Die Methode zum Bewahren von Rigpa’s Antlitz
von Ju Mipham Namgyal
Verehrung dem Samantabhadra!
Die Übung von Rigpa hat drei Schritte: Bekanntschaft machen, Fähigkeit verbessern und Stabilität erlangen.
Zuerst indem man die mündlichen Anweisungen des Gurus verwendet, peilt man das nackte, natürliche Antlitz von Rigpa an, bis man es klar erkennt, frei von geistigen Annahmen sieht. Wenn das geschehen ist, dann übst du dich in dieser Essenz. Das ist die einzige Sache von Wichtigkeit. Mit anderen Worten, es einfach zu erkennen ist nicht ausreichend – es muss völlig geübt werden.
Mit dem begonnen, hast du anfänglich Rigpa erkannt, aber wenn du anfängst darin zu ruhen, dann erschweren die Hindernisse der diskursiven Gedanken, dass Rigpa durchscheint. Zu dieser Zeit also ist es wichtig, die Zeitdauer für das Weilen in diesem Zustand der ungekünstelten Rigpa durch das immer wieder und wieder darin ruhen zu verlängern und ohne diskursive Gedanken zu unterdrücken oder zu fördern, während man dies macht. Indem du dich auf diese Weise immer wieder daran gewöhnst, werden die Wellen der diskursiven Gedanken ihre Kraft verlieren und Rigpa wird klarer scheinen. Wenn das geschehen ist, bleibe so lange du kannst im Gleichgewicht darin und in der nachfolgenden Erlangung stütze dich auf Achtsamkeit, was dich wieder zu Rigpa zurückkehren lässt.
Indem du dich daran gewöhnst, wird Rigpa immer weiter und weiter geübt. Anfänglich werden diskursive Gedanken auftauchen. Allerdings gibt es keine Notwendigkeit, sich auf ein Gegenmittel zu stützen, um sie zu stoppen, als auf sie selbst. Indem man sie einfach an ihrem eigenen Ort belässt, werden sie in wenigen Momenten selbst befreit sein, genauso wie eine zusammengerollte Schlange sich selbst entrollt. Nach weiterer Gewöhnung werden diskursive Gedanken als kleine Störungen auftauchen, aber werden sofort wieder in sich selbst ausklingen, genauso wie eine Zeichnung auf dem Wasser. Sogar weitere Gewöhnung mit diesem Zustand wird darin resultieren, dass die diskursiven Gedanken auftauchen, ohne überhaupt irgendeinen Schaden anzurichten. Der resultierende Mangel an Hoffen und Fürchten darüber ob diskursive Gedanken auftauchen oder nicht, wird ein Erleben sein, in dem sie keine Wirkung haben, ob nun hilfreich oder qualvoll, genauso wie ein Dieb ein leeres Haus betritt.
Bei noch weiterer Gewöhnung an diesen Zustand wird der Übungsprozess zu seinem Abschluss kommen. Schließlich werden sich diskursive Gedanken und der Allgrund zusammen mit seinen Winden, die die Bewegung erzeugen, sich in den ungekünstelten Dharmakaya auflösen und Rigpa seinen Platz einnehmen. Genauso wie Erde und Felsen auf einer Insel aus Gold nicht vorgefunden werden, selbst wenn man danach sucht, scheint nun jede Erscheinung und Existenz ohne Ausnahme als der Bereich des Dharmakaya durch und ist zur universellen Reinheit geworden. Dieser Punkt wird „Stabilität erlangen“ genannt. An diesem Punkt sind die Hoffnungen und Ängste von Samsara und Nirvana und von Geburt und Tod von der Wurzel her zerstört worden.
Mit dieser Weiterentwicklung, bei der die Erscheinungen am Tag und die diskursiven Gedanken stufenweise unter Kontrolle der Rigpa gebracht worden sind, werden die Entsprechungen der Nacht – die Wahrnehmungen der Träume, feine und grobe Lichtheit in ihnen usw. – hinzukommen, ohne dass man sich auf eine andere Art der Anweisung stützen muss. Hast du dies verstanden, so musst du, so lange du die Praxis nicht beendet hast, unerschütterliche Beharrlichkeit darin haben, ein Durchhaltevermögen, das so beständig ist, wie der Strom eines Flusses.
Diese Anweisung wurde von Mipham gegeben. Möge Heilsames und Gutes anwachsen. GE’O!
Aus den gesammelten Werken des Nyingma-Meisters Lakla Sönam Chödrub, auch als Meru Khenpo bekannt; Band 3 (ga), Seite 295 – 298
Übersetzung: Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2015)
Advertisements