Im gleichen Atemzug wird auch darüber berichtet, dass der Sohn von Sakineh Ashtiani, Sadschdschad Kadersadeh, auf Kaution freigelassen wurde und mitteilt, dass seine Mutter schuldig sei:
«Ich denke nicht, dass meine Mutter unschuldig ist. Sie ist sicher schuldig», sagte Kadersadeh. Die Entscheidung über ihr Schicksal müssten aber die Behördenvertreter des Landes treffen. Sie könnten die Entscheidung, sie zu steinigen, in ein anderes Urteil umwandeln, sagte er. (Tagesanzeiger.ch)
Kadersadeh hat auf einer gestern eilig einberufenen Pressekonferenz auch mitgeteilt, dass seine Mutter die beiden Journalisten und Mina Ahadi verklagen will, da diese “Schande über mich und das Land gebracht haben”.
Dabei handele es sich um “die beiden Deutschen”, ihren ehemaligen Anwalt Mohammad Mostafaie, den Mörder ihres Ehemannes, Issa Taheri, sowie die in Deutschland lebende Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung, Mina Ahadi. (standard.at)
Keiner dieser Artikel stellt die Frage, was der Hintergrund für diese Wendung sei. Manchmal verraten aber sogar einzelne Sätze in den fast wortgleichen Artikeln mehr. Die NZZ schreibt:
Ursprünglich sollte nach Auskunft lokaler Behörden am Samstag auch Sakineh Mohammadi Ashtiani vor Journalisten sprechen. Allerdings sei nicht das ordnungsgemässe Verfahren eingehalten worden, damit sie das Gefängnis verlassen könne, begründeten Behördenvertreter ihr Nicht-Erscheinen.
und kommt damit der Wahrheit schon recht nahe.
Sakineh Ashtiani ist eine sehr einfache Frau. Sie spricht kaum ein Wort Farsi, die Sprache, in der der auch die Verhandlungen gegen sie geführt wurden. Sie verstand ihr eigenes Todesurteil nicht. In dem Teil eins der Farce – der angeblichen Freilassung – wird sie in einem Video vorgeführt, in dem sie auf Englisch die Schuld am ihr zur Last gelegten Mord zu gibt. Mit diesem öffentlichen Geständnis hat sie sich erpressbar gemacht. Es ist davon auszugehen, dass sie nicht versteht, dass sie dem Regime in Teheran als Marionette dient.
Der Sohn ist in einer ähnlichen Situation. Er wurde verhaftet, als er Marcus Hellwig und Jens Koch ein Interview geben wollte. Um seinen Hals zu retten – denn eine Anklage auf Spionage, die ihm angedroht wurde, wird in Iran mit dem Tode bestraft – stellt er sich vor die Mikrofone ausgesuchter Journalisten und bekräftigt zum einen die Schuld seiner Mutter und bittet öffentlich um Gnade. Um im gleichen Zuge die Journalisten davon zu informieren, dass gegen die beiden Journalisten, den (inzwischen im Exil lebenden) Ex-Verteidiger sowie die (ebenfalls im Exil lebende) Menschenrechtlerin Mina Ahadi Anzeige erstattet werden wird.
Und niemand fragt nach den Hintergründen?
Alle Beteiligten werden als Marionetten in einem widerlichen Spiel missbraucht. Die beiden als Geiseln festgehaltenen Journalisten dienen Teheran als Pfandfaust gegenüber der deutschen Regierung, die deshalb noch immer auf “stille Diplomatie” setzt. Relativ erfolglos.
Der ehemalige Anwalt Mohammad Mostafaie hat vermutlich eine Zeit lang mit dem iranischen Regime zusammengearbeitet. Und als ihm das selbst zu unmoralisch wurde, sich ins Ausland abgesetzt.
Mina Ahadi ist nicht nur erklärte Gegnerin des Mullah-Regimes, sie wird von diesem auch als solche wahrgenommen. Die gesamte Kampagne dient unter anderem dem Zweck, die Arbeit von ihr und Maryam Namazie für Stopstoning now zu diskreditieren.
Und nicht zuletzt auch Sakineh Ashtiani und ihr Sohn.
Und niemand der schreibenden Kollegen sieht das? Oder gibt es eine Abmachung, über die Hintergründe nicht zu berichten? Allein Spiegel online stellt die Frage, ob die Ankündigung der Anzeige “womöglich auf Druck der Behörden” geschah.
In einem weiteren Artikel berichtet der Spiegel darüber, dass sich mehr als 100 Prominente aus Deutschland für die Freilassung der beiden Journalisten Marcus Hellwig und Jens Koch einsetzen.
Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) warnte Iran vor Konsequenzen: “Ich appelliere an Iran, die beiden so schnell wie möglich freizulassen. Ein Staat, der wie Iran ständig um Verständnis wirbt, sollte darauf achten, dies nicht auf anderen Gebieten zu verspielen.” (SPON)
Ich kann mich des Kommentares dazu nicht enthalten: sollen nun auch wirtschaftliche Interessen Deutschlands am Elburs verteidigt werden oder was bedeutet dieser Satz?
Die im Artikel zitierte Literaturnobelpreisträgerin Hertha Müller spricht mir aus dem Herzen:
Sie erinnere der Umgang mit Frau Aschtiani “an die Schauprozesse der stalinistischen Diktaturen in Osteuropa”.
Allerdings hat Teheran gut gelernt, die modernen Medien – sogar die westlichen – für seine Zwecke zu nutzen. Gut zu nutzen.
Nic
Nachtrag
tagesschau.de schreibt:
Beobachtern zufolge könnte es sich bei dem inszenierten Auftritt von Sakine Mohammadi Aschtiani um einen Deal zwischen der iranischen Justiz und der zum Tode verurteilten Frau handeln. Möglicherweise haben beide Seiten abgesprochen, dass Frau Mohammadi Aschtiani einerseits die beiden deutschen Journalisten beschuldigt und andererseits dafür gewisse Vorteile bekommt.
und trifft damit den Nagel auf den Kopf