Die fabelhafte Welt der Audrey Tautou

Bild © Universal/DVD. Audrey Tautou in

Bild © Universal/DVD. Audrey Tautou in “Die fabelhafte Welt der Amélie”

Die meisten Menschen assoziieren Audrey Tautou vermutlich heute noch mit Amélie, dieser herzensguten, wenn auch eigenartigen und schüchternen Kellnerin, die den Menschen in ihrem Umfeld ein besseres Leben ermöglichen möchte, während sie selbst mit ihrer eigenen Isolation kämpft. Das scheint symptomatisch für die in Beaumont in Frankreich geborene Schauspielerin, die zwar keine Angst vor Isolation zu haben braucht, die sich allerdings im Spotlight äußerst rar zu sehen gibt. Sie erscheint auf der Leinwand, sie blickt uns mit ihren übergroßen braunen Rehaugen an, verzaubert uns und ist auch schon wieder fort, bevor irgendein Klatschblatt die Möglichkeit bekommt, über dieses arme Wesen herzufallen. Audrey erscheint wie Amélie – herzensgut, ein wenig schüchtern, eigenartig sind allenfalls manche ihrer Filmfiguren, auch noch über die durchaus prägende Amélie hinaus.

Audrey Tautou wird in Beaumont geboren, aber im wenig entfernten Montluçon großgezogen. Ihr schauspielerisches Interesse kann nicht von den Eltern kommen, ihr Vater arbeitet als Zahnarzt, ihre Mutter ist Lehrerin. Trotzdem kann sich die junge Audrey durchsetzen und besucht schon sehr früh die private Schauspielschule Cours Florent in Paris. Neben der Schauspielerei darf sie für Modefirmen wie Montblanc, L’Oréal und Chanel über die Laufstege der Welt stolzieren. Die Jugendjahre der Coco Chanel verfilmt die Regisseurin Anne Fontaine dann mit Audrey Tautou in der Hauptrolle. Tautou ist eine der wenigen französischen Schauspielerinnen, die eingeladen wurden der Academy of Motion Picture Arts and Sciences beizutreten, sie hat 2000 eine César Auszeichnung als beste Nachwuchsschauspielerin für ihre Rolle in dem Film Schöne Venus erhalten, war zweimal für den BAFTA nominiert, gleich fünfmal für den Europäischen Filmpreis.

Die fabelhafte Welt der Audrey Tautou

Die Auszeichnung mit dem César Award für Schöne Venus ebnet ihr den Weg hin zu Jean-Pierre Jeunets Die fabelhafte Welt der Amélie, doch schon vor diesen beiden Werken, die den Bekanntheitsgrad der Audrey Tautou begründen sollen, ist die Schauspielerin in Fernsehfilmen und –serien tätig. Zuallererst in der Fernsehproduktion Das Herz der Quote, 1996 gibt sie in dem Kriminalfall ihr zehn Sekunden andauerndes Debüt. Auf der Besetzungsliste erhält sie nicht einmal einen Rollennamen. Das soll sich auch unter Regisseur Jean-Paul Salomé nicht ändern. Der Filmemacher, der später mit Filmen wie Belphegor, Arsène Lupin und Das Chamäleon die französischen Fernsehgefilde verlässt, dreht 1997 La vérité un vilain mit ihr. Hier wird sie lediglich als „Die Telefonistin“ genannt. Die erste größere Rolle gibt es ein Jahr später in Marc Angelos TV-Drama Bébés boum. Der Film handelt von der alleinerziehenden Mutter Agnès (Zabou Breitman) und ihrer Tochter Elsa (Audrey Tautou).

Neben weiteren Fernsehauftritten in Chaos technique von Laurent Zerah sowie Paule Zajdermanns Le boiteux: Baby blues nimmt Tautou 1998 an dem Nachwuchswettbewerb Jeunes Premiers teil und gewinnt den ‚Best Young Actress‘-Award beim neunten Béziers Festival of Young Actors. Hiernach wird Regiesseurin Tonie Marshall auf die zu diesem Zeitpunkt 22 Jahre junge Tautou Aufmerksam und gibt ihr in ihrem Film Schöne Venus die Rolle der Marie, der jüngsten von vier Kosmetikerin in einem Schönheitssalon in Paris, die allesamt einen Ausweg aus der Einsamkeit suchen. Nun ist es für Audrey nur noch ein kurzes Stück bis zur Amélie, immerhin hat sie sich schon aus der Fernsehwelt befreit, erobert langsam aber sicher das französische Kino: Voyous voyelles erscheint im Februar 2000 in Frankreich, Audrey an der Seite von Olivia Bonamy und Axelle Ade-Padeloup, ein gewisser Serge Hazanavicius (der ältere Bruder des The Artist-Regisseurs Michel Hazanavicius) spielt Tautous Geliebten, der sie allerdings kurzerhand abserviert. Daraufhin will sich seine Freundin das Leben nehmen, findet aber in einem Geschwisterpaar neue Freunde die ihr Halt geben – und mit ihr Rachepläne gegen den Exfreund schmieden. Es folgen Épouse-moi, eine Komödie rund um einen Wahrsager, der einer Frau (Michèle Laroque) vorhersagt, dass ihr Mann sie für eine jüngere Frau (Tautou) verlassen wird, Le libertin, ein Film über einen Tag im Leben des Philosophen Denis Diderot (gespielt von Vincent Perez) und Le battement d’ailes du papillon, einem Film der sich mit den Zusammenhängen vieler kleiner Geschehnisse beschäftigt, wie diese miteinander zusammen hängen und Einfluss aufeinander nehmen. Der Film ist auf dem DVD-Markt in Hong Kong nach dem Erfolg von Die fabelhafte Welt der Amélie schlicht als Amélie 2 erschienen.

