© Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH / James Franco und Mila Kunis in “Die fantastische Welt von Oz”
Schaut man sich heute noch einmal den Film-Musical-Klassiker „Der Zauberer von Oz“ an, in dem eine junge Judy Garland quietsch vergnügt durch ein Technicolor-Wunderland tänzelt, so möchte man manches Mal gerne die Ohren zuklappen. Man nehme die kleinen Munchkins, die ganz gleich in welcher Sprachfassung, so unheimlich hohe Töne von sich geben, dass man bei ihrem Gesang unweigerlich aufspringen und sie anschreien möchte, doch endlich mit diesem grausigen Akt aufzuhören. Und genau eine solche Szene findet sich nun in Sam Raimis „Die fantastische Welt von Oz“ wieder, wo ‘Oz’ höchstpersönlich in Form von James Franco, der hier den Taschenspielertrick-Magier Oscar Diggs spielt, die Tanz- und Gesangseinlage – die einzige in diesem Film – der Munchkins unterbinden darf. Solcherlei Anbindungen finden sich zu Hauf in Raimis Geschichte, die sich im Universum des amerikanischen Kinderbuchautoren L. Frank Baum abspielt, aber nicht den Bezug zu den vierzehn geschriebenen Büchern sucht, die Baum, beginnend mit „The Wonderful Wizard of Oz“ ab 1900 veröffentlicht hat.
Dennoch spielt der Regisseur natürlich mit dem Material, welches den Zuschauern vielleicht schon bekannt sein könnte. In der 1939er Verfilmung von Regisseur Victor Fleming spielte man mit dem gerade aufgekommenen Technicolor-Verfahren. So wurde die Hauptfigur der Dorothy Gale in ihrer Heimat in Kansas noch in einer sepia gefärbten schwarz/weiß-Umgebung gezeigt, während das Land Oz, in das Dorothy durch einen Wirbelsturm gebracht wird, in bunteste Farbtöne getaucht wurde. Es entstand ein Farb-Effekt, der Oz in eine magische Atmosphäre tauchte und deutlich vom langweilig spießigen Kansas unterschied. Hierauf wollte auch Raimi nicht verzichten, hält die Anfangsminuten seines Films ebenfalls in schwarz/weiß, zeigt dort seinen Hauptprotagonisten Oscar Diggs bei seinem Dorfzaubereien, die ihn wenig Ruhm und Reichtum einbringen. Verwicklungen, die das Umgarnen von zahlreichen Frauen beinhalten sowie einen davon wenig begeisterten Muskelprotz, zwingen Oscar zur Flucht. Er steigt in einen Heißluftballon und entgeht dem Zorn seines Verfolgers, nur um direkt in einen Wirbelsturm zu fliegen. Derselbe, in den zwanzig Jahre später auch Dorothy Gale geraten wird um in Oz nach einem berühmt berüchtigten Zauberer zu suchen. Sam Raimi fliegt diesen Zauberer in Form von James Franco nach Oz, packt farbenfrohe Landschaften in das magische Land und entspannt ein zuvor auf 4:3 beschränktes Leinwandbild auf das 16:9 Format. Aus dem kleinen Kansas wird das große und weite Oz.
Zach Braff spricht den kleinen Pagenaffen Finley
Hier wird er als in einer Prophezeiung vom Himmel fallender Zauberer willkommen geheißen, wird sofort mit königlichen Ehren ausgestattet, Gold und Ruhm erwarten ihn. Nur hat die Sache einen Haken. Um all das zu bekommen, muss er zuerst eine böse Hexe vernichten, die das Land in Angst und Schrecken gestürzt hat. Selbst eine Hexe, ist Theodora sofort von Oscar angetan, bringt ihn zu ihrer großen Schwester Evanora, die auf den Thron des Königs und ihres Vaters sitzt, bis Erlösung eintrifft. Die beiden schicken Oscar los um die böse Hexe Glinda zu vernichten.
