Ernst Jünger (1895-1998) notierte seine Erfahrungen als Mitarbeiter des Stabs des französischen Militärbefehlshabers im Zweiten Weltkrieg in seinem Pariser Tagebuch. Es umfasst die Zeit vom 18. Februar 1941 bis 23. Oktober 1942 und wurde 1949 als Teil des gesamten Kriegstagebuchs unter dem Titel “Strahlungen” veröffentlicht. (Siehe auch Lebens-Lagen #20 vom 28.März)
Am 24. April 1941, dem Tag, an dem er mit seiner Truppe von Saint-Michel nach Paris fuhr, notierte er:
” (…) Abschied von Saint-Michel; wir kehren indessen vielleicht an diesen Ort zurück. Die sanften Weiden werden mir im Gedächtnis bleiben, mit ihren Weissdornhecken, in deren kahlem Dickicht man die grünen Bälle der Misteln und dunkle Elsternnester sah. Im alten Laube blühten bereits die Feigwurz und das Veilchen und grünte die Nessel auf. Das Land ist wellig; hin und wieder sind grosse Fermen mit Ställen und Scheunen in ihm versteckt. Die blanken Schieferdächer tauchen wie Spiegel aus seiner Tiefe auf. Gedanken beim Anblick dieser Höfe: Die alten zauberischen Zeiten sind verschwunden, doch blieben uns immer noch die Schlüssel, sie zu vergegenwärtigen. Dann aber gibt es Stufen, auf denen der Mensch selbst die Erinnerung an das Gute und Echte noch verliert. Dort kennt er die Quellen seines Unglücks nicht. (…)
Sehr spät erreichten wir Paris und marschierten dann durch dunkle und öde Strassen zum Fort Vincennes, wo die Truppe unterkommt. Nach einem Gang durch die Quartiere bezog ich in den Morgenstunden ein Zimmer im Hotel ‘Moderne’ an der Porte des Vincennes. Im Frühlicht Blick auf die grossen Säulen an der Place de la Nation. Dahinter verschwommen der Eiffelturm. Das Ungeheure wird noch gesteigert, wenn es in Mehrzahl, generell, erscheint.” 1
1. Aus: Ernst Jünger. Strahlungen I. dtv 1964.
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