1999 Kurzfilm Triste à mourir mit Audrey Tautou in der Rolle der Caro

Die Magie von Amélie

Hier kommen sie nun endgültig zur vollen Geltung: Audrey Tautous Rehaugen, die der schüchternen Bedienung eines Pariser Cafes (das real existierende Café des 2 Moulinsin in Montmartre) ihren Charme verleihen. Da mag das fehlende Stück in Amélies Herzen geradezu absurd wirken, gerade wo doch dieses lebensfrohe Persönchen ihre Bestimmung darin sieht, anderen Menschen ein schönes Leben zu bereiten. Es sind letztendlich zwei Personen die sich gegenseitig ihre Herzen komplettieren: Audrey und Amélie, Schwestern im Geiste. Man mag es nicht überdenken, wer Amélie ohne Audrey Tautou wäre, wer Audrey ohne Amélie heute wäre? Dabei hat Regisseur Jean-Pierre Jeunet zuerst gar nicht die Französin für seinen Film im Sinn, sondern die Britin Emily Watson. Ihre Amélie soll die Tochter eines in Frankreich lebenden Briten sein, doch Watson Kenntnisse der französischen Sprache sind zu gering, außerdem finden zeitgleich die Dreharbeiten zu Robert Altmans Gosford Park statt, in dem Watson mitwirkt. Jeunet schreibt daraufhin das Drehbuch um, so dass eine französische Darstellerin die Hauptrolle spielen kann. Audrey Tautou ist die erste Schauspielerin die der Regisseur zum Vorsprechen einlädt – und da ist wieder ihr früherer Erfolg – weil er sie auf dem Poster zu Schöne Venus sieht. So verzaubert wir heute von Die fabelhafte Welt der Amélie sind, so sehr langweilt der Film Gilles Jacob, verantwortlich für die Zusammenstellung des Programms der Filmfestspiele von Cannes. Das Fehlen des Films an der Côte d’Azur sorgt für Kontroversen, haben doch die französischen Medien nur Gutes über Amélie zu sagen. Anderorts bekommt Amélie dafür umso mehr Lobpreisungen: ein BAFTA Sieg für das Drehbuch, mehrere Europäische Filmpreise, mehrere César Awards, Nominierungen für den amerikanischen Golden Globe und Academy Award. Im August 2013 wird bekannt, dass der Komponist Dan Messe an der Musik für eine Musical-Adaption schreibt, die am Broadway ihre Premiere feiern soll. Jean-Pierre Jeunet distanziert sich von diesem Vorhaben, hat die Rechte laut eigener Aussage nur verkauft, um das Geld der Wohltätigkeitsorganisation ‚Mecenat Chirurgie Cardiaque‘ zukommen zu lassen.

Nowhere to go but up…

…heißt passenderweise ein Film, in dem Audrey Tautou 2003 mitwirkt. Sie spielt eine französische Schauspielerin, die ihr Glück in den USA versuchen will. Sie reist nach New York und trifft dort auf den Drehbuchautoren Jack, der zwar gerade an einer Schreibblockade leidet, der in der Dame aus Frankreich aber seine Muse findet. Eine Liebesgeschichte, die für Tautou zu einer Zeit kommt, in der sie sich wohl nur zu gut in ihre Rolle hinein versetzen kann. Der Film wird in New York gedreht, womit Audrey schon vor ihrem großen Hollywood Durchbruch die erste amerikanische Filmluft schnuppern darf. Es folgen aber wieder französische Titel: Dieu est grand, je suis toute petite (in Deutschland als Unglaublich auf DVD erschienen), À la folie…pas du tout (Wahnsinnig verliebt), Les marins perdus, Un long dimanche de fiancailles (Mathilde – Eine große Liebe) und Pas sur la bouche vom erst kürzlich verstorbenen Regisseur Alain Renais, sowie eine kleinere Rolle neben Romain Duris in L’auberge espagnole (Barcelona für ein Jahr) samt Fortsetzung Les poupées russes (L’Auberge espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg). In 2002 dreht sie mit dem Briten Stephen Frears Kleine schmutzige Tricks, in dem die Französin Tautou eine Türkin in Großbritannien spielt. 2006 geht es schlussendlich nach Hollywood, um neben Everybody‘s Darling Tom Hanks in der Dan Brown Verfilmung The Da Vinci Code (Sakrileg) mitzuwirken.