Aber das ist nur ein kleiner Teil der Geschichte, die in den knapp über 130 Minuten Laufzeit erzählt wird. James Franco hat sichtlich Spaß an seinem Auftritt als Oz höchstpersönlich, dem im Originaltitel „Oz the Great and Powerful“ weitaus mehr Respekt gezollt wird. Aber auch „Die fantastische Welt von Oz“ trifft zu, gibt sich der Film doch durchaus Mühe, einzigartige Figuren zu schaffen, sie durch Landschaften wandern zu lassen, die eben „fantastisch“ daher kommen. Am eindrucksvollsten erscheint da ein kleines Porzellanmädchen, die mit ihren Maserungen und spiegelglatter Oberfläche, mit ihrem Charme und (Über)Mut, eine wunderbar am Computer animierte, dennoch real wirkende Figur abgibt. Und was wäre Oz ohne die grünhäutige Hexe mit dem grantigen Gesicht. Auch sie wird von Sam Raimi eingeführt, bevor sie Jahrzehnte später von Dorothy Gale mit einer vermeintlich harmlosen Ladung Wasser zum dahin Schmelzen gebracht wird. Diese Welt, mit ihren magischen Wesen, mit dem ersten Auftauchen vom Zauberer von Oz und der Wicked Witch of the West wird musikalisch von Danny Elfman untermalt, der in bester Tim Burton-manier eine Atmosphäre zwischen Grusel und Märchen erzeugt. Bereits in der wunderbar – oder nennen wir es doch lieber ‘fantastisch’ – animierten Eingangssequenz stellt man so Bezüge zu „Alice im Wunderland“ oder „Charlie und die Schokoladenfabrik“ her.
Nur eben gänzlich ohne Johnny Depp. Doch was James Franco hier abliefert, zeugt nicht nur von schauspielerischer Leichtigkeit, sondern zugleich manifestiert sich ein Spaß-Faktor auf der Leinwand, bei dem man selbst jedes Mal gerne so breit grinsen würde wie der Oz-Darsteller. Auch seine Mitstreiter Mila Kunis, Rachel Weisz und Michelle Williams gehen in ihren Rollen auf, mutieren zu bösen Hexen, zu guten Seelen, zu grünhäutigen Ungeheuern. Da werden Feuerbälle und Blitze geschossen, nur die gute Hexe muss sich mit dem Erzeugen von Nebelschwaden und Herumfliegen in Seifenblasen begnügen. Auch das hat sie der 1939er Vorlage zu verdanken.
James Franco und das kleine Porzellanmädchen
Dennoch wäre bei 130 Minuten sicherlich etwas mehr Tiefgang möglich gewesen. Der Film huscht geradezu durch seine Handlung, lässt allenfalls dem kleinen Porzellanmädchen Zeit, über ihr zerstörtes Dorf – ‘China Town’, so steht es auf einem Wegweiser geschrieben – zu trauern, ihren Wunsch nach einer Familie zu äußern. Dass der Zauberer dann am Ende eine eher eigenwillige Lösung für diesen Wunsch präsentiert, auch das werden später Dorothy, die Vogelscheuche, der Zinnmann und der Löwe zu spüren bekommen. Neben dem kleinen Püppchen und Oz selbst, verblassen aber Figuren wie ein kleines fliegendes Pagenäffchen, von „Scrubs“-Darsteller Zach Braff gesprochen, der dessen menschliches Äquivalent, den Zauberer-Gehilfen Frank, in der realen Welt verkörpert.
Wo in dieser realen Welt die kleinen Taschenspielertricks, Mini-Feuerwerke und Verschwinde-Falltüren recht ärmlich wirkten, darf der Zauberer von Oz eben jenes Wissen über diesen Schabernack am Ende dazu einsetzen, doch noch die Show seines Lebens zu veranstalten. Durch diese beweist er dann zwar nicht die von ihm angestrebte Größe, aber die weitaus bedeutendere Güte. Sam Raimi wiederum zeigt Größe als Regisseur, lässt seinen Film exakt so enden, dass „Der Zauberer von Oz“ – Jahrgang 1939 – als direkte Fortsetzung funktionieren würde. Wer nun also den Klassiker kennt, wird umso mehr Spaß mit dieser Welt haben.
“Die fantastische Welt von Oz“