Die EU-Diktatur nimmt Formen an

Über den Vertrag von Lissabon wurde viel geschrieben und diskutiert, bis heute. Kritiker nennen dieses Vertragswerk eine „Diktaturverfassung“. EU-Fans schieben diesen Vorwurf mit einer lockeren Handbewegung beiseite. Der „Normalbürger“ hat diesen Vertrag nicht gelesen. „Vertraute“ er doch den Leuten, die dafür zuständig sind. Das sind unsere Bundestagsabgeordneten. Doch diese haben diesen Vertrag mehrheitlich ebenfalls nicht gelesen.
Was ist nun dran an dem Vorwurf, dieser Vertrag sei eine Diktaturverfassung?
Der Vorwurf gründet sich auf einen kleinen unscheinbaren Absatz in diesem Vertrag.
Dazu Prof. Schachtschneider:
“Genau genommen schafft der neue Artikel 33 Absatz 6 des Verfassungsvertrages über die EU eine Diktaturverfassung (Anm. entspricht nun Artikel 48 Absatz 6 über das “vereinfachte Änderungsverfahren” in der nun erschienenen konsolidierten Fassung). Er ermächtigt den europäischen Rat, die Staats- und Regierungschefs mit dem Präsidenten der Kommission, dem Präsidenten des Rates die gesamten Regelungen eines bestimmten Teils, die gesamten innenpolitischen Regelungen, die Wirtschaftsverfassung, die Sozialverfassung, die Währungsverfassung, aber auch die Verbraucherregelungen, die Umweltregelungen und den gesamten Bereich des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Das ist das Polizeirecht und das Strafrecht und viele andere Bereiche mehr. Praktisch die gesamten Politikbereiche außer der Außenpolitik ganz oder zum Teil zu ändern. Nur durch Beschluß. Das Europäische Parlament wird dabei nur angehört, die Mitgliedsstaaten müssen nach ihren Verfassungen zustimmen, aber das bedeutet nur, daß die Regierungschefs zustimmen müssen.
Artikel 48
Um das zu verdeutlichen. Der Vertrag von Lissabon regelt, wie mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umgegangen werden kann.. Der Ermächtigungsartikel 48 Absatz 6 bezieht sich auf den dritten Teil des AEUV.
Und in diesem dritten Teil wird folgendes geregelt.
Der Binnenmarkt (Art. 26 - Art. 27)
Der freie Warenverkehr (Art. 28 - Art. 37)
Die Landwirtschaft und die Fischerei (Art. 38 - Art. 44)
Die Freizügigkeit, der freie Dienstleistungs- und Kapitalverkehr (Art. 45 - Art. 66)
Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 67 - Art. 89)
Der Verkehr (Art. 90 - Art. 100)
Gemeinsame Regeln betreffend Wettbewerb, Steuerfragen und Angleichung der Rechtsvorschriften (Art. 101 - Art. 118)
Die Wirtschafts- und Währungspolitik (Art. 119 - Art. 144)
Beschäftigung (Art. 145 - Art. 150)
Sozialpolitik (Art. 151 - Art. 161)
Der Europäische Sozialfonds (Art. 162 - Art. 164)
Allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport (Art. 165 - Art. 166)
Kultur (Art. 167)
Gesundheitswesen (Art. 168)
Verbraucherschutz (Art. 169)
Transeuropäische Netze (Art. 170 - Art. 172)
Industrie (Art. 173)
Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt (Art. 174 - Art. 178)
Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt (Art. 179 - Art. 190)
Umwelt (Art. 191 - Art. 193)
Energie (Art. 194)
Tourismus (Art. 195)
Katastrophenschutz (Art. 196)
Verwaltungszusammenarbeit (Art. 197)
Wie sie sehen, kann der Europäische Rat fast alle Politikbereiche steuern. Der Europäische Rat setzt sich aus den Staats- und Regierungschefs der Union, dem Präsidenten des Europäischen Rates sowie dem Kommissionspräsidenten zusammen, wobei Letztere kein Stimmrecht besitzen.
Oder im Klartext. Ein paar Hansel hebeln die nationale Souveränität der EU-Länder aus und bestimmen wo es lang geht.
Hat sich dies schon bemerkbar gemacht? Und ob. Auf dem Gipfel des Europäischen Rates am 16./17. Dezember 2010 wurde der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM), kurz Euro-Rettungsschirm, beschlossen, der Artikel 136 des AEUV um einen Absatz erweitert.
Doch damit nicht genug. Weitere Überraschungspakete sind in Vorbereitung.
Am 17. Juni 2010 wurde vom Europäischen Rat die Agenda Europa 2020 beschlossen. Haben Sie von dieser Agenda schon etwas gehört oder gelesen? Wahrscheinlich nicht, denn die qualitätsfreien Medien haben darüber nicht berichtet.
Seit bestehen der EU gibt es erstmalig einen Zehnjahresplan! Manchem Leser sind bestimmt noch die Fünfjahrespläne der ehemaligen DDR in Erinnerung.
Europäisches Semester der wirtschaftspolitischen Ex-ante-Koordinierung
Vor diesem Hintergrund hat die EU auch beschlossen, ihre wirtschaftliche Governance zu ändern. Dieser Jahreswachstumsbericht leitet zum Januar 2011 auf der Grundlage der Strategie Europa 2020 das erste Europäische Semester der wirtschaftspolitischen Ex-ante-Koordinierung ein.
1 Anhebung der Beschäftigungsquote und der FuE-Investitionen, Verwirklichung der Klimaschutz- und Energieziele, Steigerung des Anteils der Hochschulabsolventen und Senkung der Schulabbrecherquote, Förderung der sozialen Integration durch Reduzierung der Armut.

