Die Elternschule - Filmrezension

Von Schaumalher

Vor einer Woche entdecke ich einen Post auf Facebook in dem ein Trailer verlinkt ist mit der Aufforderung den Film zu boykottieren. Ich schaue mir den Trailer an und finde ihn Krass aber nicht so extrem wie die Kritiken die ich danach lese.
Es handelt sich um den Film „Elternschule“ eine 120 minütige Doku über die Arbeit von Diplom-Psychologe und Psychotherapeut Dietmar Langer und sein Team in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen. 
In den Kritiken und Beiträgen las ich heraus, dass die Methoden in der Klinik veraltet und unmöglich seien. Es wurden Horrorszenen dargestellt und alles klang nach knallharter Kindesmisshandlung. Ich dachte mir es kann doch nicht wahr sein, dass sowas in unserer heutigen Gesellschaft geduldet wird. Eine Klinik die ausgezeichnet wurde für Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen kann doch nicht solche krassen Methoden durchführen. Doch die Kritik verunsicherte mich und ich war entschlossen mir meine eigene Meinung zu bilden.
Was würden wir tun?
Donnerstag 19.00 Uhr, die Vorstellung ist ausverkauft. Auf Facebook las ich im Vorfeld von Eltern die sich definitiv kritisch äußern wollen. Bevor der Film beginnt betritt Herr Langer wie angekündigt den Saal, er wird durch Applaus begrüßt. 
Meine Gefühle sind gemischt und ich stelle mich auf das Schlimmste ein. 
Der Film beginnt, man lernt die Familien kennen und warum sie den Weg in die Klinik suchen. Verzweifelte Familien, die mit ihren Nerven und Kräften am Ende sind. Ihre Kinder haben chronische Erkrankungen, sie essen und schlafen nicht, sind Verhaltensauffällig. Wir sprechen hier von extremen Fällen, im Anschluss des Films wird Herr Langer erklären, dass die Familien erst zu ihnen kommen wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten vorab nicht anschlagen. 
Ein Mädchen das 14 Stunden am Stück weint, ein Junge der noch nie Essen bei sich behalten hat und bei dem es um Leben und Tod geht, Kinder die ihre Eltern beißen, hauen usw. Ich kann nicht alle Fälle hier wieder geben, aber ich kann sagen bei allen geht es schon Jahrelang und die Eltern sind verzweifelt. 
Herr Langer erklärt im Film immer wieder was wohl in den Kinder vor geht und was zu dem Verhalten geführt hat. Als Beispiel nennt er ein Labyrinth aus dem die Eltern mit dem Kind nicht mehr heraus finden. Irgendwann gab es einen Punkt an dem die Eltern mit den Kindern in einen Teufelskreis geraten sind und den müssen sie durchbrechen. Das geht nicht mit ewigen Diskutieren sondern durch erlernen von festen Strukturen. 
Ausschlaggebend ist besonders Stress bei den Eltern und Kindern. Die Kinder erleiden Stress und reagieren darauf mit Protest. Sie bedienen sich ihrer Werkzeuge um den Eltern zu signalisieren, was sie wollen. Also schreien, weinen, bocken, essen nicht usw. und das auf extremer Ebene. Das führt zu Stress bei den Eltern und es schaukelt sich hoch und hin und her. Eltern denken immer wenn ihre Kinder glücklich sind, sind sie es auch. Herr Langer sagt es ist genau umgedreht. Wenn die Eltern sich wohl fühlen signalisieren sie den Kindern dass alles gut ist.

Klar ist es hart zu sehen wie Kinder weinen, aber es ist noch viel härter zu hören, dass die Mutter zu Hause mit dem Kind ausgezogen ist, weil es so viel schreit oder die andere Mutter sieht ihre letzte Chance in der Klinik sonst muss sie das Kind ins Kinderheim geben. Es wird viel mit den Eltern gesprochen, es wird hinterfragt wie kam es dazu, viele Familien haben krasse Vorgeschichten auf die in dem Film nicht eingegangen wird, da es kein Lehrfilm sein soll und man den Familien auch etwas Privatsphäre belassen möchte.

