Meryl Streep ist eine unglaublich vielseitige Schauspielerin. Sie durchlief in ihrer Karriere sehr viele Rollen und versteht es, ausgefeilte Charaktere zu spielen und vermischt dabei stets gekonnt und stimmig ihre eigenen Charaktereigenschaften mit denen, der darzustellenden Figur.
Sie wurde insgesamt 17 mal für den Oscar nominiert in den Kategorien der besten Nebendarsteller und der besten Hauptdarsteller. Sie wurde für ihre Rolle in „Sophies Entscheidung“, 1983 mit dem Goldjungen honoriert, seitdem ging sie stets leer aus, mal unverständlicherweise, und mal durchaus berechtigt. Nach 29 Jahren wurde sie nun erneut mit dem Oscar ausgezeichnet. Als „Eiserne Lady“ kann man Meryl Streep derzeit in den deutschen Kinos sehen. Ist die Auszeichnung gerechtfertigt? Kann der Film abgesehen davon noch etwas bieten?
Er kann! Es geht schließlich um die erste britische Premierministerin aller Zeiten; um Margaret Thatcher. Der Film steigt in der Gegenwart ein und man sieht, wie die frühere Politikerin heute lebt. Sie ist alt und zunehmend dement. So bildet sie sich ein, ihr Mann Dennis sei bei ihr, der ist jedoch schon seit vielen Jahren tot. Ein Teil von ihr weiß das auch, aber ein anderer Teil von ihr lässt sie stets in der Vergangenheit leben. Eines Tages entschließt sie sich, die alten Sachen ihres Mannes endlich aus zu sortieren. An diesem Tag vermischen sich beide Ebenen ihres Verstandes und in regelrechten Flashbacks sehen wir Thatchers Erinnerungen an ihr früheres Leben.
Und auf diese Weise begleitet der Zuschauer die junge Margaret, wie sie im Laden ihres Vaters arbeitet, als Krämerstochter bezeichnet wird und von ihren Altersgenossen belächelt wird. Als sie beschließt, in die Politik zu gehen, erntet sie dafür wenig Begeisterung ihrer Mutter. Doch ihr Entschluss steht fest und sie kandidiert als Abgeordnete für die Konservativen. Nach mehreren Anläufen schafft sie es und sie bekommt als einzige Frau einen Ministerposten in der Regierung. Hier macht sie sich nicht nur Freunde und wird häufig schlicht nicht ernst genommen, weil sie eine Frau ist.
Einige Parteifreunde sehen in der ehrgeizigen Frau aber die Chance, die Konservativen zur Regierungspartei werden zu lassen.
Sie überreden Thatcher, als Premierministerin zu kandidieren und geben ihr außerdem Sprechunterricht, um ihrer Stimme mehr Autorität zu verleihen. Dank ihres unerschütterlichen Willens und einer starken und wirkungsvollen Kampagne schafft sie es 1975 tatsächlich und wird zur Parteivorsitzenden der Konservativen und Regierungschefin.
Unabhängig davon, was man von dieser historischen Figur hält, ist man von ihrer Ausstrahlung beeindruckt. Margaret Thatcher hat keine Scheu, sich unbeliebt zu machen, wenn es nicht anders geht, ihre Ziele zu erreichen. Auf diese Weise durchläuft sie ständige Hochs und Tiefs und wird abwechselnd gehasst und geliebt. Die Streitbarkeit ihrer Person und einiger ihrer politischen Entscheidungen steht außer Frage und bleibt während des größten Teils des Filmes erhalten. Der Film versucht indes, all diese denkwürdigen Momente ihrer Karriere darzustellen, ohne sie zu werten. Als starker Kontrast zu der strahlenden Politikerin sieht man regelmäßig eine alte und verbrauchte Thatcher der Gegenwart, die mit ihrem Spitznamen nichts mehr zu tun hat. Diese Szenen stoßen übrigens sowohl Thatchergegnern, wie auch ihren Fürsprechern sauer auf. Für die einen ist die Darstellung verharmlosend, für die anderen schlicht falsch. Was Thatcher selbst von dem Film hält, weiß man nicht. Sie hätte ihn noch nicht gesehen.
Der Film legt manchmal ein sehr waghalsiges Tempo zu und überspringt viele Jahre mit einigen wenigen Schnitten. Dadurch bekommt man manchmal einen falschen Eindruck von historischen Abläufen. Außerdem hat man das Gefühl, dass die englischen Bürger sofort in den Rage-Modus verfallen, wenn ihnen auch nur die kleinste Kleinigkeit nicht passt und dass sie sofort alles kurz und klein schlagen.
Andererseits werden andere Aspekte nach meinem Geschmack etwas zu ausführlich thematisiert. Ihr heutiges Leben interessiert mich ehrlich gesagt weniger. Stattdessen hätte ich gerne mehr über ihre persönlichen Motive und Gedanken als aktive Politikerin erfahren.
Ohne Frage kann man aber sagen, dass Meryl Streep die Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin mehr als verdient hat. Die Ähnlichkeit zu Thatcher entsteht nicht nur durch das beeindruckende Make-Up. Streep legt enorm viel Feingefühl in ihre Darstellung und fesselt vor allem als alte Version von Thatcher. An dieser Stelle sei auch die deutsche Synchronsprecherin Dagmar Dempe gelobt. Wer auch immer in die langweilig werdende Diskussion über Defizite von synchronisierten Filmen einstimmt, dem muss eine ausgeprägte Unbedarftheit zum Thema bescheinigen. Gerade in Deutschland wird die Synchronisierung von Filmen so aufwändig betrieben, wie in keinem anderen Land der Welt. Nirgendwo sonst werden Sprecher dermaßen gefordert, wie hier und das merkt man ganz speziell auch bei der „Eisernen Lady“.
Der Film hat einen soliden Eindruck hinterlassen. Es kommt ganz darauf an, wie viel man im Vorfeld über Thatcher weiß und vor allem, welche Meinung man sich über sie gebildet hat. Der Film versucht im wesentlichen, neutral zu bleiben. Hin und wieder kommt allerdings ein leicht pathetischer Unterton dazu, der nicht ganz die Bewunderung seitens der Regisseurin Phyllida Lloyd für diese Frau verbergen kann.
Sehenswert ist dieser Film aber allemal, schon allein um eine wirklich absolut perfekte Streep zu sehen; eine Leistung, von der man noch lange sprechen wird, und die lange auf etwas Vergleichbares warten wird.
The Iron Lady (UK, USA, 2001): R.: Phyllida Lloyd; D.: Meryl Streep, Jim Broadbent, Susan Brown, u.a.; M.: Thomas Newman; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
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