Die Endlösung der Kapitalismusfrage

Die Endlösung der KapitalismusfrageFür Gesine Lötzsch ist die Sache klar. "Bildung, Gesundheit, Pflege, Kultur", weiß sie, sind die "wichtigsten Beschäftigungsmotoren der Zukunft und die Basis einer modernen Volkswirtschaft". Niemand muss mehr Autos bauen, Klärgruben anlegen, Drehbänke herstellen oder Unterwäsche nähen auf dem Weg zum Kommunismus, von dem man bisher nur weiß, dass der Weg, den die DDR genommen hatte, um ihn zu erreichen, nicht der richtige war. Jetzt geht es darum, den "Übergang zu einer dezentralen Energieproduktion und -versorgung, weitgehende Verlagerung der Transporte auf die Schiene und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs bis hin zu entgeltfreien Angeboten" (Lötzsch) zu schaffen, denn Ökologie ist in, Umwelt kommt an, da muss auch die Partei mit, die seinerzeit in der DDR die größte Umweltsauerei der deutschen Geschichte anrichtete. Nun will sie "eine schnelle energetische Sanierung des Wohnungs- und Gebäudebestandes, um in den nächsten Jahrzehnten weitgehend CO2-neutrale Städte zu schaffen", in denen "gute Arbeit und gutes Leben" (Lötzsch) "im Mittelpunkt" stehen.
Auch der Rest des vom "Spiegel" umgehend als Bekenntnis zum Kommunismus enttarnten
Redebeitrages der PDS-Vorsitzenden zu einem linken Sektiererkongress ist von üblicher Blabla-Qualität. Märchenstunde für Marxisten, samt Bekenntnis "für einen Richtungswechsel", "Umverteilung von oben nach unten", einer "wirklichen Friedens- und solidarische Entwicklungspolitik" und "sozialer Sicherheit". Was vergessen? Ja, Reichtum für alle, eine alte linke Grundforderung, kommt nicht mehr vor, dafür aber eine konsequente und kostengünstige "Absage an ein Weiter-So-Wie-Bisher", das es diesmal sogar mit Großbuchstaben zu kaufen gab.
Wer festen Boden unter den Füßen hat und inzwischen weiß, dass "die Partei Die Linke entstanden ist aus dem Widerstand der damaligen PDS gegen einen marktradikalen Weg der Vereinigung" (Lötzsch) und etwa nicht aus der SED, die fürchtete, durch eine Neugründung ihr Parteivermögen zu verlieren, schmiedet selbstbewusst an einer Zukunft, in der, so Lötzsch, "der Euro als Währung in den nächsten zwei Jahren" untergehe, "die Europäische Union zerbricht, die USA kommen nicht aus der Wirtschaftskrise und fallen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in die Hände von radikal-fundamentalistischen Christen, das Klima verändert sich dramatisch, der Golfstrom kühlt ab, die Flüchtlingsströme überrennen die »Festung Europa«". Da müsse man bereit sein für den Tag, an dem man gefragt werde, "ob wir für diesen verworrenen Problemhaufen eine Lösung haben".
Natürlich nicht. Abgesehen natürlich von "Bildung, Gesundheit, Pflege, Kultur", um die sich alle nett in einem "öffentlichen Beschäftigunssektor" kümmern können, wie er sich in der DDR bewährt hat. Aber Rosa Luxemburg, nach 70 Jahren Realsozialismus einzige verbliebene Säulenheilige des Kommunismus, hatte ja auch keinen, sagt Lötzsch. "Sie hatte keinen Masterplan und auch keine einfachen Antworten", heißt es, als wäre das Ausweis besonders rarer Welterkenntnis. Dafür sei sie "auf der Suche" gewesen, "im Dialog mit anderen", selbstverständlich. Denn in der Interpretation von Gesine Lötzsch ist Rosa Luxemburg so etwas wie die Erfinderin des liberalen Kommunismus, die "höchstmögliche Gemeinschaftlichkeit bei der Kontrolle darüber, dass Eigentum und Macht im Interesse aller gebraucht werden, und größtmögliche Freiheit individueller Entfaltung, radikaler Kritik und Öffentlichkeit" zugleich wollte.
Eine Maxime, nach der auch der "Spiegel" gelegentlich lebt, wenn er radikale Kritik an denen formuliert, die den Mitarbeitereigentümern mit Vergesellschaft drohen. Kommt bei Gesine Lötzsch, der theoretischen Verfechterin größtmöglicher Freiheit bei höchstmöglicher staatlicher Kontrolle, gar nicht gut an. Ihr Bekenntnis zum Kommunismus ein Bekenntnis zum Kommunismus zu nennen, sei eine "Medienkampagne", die die "rechte »Junge Freiheit" losgetreten habe, empört sie sich. Der "Hass-Artikel" im "Hamburger Blatt" (Lötzsch) zeige, wie verunsichert das Establishment ist, wenn es um Alternativen zum kapitalistischen System gehe, die sie selbstverständlich auch nicht habe.
Damit das nicht auffällt, ruft sie: "Sie sind sich ihrer Sache nach der verheerenden Finanzkrise nicht mehr sicher und reagieren deshalb hysterisch auf Überlegungen, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte". Überlegungen. Aha, das sind also "Überlegungen". Aber Geschichtsschreibung geht ja bei Lötzsch auch so: Das 20. Jahrhundert sei bis hierher schon "durch Perioden der Entfesselung des Kapitalismus und seines Übergangs in offene Barbarei" geprägt gewesen, unterbrochen nur durch "Perioden seiner Zähmung und des Entstehens von Gegenentwürfen", verkörpert von Volksfreunden und Wohltätern wie Mao, Stalin, Lenin, Ulbricht, Ceaucescu und Castro.
Das müsse ein Ende haben, die Endlösung der Kapitalismusfrage müsse beim nächsten Mal dauerhaft sein. Sie wisse zwar auch nicht, wie man zum Kommunismus gelangen könne, verspreche aber für den Tag der Ankunft dort heute schon allen "Umverteilung von oben nach unten", eine "wirklichen Friedens- und solidarische Entwicklungspolitik" und "soziale Sicherheit".
Aussagen von einer Unerhörtheit, die gehalten sind, jedem Pfeffersack, Manager und Büttel des Kapitals fürchterlich Feuer unter dem Hintern zu machen. Man sieht die "Spiegel"-Belegschaft zittern im Hochhaus an der Alters, wenn Lötzsch trotzig fordert, "Sackgassen zu verlassen und sie nicht als ambitionierte Wege zum Kommunismus zu preisen", sondern es irgendwie anders zu versuchen, Versuch macht klug und jedes Opfer bringt uns weiter! Klare Sache. Der Hass aus Hamburg "bestärkt mich in meinen Überlegungen, dass dem demokratischen Sozialismus die Zukunft gehört". Denn wenn der "Spiegel" dagegen ist, ist die Lehre richtig, weil sie wahr ist. Und wahr, weil richtig. Und umgekehrt. Hermetisch. Kommunismus im Vakuum des virtuellen Wünschdirwas. Alles wie immer. Wo kommt nur diese Aufregung her?


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