Was kritisiert wurde...

war z.B. das Schlaftraining, wo Herr Langer sagt das Wort an sich ist nicht so gemeint wie es klingt. Er sagt den Schlaf kann man nicht trainieren, es ist ein angeborenes Bedürfnis, aber man kann den Rhytmus gewöhnen. So wie sich Kinder und Eltern dran gewöhnt haben Nachts wach zu werden und wenn ein Kind mehr wach ist als schläft kann es irgendwann tagsüber auch nicht mehr so ausgeglichen sein, Schlaf ist wichtig das merken wir Erwachsene ja selber. Die Eltern legen bei den Szenen also ihre Kinder in die Betten, ja es sind Gitterbetten aber ohne würden die Kids doch rausfallen, da sie klein sind. Dann sagen sie gute Nacht und machen das Licht aus und verlassen den Raum. Man sieht total wie schwer es den Eltern fällt, in mir kommt aber kein Gefühl auf, dass die Kinder leiden. Natürlich rufen sie nach der Mama und weinen, aber das klingt nicht hilflos. Überzeugt hat mich die Mutter die nicht glauben konnte, dass ihr Kind was 14 Stunden durch schreite einfach schläft, die Mutter die extra zu Hause auszog. Sie rief ihren Mann an und konnte es selbst nicht glauben. 

Auch das Esstraining wurde kritisiert, man führt die Kinder an Löffel und Essen heran. die größeren Sitzen eine Weile ohne Ablenkung vor ihrem Teller und haben die Wahl zu essen oder nicht. Dabei sind sie nicht allein, aber die Eltern sind erstmal nicht dabei. Die kleineren Kinder nimmt man auf den Schoß denn sie winden und wehren sich, es ist klar ein fester Griff, aber kein fixieren. Ganz klar mit dem Löffel den Kindern hinter rennen würde nicht funktionieren.

Als das Mädchen was nur noch Pommes und Nuggets essen wollte auf einmal nach Tagelanger immer wieder gleichem Ablauf in das Brötchen beißt habe ich Tränen in den Augen vor Freude. 

Und auch der Junge der erst eine Sonde erhielt, weil es so ernst um ihn stand hat am Ende Brei vom Läffel gegessen.

Am Anfang sah man, dass er von seiner Flasche Milch Brechreiz bekam und die Krankenschwester versuchte es zweimal, in dem Moment schrie eine Mutter „das ist Körperverletzung“ die meisten Besucher im Saal empfanden es aber als ein Versuch dem Kind die Flasche zu geben. 

Es gab immer wieder Momente des Lachens besonders als Herr Langer mit einem Mädchen um den See joggte. Sie wollte nicht mehr joggen und ließ ihre Mütze fallen was dann zufolge hatte, dass sie zur Mütze wieder zurück musste. Mit Verständnis, Zeit und Spaß geht Herr Langer auf sowas ein und ich war nicht die Einzige die immer wieder mal zustimmend nickte. 

Los lassen ...

Warum müssen sich die Eltern erst zurück halten. Um es mit meinen Worten zu sagen zwischen den Kindern und Eltern hat sich eine Spannung aufgebaut und die muss genommen werden, wie bei einem Streit bei dem man machmal erst Abstand benötigt, werden die Eltern erst etwas heraus genommen zum Spannung lösen und dann wieder mit in die Therapie eingbaut. Die Kinder sind aber nie alleine bzw. werden immer überwacht. Sie sollen nur das Vertrauen fassen, dass es auch mal ohne Mama geht und Mama und Papa auch wieder kommen und die Eltern merken, dass sie auch ein Leben haben. 

Man sieht im Film auch wie die Eltern mit ihren Kindern kuscheln, wie die Kinder einfach mal nur Ruhe erfahren und Herr Langer sagt im Anschlussdialog von der Therapie wurde noch gar nicht so viel gezeigt. Sie machen viel Autogenes Training, Sport- und Spieltherapie und man bezieht das Umfeld also Eltern, Geschwister und Großeltern mit ein.

