Alice Schwarzer war schon eine Ikone, als ich noch in der "Mädchen sind doof"-Phase war. Sie war damit ein bisschen so etwas wie Helmut Kohl oder Frank Elstner oder der Papst: Säulen der Erde, Dinge, die irgendwie immer da waren und immer gleich waren und immer die gleiche Funktion hatten. Alice Schwarzer war die böse alte Frau, die für Gleichberechtigung war, und irgendwie hat sie geschafft, es zu bleiben, wo Kohl, Elstner und der Papst mittlerweile weggebrochen sind. Ich glaube, der einzige deutsche Prominente, der sich heute in Deutschland mit ihr vergleichen kann, ist Franz Beckenbauer.
Den hat auch sein beherztes Eintreten für einen echten Steuerhinterzieher nicht beschädigen können. Hinter Uli Hoeneß haben sich, meist ungefragt, ganze Bataillone versammelt, von denen die Hälfte sich nicht mal zu schade zu der Aussage war, man solle den Mann doch nicht verurteilen, bevor er schuldig gesprochen wurde. Dabei ist seine Schuld das einzige, das feststand.
Davon hört eine Alice Schwarzer wenig, ganz im Gegenteil. Es sind sogar haargenau die selben Leute, die sich hinter Hoeneß gestellt haben, die jetzt Schwarzer am öffentlichen Pranger rösten. Man hört auch wenig von denen, die Steuerhinterziehung sonst gerne als Kavaliersdelikt oder gar als Selbstverteidigung darstellen und die Fahndung nach hinterzogenen Geldern für Hehlerei halten. Das ist wenig überraschend. Ihre Feinde waren immer die Grundlage meines persönlichen Respekts vor ihr, obgleich ich ihre Ansichten, vor allem aber ihre Methoden nicht immer guthieß. Und ja, da sind auch Verdienste, die weit über das hinausgehen, was ein Fußballer tun könnte, Verdienste eben jener Penetranz und Hysterie, die sie schon in den 80ern zu einem Symbol machte.
Das Problem ist nur: Die Inkonsequenz der politischen Gegner von Alice Schwarzer ist der Hauptgrund, warum sie auch meine politischen Gegner sind. Beliebigkeit, Opportunismus, "rote Linien, die Wanderdünen sind", wie mit Steinmeier bezeichnenderweise jemand sagte, der weiß, wie das geht: Das hat mich von der Politik insgesamt entfremdet.
Bei aller Sympathie nicht für Alice Schwarzer, sondern vor allem für ihre Verdienste, kann ich die Dame nicht verteidigen, weil ich Steuerhinterzieher nie verteidige. Dass sie letztlich auch gerade mal soviel nachgezahlt hat, wie die Verjährungsfristen zuließen und sich jetzt mit dem Spiegel anlegt, weil der das mit ihr tut, was sie ihr Leben lang mit jedem getan hat, der sich anbot, hilft auch wenig, ist aber letztlich nicht ausschlaggebend. Dass andere Schlimmeres getan haben und mehr hinterzogen haben, ist daher ebenfalls irrelevant. Inkonsequnz wird auf meiner persönlichen Liste von politischen Todsündern gleich gefolgt von Relativierungsversuchen, und irgendwo da fügt sich dann zusammen, was Frau Schwarzer entdgültig verloren hat - Integrität. Nicht, dass der Einsatz für Angela Merkel und Bild-Kolummnen da nicht schon ordentliche Dellen in das Denkmal geschlagen hätten.
Wenn sie ihr Erbe nicht völlig beschädigen will und vor allem ihren Nachfolgerinnen nicht nur verbrannte Erde hinterlassen will, muss sie ihre jetzige Strategie dringend ändern, und das fängt nun mal mit dem an, was sie nie konnte: Ganz kleinlaut sein, und ganz kleine Brötchen backen, und so die Größe zeigen, die ihr letztlich immer gefehlt hat.
Nicht, dass ich da sonderlich optimistisch wäre.
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