Schon immer horchte ich leicht irritiert auf, wenn ich Kinder hörte, die ihre Eltern beim Vornamen nannten. In solch insgesamt aber eher raren Situationen waren es durchwegs Teenager, die ihren Vater urplötzlich Martin oder ihre Mutter Silvia nannten und so tat ich diese Anredeform als Spleen pubertierender junger Menschen ab, die sich gesellschaftlichen Normen widersetzen wollen.
Neuerdings erlebe ich solche Situationen aber deutlich häufiger. Neu an diesen Fällen ist, dass es sich um Kleinkinder handelt, die ihre Eltern mit Vornamen ansprechen. Ein neuer Trend? Langzeitfolgen der antiautoritären Erziehung? Oder Ausnahmen?
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war es in vielen europäischen Ländern sogar üblich, dass Kinder ihren Eltern „Frau Mutter“ und „Herr Vater“ sagten. Im Laufe der Zeit wurden Kinder von den Erwachsenen immer mehr als ebenbürtige Wesen wahrgenommen, die Beziehung zwischen Eltern und Kindern wurde enger und kollegialer. Damit war das distanzierte Siezen nicht mehr angebracht.
Dennoch gibt es auch heute noch Eltern, die das Siezen praktizieren. Ein bekennendes Beispiel stellt der ehemalige Bayern München Trainer Louis van Gaal dar, der bei aller Liebe und Freundschaft zu seinen Kindern sich von diesen siezen lässt, weil sie seiner Meinung nach dadurch lernen, Respekt gegenüber der älteren Generation zum Ausdruck zu bringen.
Ob es nicht auch andere Wege gäbe, um Respekt zu kommunizieren? Aber muss es denn gleich das Gegenmodell dazu sein, nach welchem die Eltern offenbar die besten Freunde der Kinder sein wollen und sich mit Vornamen ansprechen lassen, um sich quasi auf eine Stufe mit den Kindern zu stellen?
Wird dabei nicht die Einzigartigkeit von Eltern ausser Acht gelassen? Wird nicht vergessen, dass es nur genau zwei Menschen auf dieser Welt gibt, die wir mit Mutter und Vater anreden können, wos im Gegensatz dazu so viele Martins und Silvias gibt?
Was meint Ihr dazu – wie sollen Eltern angeredet werden?
Dieser Beitrag ist auch auf dem wir eltern-Blog erschienen.