Am Ende des Films wird applaudiert und Herr Langer stellt sich den Fragen des Publikums. 

2 Eltern melden sich und erzählen von ihrem erfolgreichem Aufenthalt in der Klinik, sie danken dem Team für die Arbeit. 2 weitere melden sich zu Wort und loben die Arbeit, hätten sich selber so eine Hilfe gewünscht bei ihren Kindern. 2 weitere Besucher äußern sich kritisch einmal über die Szene mit der Flasche beim Kind und meint es ist Gewalttätig und eine hinterfragt die Methode und dass man nicht sagen kann ob die Therapie nicht trotzdem langfristige Schäden hinterlässt. Von dem angekündigtem Protest aus dem Internet merkt man nicht viel. Herr Langer erklärt viel zum Film und kann die Fragen so sehr gut beantworten, weg belächelt wird dabei nach meiner Meinung nichts. 
Jemand sagt er hätte gern einen 2. Teil um noch mehr zu sehen. Weiter geht es mit der Frage wie Herr Langer auf die Reaktionen aus den Medien reagiert und er meint er findet es schrecklich wie man die Kinobetreiber und die Familien die auf der Facebookseite sich positiv geäußert haben beschimpften. Kinos wurden sogar erpresst und dadurch wurde die Facebook Seite des Films geschlossen. 
Als er gefragt wurde was er mit dem Film erzielen mag dachte ich er sagt Geld oder Spenden, aber er meinte das Filmteam ist auf ihn zugekommen und der Film soll keinesfalls ein Erziehungsratgeber sein oder eine bestimmte Form von Erziehung bekräftigen bzw. andere Erziehungsvarianten in Frage stellen, er macht aufmerksam und zeigt einen Weg wie Familien wieder glücklich werden.
1,5 Stunden ging die Frage/Antwort Runde und ich empfande die wenigsten Besucher blieben kritisch. 

Ich kann leider nicht alle Eindrücke hier in Worte fassen, aber die Kritik im Vorfeld kann ich so nicht verstehen. Natürlich sind manche Bilder krass, aber das Leben ist manchmal kein Ponyhof und als Eltern möchte man das Beste für seine Kinder. Wenn ich im Leben an einem Punkt stehe wo ich mich als Mutter oder Vater mit meinem Kind in einem Zustand geisel, wo ich nicht mehr weiter kann, ich nicht mehr in der Lage bin zu wissen was richtig oder falsch für mein Kind ist muss ich eine Entscheidung treffen. Und auch wenn es uns Eltern manchmal weh tut oder wir es nicht Wahr haben wollen müssen wir manchmal Wege gehen die wir uns gern anders gewünscht hätten. Das hat nichts mit Liebesentzug oder Herzlos zu tun, manchmal brauchen wir einen Schupser in die richtige Richtung. Und allein am Ende des Filmes zu sehen wie glücklich die Kinder sind und wie glücklich die Eltern sind, man sieht es ihnen richtig an und sie selber sagen endlich können sie wieder leben.

Ich finde Kritik ganz wichtig und richtig sie zu äußern, aber das was ich an Kritik gelesen habe war für mich nicht gerechtfertig. Es klang im Nachhinein eher verzerrt, weil vieles aus dem Film nicht erwähnt wird. Natürlich muss man nicht alles immer gut finden, aber man sollte fair bleiben und alles rundum beläuchten und dann erst entscheiden. 
Und das Wort Kindesmissbrauch finde ich bei diesem Film nicht richtig gewählt.  
Auch wenn es vielen nicht gefallen wird, zur Erziehung gehört auch los lassen, wir können unsere Kinder nicht vor allem bewahren und es war besonders die Angst die, die Eltern angetrieben hat in dem Teufelskreis. Viele Verhalten waren genauso angewöhnt wie man letztendlich das Schlafen und Essen wieder neu „gelernt“ hat. 
Ich bin froh mir selbst eine Meinung gemacht zu haben, finde die Ansätze der Klinik überhaupt nicht grausam auch wenn wie vieles diese Theorie umstritten ist und dass sich so viele nach dem Film dafür bedankt haben spricht auch für sich.