"Ostdeutschland hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten knapp zwölf Prozent seiner Bevölkerung verloren", weiß jetzt auch die "Welt". Die Tradition aus DDR-Zeiten, "wegen besserer Jobaussichten nach Westdeutschland" zu ziehen, habe sich ungebrochen erhalten, analysierte Präsident Roderich Egeler, ohne den in Sachsen-Anhalt seit geraumer Zeit verbotenen Diktaturenvergleich anzustellen. Nach dem Fall der Mauer stieg die Zahl der Westwanderer sogar noch an, zugleich brachen die Geburtenzahlen dramatisch ein. Von 1990 bis 1994 gelang es, die Zahl der Neugeborenen um die Hälfte zu senken. Spitzenreiter in dieser Bilanz ist Sachsen-Anhalt, das sich bemüht, den wenigen verbliebenen potentiellen Eltern mit einer staatlichen Erziehungsgarantie vom ersten Lebensjahr an auch weiterhin noch mehr Lust auf Nachwuchs zu machen.
Hintergrund ist ein Plan, den das Internet-Strategieblog "Netzwerkrecherche" vor kurzem in einem öffentlich kaum diskutierten Forumskommentar aufgedeckt hatte. Ziel sei es, Sachsen-Anhalt schnellstmöglich leerzuwohnen, um die freiwerdenden Flächen zwischen Altmark und sächsischer Landesgrenze anschließnd durch die Treuhandliegenschaftsanstalt auf dem internationalen Immobilienmarkt anbieten zu können. Die ideale Lage im Zentrum Europas, die durch EU-Mitgliedschaft garantierte Zollfreiheit im Handel mit Polen, Dänemark und weiteren Staaten, vorhandene Reste von Infrastruktur, landschaftliche Schönheiten und rustikale Freiluftmuseen der Industriegeschichte, so hofft das federführend verantwortliche Bundesfinanzministerium, könnten finanzstarke Investoren aus dem arabischen Raum veranlassen, für die angebotene Liegenschaft bis zum 100 Milliarden Euro zu bieten, die zur Schuldentilgung verwendet werden sollen.
Wolfgang Thierse, ein SPD-Politiker, der sich in seiner Jugend häufig für Bürgerrechte stark gemacht hatte, habe in einer ingterfrasktionellen Beratung der Großen Koalition internen Quellen zufolge zwar Bedenken angemeldet. Er rechne mit einem Wiederaufleben der Rufe "Wir bleiben hier", die vor zwei Jahrzehnten beinahe verhindetr hatten, dass es zur deutschen Einheit kam. Das Bundesinnenministerium begegnete dem allerdings sofort mit Hinweisden auf fertig ausgearbeitete Umsiedlungspläne, nach denen sogenannte "Hierbleiber" (Junge Welt) nach dem Vorbild der US-amerikanischen Indianerpolitik in idyllisch gelegene Reservate im Mansfelder Land, bei Hohenmölsen und im Unstruttal umgesiedelt werden können. Hier würden sie künftig Rundumbetreut und von der Bundesanstalt für keine Arbeit vollversorgt. Zur touristischen Erschließung der Ost-Reservate sei es denkbar, dort Freizeitparks, Casinos und Trachtenfestspiele mit NVA-Uniformen, Mauerresten oder Paraden Junger Pioniere aufzubauen.