Die ersten Schnurkeramiker - Noch nicht mit Bauern anatolisch-neolithischer Herkunft vermischt

Die ersten Schnurkeramiker im Weichselraum

Die frühesten Schnurkeramiker im Weichselraum, sowie bis Lettland und Schweinfurt (um 2.700 v. Ztr.) hatten reine Yamnaja-Genetik. Erst in nachfolgenden Generationen scheinen sie sich mit einheimischen mitteleuropäischen Frauen anatolisch-neolithischer Herkunft vermischt zu haben.

Eine neue Archäogenetik-Studie zu den Schnurkeramikern ( Wiki) im Ostseeraum ist erschienen (1). Sie erlaubt einen tiefenschärferen Blick auf die Entstehung und Entwicklung dieser frühesten, mitteleuropäischen indogermanischen Kultur und damit auf die Ethnogenese der heutigen Mittel- und Nordeuropäer überhaupt. Denn damals, während der Ausbreitung der Schnurkeramiker um 2.800 v. Ztr. und in wenigen Jahrhunderten danach ist das noch heute bestehende sprachlich-kulturell-genetische Gefüge, das sich bis heute in Mittel- und Nordeuropa fortsetzt, entstanden.

Um diese Entstehungsgeschichte zu verstehen, müssen wir uns in den Weichselraum begeben, sprich, an die Ostgrenze des Deutschen Reiches wie es bis 1918 bestanden hat, nämlich in die vormalige deutsche Provinz Posen. Sie gehört heute zu Polen. Aber die Provinz Posen war bis 1918 eine deutsch geprägte Provinz. In der dortigen Stadt Wreschen ( Wiki), gelegen etwa 50 Kilometer östlich der Stadt Posen, lebten im Jahr 1905 etwa 7000 Einwohner. Von diesen 7000 Einwohnern waren etwa 65 % Polen, 29 % Deutsche und 5 % Juden.

Und fünf Kilometer südwestlich dieser Stadt Wreschen liegt noch heute das Dorf Obłaczkowo ( Wiki). In diesem haben Archäologen 2006 und 2008 Gräber der Schnurkeramiker entdeckt, der ersten indogermanischen Kultur Mitteleuropas (1; Suppl.). Diese Gräber werden auf etwa 2.700 v. Ztr. datiert. Im Rahmen einer archäogenetischen Studie, die Skelette der schnurkeramischen Kultur im heutigen Ostseeraum untersuchte, wurden auch zwei Individuen aus Obłaczkowo untersucht (1). Und diese beiden Skelette fallen schon in der für die Forschungsstudie erstellten Grafik (Abb. 1) deutlich heraus. Es handelt sich um die beiden fast rein grünen Balken in der Mitte (benannt "poz44" und "poz81"). Diese geben der frühen Geschichte der schnurkeramischen Kultur in Mittel- und Nordeuropa eine neue - zeitliche - Struktur. In der Forschungsstudie heißt es dazu (1):

Die schnurkeramischen Individuen aus Obłaczkowo in Polen (poz44 and poz81) zeigen einen extrem hohen Anteil von Steppen-Herkunft (größer als 90 %), welcher sich unterscheidet von dem Anteil bei späteren Angehörigen der Schnurkeramik, die in Pikutkowo (Polen) ausgegraben wurden, der aber einigen Angehörigen in Deutschland, Litauen und Lettland gleicht. Interessanterweise werden die Individuen mit einem großen Anteil von Steppen-Herkunft in der Regel älter datiert als 2.600 v Ztr., wodurch sie zu den frühesten schnurkeramischen Individuen zählen, die bislang genetisch untersucht wurden. Diese Beobachtung, daß frühe Schnurkeramiker genetisch Yamnaja-Individuen ähneln, während spätere Schnurkeramik-Gruppen größere Anteile von europäisch-neolithischer Bauernherkunft aufweisen (...), legt nahe, daß die ursprüngliche Ausbreitung (der Schnurkeramiker) sehr schnell erfolgte.

Original: The CWC individuals from Obłaczkowo in Poland (poz44 and poz81) show an extremely high proportion of steppe ancestry (greater than 90%), which is different from the later CWC-associated individuals excavated in Pikutkowo (Poland) [23], but similar to some other CWC-associated individuals from Germany, Lithuania, and Latvia [2,8,31]. Interestingly, these individuals with a large fraction of steppe ancestry have typically been dated to more than 2600 BCE, making them among the earliest CWC individuals genetically investigated. This observation, i.e. early CWC individuals resembled (genetically) Yamnaya-associated individuals, while later CWC groups show higher levels of European Neolithic farmer ancestry (Pearson's correlation coefficient: −0.51, p = 0.006) (figure 2), suggests an initial dispersal that occurred rapidly.

