WEIMAR. (fgw) Schwelgte die deutsche Catholica seit Jahrhunderten in einer Symphonie der Harmonie, hat die Episode von der Lahn eine Kakophonie der Sonderlichkeiten ausgelöst. Längst geht es nicht mehr nur um das gockelhafte Verhalten eines überdrehten Kirchenfürsten, es geht um das System an sich.
von Georg Korfmacher
Nach den 31 Millionen Euro an der Lahn tauchen, ach wie überraschend, 44 Millionen in Rottenburg (Baden-Württemberg) und dann noch, gar nicht so überraschend, 140 Millionen in München auf, nachdem dort bereits knappe zwei Millionen Euro in die fürstbischöfliche Residenz und 14 Millionen in einen Palazzo in Rom geflossen waren. Alles wohl geplant, aber keiner weiß, woher das viele Geld eigentlich kommt.
Allein diese Beispiele summieren sich auf läppische 230 Millionen Euro, würde ein konservativer Kirchenmann wohl sagen und damit das Scheunentor der Erkenntnis noch weiter aufstoßen. Zwischen dem Kirchenvolk und seinem neuen Oberhaupt gibt es insbesondere in Deutschland eine Schicht voller Behaglichkeit, Chaos, Widerspruch, Beharrlichkeit, Machtgelüste und Angst davor, eben diese Macht und die damit verbundenen Positionen zu verlieren. Trotz aller Nebelkerzen sitzt die breite Öffentlichkeit der Herrlichkeit der Catholica in Deutschland zunehmend im Nacken, und zwar nicht nur die eigenen Schäflein, die den Stallgeruch bei so manchen Hirten vermissen, sondern auch die Mehrheit der Bürger, die vom System Catholica schamlos abkassiert werden, obwohl sie damit nichts am Hut haben.
Dabei geht es um viele Dinge, die massiv in unser tägliches Leben in unserer Demokratie eingreifen, wie z.B. drei Tage im November mit Tanzverbot auch für Anders- oder Ungläubige und um einen massiven Griff der Catholica in die Taschen aller Bürger. Gläubige Christen mögen das zwar gutheißen oder gedankenlos hinnehmen, dass aber ca. 40 % der Bevölkerung Jahr für Jahr ca. 200 Millionen Euro und immer mehr an Kirchen zahlen müssen, deren Botschaft sie nicht teilen, ist ein Unikum in der Welt und widerlich, rechtswidrig obendrein.
Gleichwohl kassiert insbesondere die Catholica ohne Gegenleistung schamlos ab. Wie lange kann sich unsere Republik eine solche Privilegierung der Amtskirchen bei der verfassungsmäßigen Vorgabe der Neutralität gegenüber allen Religionen noch leisten? Zumal die Legislative seit knapp hundert Jahren in der Pflicht ist, diesen Zustand zu ändern. Die Catholica klammert sich dabei zur Rechtfertigung an eine Regelung von 1803 unter Napoleon [gemeint sind die Entthronungen der Bischöfe als weltliche Herrscher über Territorialstaaten; SRK].
Und dann noch den eklatanten Missbrauch der Catholica mit dem Einzug der Kirchensteuer durch den Staat. 1919 war der Catholica als Kompromiss die Möglichkeit eingeräumt worden, ihre Gebühr für Glauben auf der Basis der staatlichen Steuerlisten selbst zu erheben. Daraus hat sie ebenso plump wie schlitzohrig den zwangsweisen Einzug ihrer Kirchensteuer durch den Staat konstruiert, der schlicht grundgesetzwidrig ist.
Neben diesem rechtlichen Unding kommt noch das fiese Geschmäckle, dass dem die härteste Kirchenstrafe droht, der dem Staat seinen Unmut über diese Praxis meldet. In jedem Verein werden solche Dinge vereinsintern geregelt und nicht über ein allmächtiges Inkassobüro mit Gerichtsvollziehern, Arbeitgebern und Banken als Erfüllungsgehilfen. Und das alles unter Berufung auf das immer noch gültige Konkordat mit Hitler aus dem Jahre 1933.
Georg Korfmacher
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]