Chanel N° 5 Werbespot von Jean-Pierre Jeunet mit Audrey Tautou

Einmal Hollywood und zurück

Audrey Tautou hält es nicht lange in der sogenannten Traumfabrik. Sie kehrt in ihre Heimat zurück, dreht dort lieber Filme die ihr gefallen, als sich dem Studiosystem unterzuordnen. In Frankreich spielt sie für Regisseure wie Pierre Salvadori (Liebe um jeden Preis, Bezaubernde Lügen), Claude Berri (Zusammen ist man weniger allein), David und Stéphane Foenkinos (Nathalie küsst) – oftmals leichte Kost, romantische Komödien, aus denen sie erst 2009 mit Anne Fontaines Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft ausbricht. Der Film, in dem Tautou die legendäre Modedesignerin verkörpert, wird für vier BAFTAs nominiert, drei europäische Filmpreise, sechs César Nominierungen und für den Oscar für das Beste Kostümdesign. Etwa zur selben Zeit übernimmt das Gesicht Tautous die Werbekampagne für Chanel N° 5, löst damit Nicole Kidman ab, die seit 2004 Werbefilme für das Label dreht. Für Audrey Tautou übernimmt Jean-Pierre Jeunet die Regie für den neuen Chanel N° 5 Spot, mit ihm hatte Tautou schon Die fabelhafte Welt der Amélie gedreht. Gefolgt wird der Abstecher ins Land der Coco Chanel 2011 von Jalil Lesperts Des vents contraires, bisher unveröffentlicht in Deutschland, während das Drama Thérèse Desqueyroux von Claude Miller, basierend auf der gleichnamigen Romanvorlage des französischen Schriftstellers François Mauriac, im August 2013 immerhin auf DVD das Licht der deutschen Filmwelt erblickt.

Dass Audrey Tautou nach ihrem einmaligen Hollywood-Engagement nur noch in französischen Filmen zu sehen ist, kommentiert sie selbst damit, dass sie Frankreich als ihre Heimat ansieht. Hier wolle sie auch ihre Filmkarriere ansiedeln, lieber als in den Vereinigten Staaten. In einem Interview mit The Straits Times verdeutlicht die französische Darstellerin ihre Wurzeln, sie würde niemals nach Los Angeles ziehen, was aber nicht heißen würde, dass sie nie wieder einen englischsprachigen Film drehen möchte.

In 2013 ist Audrey Tautou in Michel Gondrys Der Schaum der Tage zu sehen, schon zuvor spielt sie in ihrem ersten Musikclip mit: I Love Your Smile des britischen Singer-Songwriters Charlie Winston. Außerdem moderierte sie die Eröffnungs- und Schlusszeremonie der 2013er Filmfestspiele von Cannes.

Beziehungsweise New York

So der Titel ihres neuen Films, der am 1. Mai 2014 in den deutschen Kinos starten wird. Trotz des New York Bezugs ist der Film eine französische Produktion, die im Original Casse-tête chinois heißt und der dritte Teil der L’Auberge Espagnole-Reihe um Barcelona für ein Jahr und Wiedersehen in St. Petersburg ist. Erneut spielt Tautou an der Seite von Romain Duris und unter der Regie von Cédric Klapisch.

Neben Beziehungsweise New York wird am 9. April Audrey Tautous Film Zusammen ist man weniger allein von PROKINO erneut auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.

Filmografie von Audrey Tautou

Beziehungsweise New York (2013)
Der Schaum der Tage (2013)
Thérèse Desqueyroux (2012)
Des vents contraires (2011)
Nathalie küsst (2011)
Bezaubernde Lügen (2010)
Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft (2009)
Zusammen ist man weniger allein (2007)
Liebe um jeden Preis (2006)
The Da Vinci Code – Sakrileg (2006)
L’Auberge espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg (2005)
Mathilde – Eine große Liebe (2004)
Happy End (2003)
Pas sur la bouche (2003)
Les marins perdus (2003)
Kleine schmutzige Tricks (2002)
Barcelona für ein Jahr (2002)
Wahnsinnig verliebt (2002)
Dieu est grand, je suis toute petite (2001)
Die fabelhafte Welt der Amelie (2001)
Le battement d’ailes du papillon (2000)
Le libertin (2000)
Épouse-moi (2000)
Voyous voyelles (1999)
Triste à mourir (Kurzfilm, 1999)
Schöne Venus (1999)
Le boiteux: Baby blues (Fernsehfilm, 1999)
La vieille barrière (Kurzfilm, 1998)
Julie Lescaut (Fernsehserie, 1998)
Casting: Archi-dégueulasse (Kurzfilm, 1998)
Chaos technique (Fernsehfilm, 1998)
Bébés boum (Fernsehfilm, 1998)
Les Cordier, juge et flic (Fernsehserie, 1997)
La vérité est un vilain défaut (Fernsehfilm, 1997)
Das Herz der Quote (Fernsehfilm, 1996)

Audrey Tautou in Charlie Wilsons Musikvideo zu seinem Song I Love Your Smile


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