Schnell deshalb, weil Schnurkeramiker mit "reiner" Yamnaja-(bzw. Steppen-)Herkunft ja sowohl in Litauen und Lettland als auch im genannten Weichselraum als auch im heutigen Deutschland, nämlich in Bergrheinfeld bei Schweinfurt ("rise446") (s. 1; Supplement) zu finden sind. Und es heißt auch (1):

Dieser Prozeß wurde vorangetrieben durch hereinwandernde Männer, die sich mit vor Ort lebenden Frauen vermischten. Der Vermischungsprozeß ist sichbar über den gesamten Schnurkeramiker-Raum hinweg, sogar in Regionen wie dem östlichen Ostseeraum, wo es niemals Trichterbecher-Gruppen oder verwandte Gruppen gegeben hat. Das heißt, daß der anatolisch-neolithische Herkunftsanteil dort über Wanderungen hingelangt sein muß, die jünger sind als 2.500 v. Ztr.. Denkbare Szenarien beinhalten einen großes allgemeines Netzwerk von Heiratspartnern über den gesamten Schnurkeramiker-Raum hinweg oder besondere Wanderungen in den östlichen Ostseeraum hinein.
Original: This process was driven by incoming males mixing mainly with local females [5,7,45,46]. The admixture process is evident across the entire distribution of the CWC, even in regions such as the eastern Baltic coast where no FBC groups or genetically related groups have been found. Consequently, farmer-related ancestry must have arrived in the eastern Baltic region via migrations more recent than 2500 BCE [7-9]. Possibilities include a generally large exchange network across the entire CWC horizon or specific migrations into the eastern Baltic region.

Festgehalten wird auch (1):

Die Individuen (der Schnurkeramiker) wiesen gemischtes Erscheinungsbild auf mit hellem und dunklem Haar und braunen und blauen Augen.
Original: The individuals further displayed a mixed appearance with both light and dark hair and brown and blue eyes.

Eine leichte erste anteilsmäßige Zunahme der Laktose-Toleranz wie sie schon in anderen Zusammenhängen zu erkennen war, zeigt sich auch in dieser Studie für die Schnurkeramiker des Spätneolithikum. Diese Zunahme in der Bevölkerung beschleunigte sich dann in der Frühbronzezeit. Über die 2006 und 2008 ergrabenen Schnurkeramiker in Obłaczkowo heißt es im Supplement noch, daß das Grab auf einem Hügel gelegen sei und daß in ihm zwei Erwachsene und ein Kind gelegen hätten (1; Suppl.):

Die Gräber gehörten zur ältesten Stufe einer kleinen, regionalen Schnurkeramiker-Gruppe, die sich über die Regionen von Großpolen (Wielkopolska) und Kujawien erstreckte, und von der bislang etwa 40 Gräber bekannt sind.
The grave belongs to the oldest stage of a small regional CWC group, covering the regions of Wielkopolska and Kujawy and known for ca. 40 burials.

Das Individuum "poz81" hatte vermutlich braune Augen, dunkle Haare und mittelhelle Haut (1; Suppl).

Adlige, Freie, Hörige - 700 Jahre lang


Eine parallele archäogenetische Studie für dsa früh- bis mittelbronzezeitliche Lechtal verdeutlicht, daß die Schnurkeramiker als Elite die einheimische Bevölkerung versklavt haben könnten und sie auf jedem ihrer Höfe als Sklaven im eigenen Haushalt haben mitarbeiten lassen. Es wurde gefunden eine (3):

komplexe Sozialstruktur von Haushalten, wie sie aus dem klassischen Griechenland und Rom bekannt ist. So waren zu römischer Zeit auch die Sklaven Teil der Familie, hatten aber einen anderen sozialen Status. Die Menschen im Lechtal lebten jedoch mehr als 1.500 Jahre früher. „Das zeigt erstmals, wie weit die Geschichte sozialer Ungleichheit in Familienstrukturen zurückreicht", so Stockhammer weiter. (...) Im Lechtal wurden Waffen und aufwändiger Schmuck nur eng verwandten Familienmitgliedern sowie Frauen, die aus 400 bis 600 Kilometer Entfernung in die Familie kamen, ins Grab gegeben. (...) „Wir können leider nicht sagen, ob es sich bei diesen Individuen um Knechte und Mägde oder vielleicht sogar eine Art von Sklaven gehandelt hat", sagt Alissa Mittnik. „Sicher ist, daß über die männlichen Linien die Bauernhöfe über viele Generationen hin vererbt wurden und dieses System über 700 Jahre stabil war."

Womöglich ist schon hier zu beobachten die Herausbildung einer gesellschaftlichen Schichtung, die - bis in die Frühe Neuzeit - aus Adligen, Freien und Unfreien bestand.

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  1. Helena Malmström et al. The genomic ancestry of the Scandinavian Battle Axe Culture people and their relation to the broader Corded Ware horizon, Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences (2019). DOI: 10.1098/rspb.2019.1528, https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2019.1528
  2. October 9, 2019 DNA study sheds new light on the people of the Neolithic Battle Axe Culture by Uppsala University, https://phys.org/news/2019-10-dna-people-neolithic-axe-culture.html
  3. Soziale Ungleichheit in bronzezeitlichen Haushalten, 10.10.2019, https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/newsfullview-pressemitteilungen/article/soziale-ungleichheit-in-bronzezeitlichen-haushalten/

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