Na, klingelts?
In diesem Bericht werden die verschiedenen Maßnahmen zusammengeführt, die notwendig sind, um die Erholung kurzfristig zu stärken, den Anschluss an unsere Hauptkonkurrenten zu schaffen und der EU den Weg zur Verwirklichung ihrer Agenda 2020 zu ebnen. Angesichts des dringenden Handlungsbedarfs hat sich die Kommission für zehn prioritäre Maßnahmen entschieden. Die Kommission wird ihre Arbeit in anderen Politikbereichen einschließlich Handel sowie in der Innenpolitik fortsetzen. Auf diese wird hier nicht weiter eingegangen. Die Kommission stellt in dieser Mitteilung auf ein Gesamtkonzept für die wirtschaftliche Erholung mit Schlüsselmaßnahmen aus der Strategie Europa 2020 ab, die sich auf drei Schwerpunkte konzentrieren:
– Notwendigkeit einer konsequenten Haushaltskonsolidierung zur Stärkung der makroökonomischen Stabilität
– Arbeitsmarktreformen zur Förderung der Beschäftigung
– wachstumsfördernde Maßnahmen.
Dieser erste Jahreswachstumsbericht gilt für die gesamte EU, muss aber der besonderen Situation jedes einzelnen Mitgliedstaats angepasst werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen besonders auf den Euroraum ab, der derzeit unter der staatlichen Schuldenkrise leidet. Der Euroraum muss mit Haushaltskonsolidierung, Strukturreformen und wachstumsfördenden Maßnahmen auf die Krise reagieren.

Spätestens jetzt müßten auch eingefleischte EU-Fans hellhörig werden.
4. Arbeit attraktiver machen
Hohe Arbeitslosigkeit bei geringer Beschäftigungsquote und im Vergleich zu anderen Teilen der Welt kürzere Arbeitszeiten bedrohen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der EU. Die Beteiligung von Geringverdienenden, jungen Menschen und Zweitverdienern am Arbeitsmarkt ist beunruhigend niedrig. Sozial Schwachen droht ein lang andauernder Ausschluss vom Arbeitsmarkt. Um dem zu begegnen, sollte der Leistungsbezug enger mit Schulungsmaßnahmen und Arbeitssuche verbunden werden.
• Die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit sollte in allen Mitgliedstaaten Vorrang haben, um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu stimulieren und Wachstum zu schaffen.
• Steuer- und Sozialsysteme, flexible Arbeitszeitregelungen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten sollten darauf ausgerichtet werden, die Einbeziehung von Zweitverdienern am Arbeitsleben zu erleichtern. Die Bemühungen um Reduzierung der Schwarzarbeit sowohl durch striktere Durchsetzung der geltenden Vorschriften als auch durch Überarbeitung der Steuer- und Sozialsysteme sollten beschleunigt werden.
5. Reform der Rentensysteme
Die fiskalische Konsolidierung sollte durch eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Reform der
Rentensysteme unterstützt werden.
• Diejenigen Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, sollten das Rentenalter
anheben und an die Lebenserwartung knüpfen.

Dies sind nur einige Beispiele aus dem Katalog der kleinen und großen Grausamkeiten, die sich hinter harmlosen Formulierungen verstecken.
Den ganzen Katalog gibt es hier.
Für Interessierte hier weitere Infos:
Europa 2020 Prioritäten
Intelligentes Wachstum
Nachhaltiges Wachstum
Integratives Wachstum
Überwindung der Krise
Ziele
EU-weite Ziele
Nationale Ziele
und vieles mehr hier.

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