschränkt.. wer hat gesagt, dass florale Muster übergewichtigen Menschen stehen oder dass Dicke zu blöd sind nen Reißverschluß zu bedienen ?.. ich sah nämlich nur Oberteile mit bunten Blumen und Hosen mit Gummizug..

vorher

nachher

Aber immer wenn ich mich im Spiegel angesehen habe, dachte ich "So dick sehe ich doch gar nicht aus".. aber den richtigen Schlag bekam ich als ich ein Foto von mir gesehen habe.. ich konnte nur noch "Gott, du bist ja richtig fett" denken.. und da habe ich mich das erste Mal seit Jahren wieder auf die Waage gestellt und mich traf beinahe der Schlag. Bei einer Größe von 1,74m wog ich stolze 115 kg..oh mein Gott, so konnte das nicht weitergehen..nicht nur das ich keine schönen Klamotten gefunden habe und mich mit dem zufrieden geben musste was mir passt, merkte ich auch gesundheitlich das ich was ändern muss.. ich bekam häufig Kopfschmerzen, mein Rücken und meine Knie taten weh.
Das war das 1. Mal, wo es in meinem Kopf klick gemacht hat und ich wirklich, wirklich etwas ändern wollte. Ich habe meine Ernährung umgestellt und fing an jeden 2. Tag Sport zu machen und nahm so rund 45 kg ab. Nach der Gewichtsabnahme beging ich leider den Fehler wieder zu wie vorher zu essen und schwupps waren wieder 15 kg drauf. Gut, ich war nicht mehr so dick wie früher aber wieder moppelig. Aber das Schlimmste was mir passierte, waren die Worte die mein Vater dann zu mir sagte: "Als du dünn warst, hast du mir besser gefallen". Ich dachte immer dass Eltern ihre Kinder nicht wegen ihres Aussehens sondern wegen ihres Charakters lieben.. es sind doch ihre Kinder. Ich hatte früher oft den Verdacht, dass sie sich für mich geschämt haben aber danach wusste ich, dass es stimmte. Ich würde sagen, dass traf mich mit am meisten. Seit dieser Zeit, habe ich zu meinen Eltern zwar ein relativ gutes Verhältnis, aber dieses Grundvertrauen existierte nicht mehr. Ich nahm die 15 kg später wieder ab (das tat ich für mich) und ich halte seit einigen Jahren mein Gewicht.. mit Schwankungen von 2-3 kg.Ich bin nicht dünn, das werde ich auch nie sein.. ich habe ein breites Kreuz und breite Hüften.. dürr sein passt nicht zu mir. Aber ich fühl mich wohl, habe mehr Selbstvertrauen und gehe offener auf Menschen zu.. allein aus dem Grund, das ich diese Blicke nicht mehr auf mir spürte, die mich immer klein werden und an mir selbst zweifeln liessen. Ich finde es furchtbar, dass man Menschen nur auf Grund ihres Gewichtes fertig macht und klein hält. Es kann jedem passieren, sei es durch einen Unfall, eine Krankheit oder eben einen riesigen Appetit :). Durch die Zeit als Dicke habe ich wirklich gelernt, dass man Menschen nicht allein durch ihr Aussehen verurteilen und in eine bestimmte Schublade einordnen kann. Hätte ich dies getan, wären vielleicht zwei von meinen guten Freundinnen vielleicht gar nicht meine Freundinnen. Sie passen einfach nicht ins Schema.. immer dunkel gekleidet als ob sie bei Vollmond Hamster auf dem Friedhof opfern würden, aber sie sind 2 ganz tolle und einzigartige Menschen.. während vielleicht Leute die "nett" aussehen die absoluten Arschkrampen und heiße Luft-Produzenten sind.
Ich habe wirklich oft das Gefühl, dass man eher dumm als dick sein darf um in der heutigen Gesellschaft akzeptiert zu werden. Wie denkt ihr darüber? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?