Die Eigenverantwortung der Regierungen der Entwicklungsländer festigen.

Von Peter Broell
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Ladies & Gentlemen,
wie oft haben wir uns darüber geärgert, dass staatliche Entwicklungshilfe selten dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird!
Korruption, Polizei- und Militärbanden, Krankheiten, Hunger, Bildungsnotstand und Elend gehen gemeinsam einher und sind ausnahmslos dort anzutreffen, wo politische Kräfte versagen.
Nach meiner Meinung ist es eine Schande für die Menschheit, dass es diese haarsträubenden „afrikanischen Zustände“ im Jahr 2010 noch gibt. Alle Mittel, alle Möglichkeiten und das gesellschafts- und wirtschaftspolitische Know How wären im Überfluss vorhanden, um Afrikas Hölle in ein Paradies zu verwandeln. - Und dennoch sind wir noch Lichtjahre weit davon entfernt.
Das Wohl und Wehe der Armenhäuser dieser Welt hängt nicht von der Höhe der Summen der Entwicklungshilfe ab. Am Beispiel der asiatischen Länder wird dies deutlich. Obwohl Asiaten weniger Entwicklungshilfe als Afrikaner in der Vergangenheit erhielten, stehen heute asiatische Länder weit besser da. Asiatische Länder investieren zum Beispiel viel Geld in die Bildung ihrer Kinder.
Bundeskanzlerin Merkel hielt zu diesem wichtigen Themenbereich am Dienstag, 21. September 2010, vor der UNO in New York eine bemerkenswerte Rede. Die Eckpunkte sind: Zeitliche Begrenzung der Entwicklungshilfe, Eigenverantwortung der Regierungen in den Entwicklungsländern, Hilfe (auch in politischer Hinsicht) zur Selbsthilfe. Wie allerdings dieser gut gemeinte letztgenannte Punkt in den Alltag afrikanischer Staaten umgesetzt werden soll, dürfte wohl auf Dauer Merkels Geheimnis bleiben.

(Zitat) Dabei ist eines wichtig zu akzeptieren für uns alle: Der Entwicklungsprozess liegt in erster Linie in der Verantwortung der Regierungen der Entwicklungsländer. Sie haben es in der Hand, ob Hilfe effizient erfolgen kann. Deshalb ist Unterstützung guter Regierungsführung genauso wichtig, wie Hilfe selbst. (Ende des Zitates)
Auffällig: Die schreckliche Plage der geldverschlingenden Rüstung und natürlich der pausenlosen Kriege in den Entwicklungsländern wurden von Frau Merkel mit keinem Wort erwähnt. Dies hat wahrscheinlich damit zu tun, weil nicht wenige Un-Mitgliedstaaten sich zur Zeit ebenfalls in Kriegen austoben. Und nicht zuletzt ist auch Deutschland wieder in Kriegshandlungen verstrickt. Deshalb meinte die Deutsche Bundeskanzlerin wahrscheinlich mit Recht, dass die Bundesrepublik Deutschland diesbezüglich ein schlechtes Vorbild sei und somit anderen Staaten keinen Rat erteilen könne. --- Peter Broell
Nachfolgend die Rede der Bundeskanzlerin Merkel vom 21.09.2010 im Wortlaut:
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Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
Die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen im Jahre 2000 hat der internationalen Entwicklungspolitik eine qualitativ neue Grundlage und Legitimation verliehen. Sie ist eine wegweisende Richtungsentscheidung und hat die vielfach beschworene globale Entwicklungspartnerschaft auf ein gemeinsames Fundament gestellt. Sie hat deutlich gemacht, nur durch ein neues Miteinander von Geber- und Nehmerländern und klare Definitionen der Ziele können wir Armut, Krankheiten und Hunger weltweit erfolgreich bekämpfen.
Die Erklärung ist Handlungsrahmen für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung - gestützt auf universale Prinzipien, im Geiste der UN-Menschenrechtscharta.
Sie steckt vier programmatische Handlungsfelder ab:
•  Frieden und Sicherheit,
•  Minderung der Armut,
•  Schutz der Umwelt sowie
•  Förderung der Menschenrechte, der Demokratie und der guten Regierungsführung.
Konkretisiert durch die Millenniumsentwicklungsziele stellen diese Handlungsfelder den zentralen internationalen Bezugsrahmen für Entwicklungspolitik dar. Auch die deutsche Bundesregierung gründet darauf Ihre Entwicklungspolitik und stärkt damit die Gemeinschaftsanstrengungen aller.
Nachhaltige Entwicklungsfortschritte verlangen, dass alle vier genannten Herausforderungen angegangen werden - denn sie bedingen sich gegenseitig. Deshalb dürfen nach meiner festen Überzeugung die Millenniumserklärung und die Entwicklungsziele nicht als eine Art Wahlmenü interpretiert werden.
Keine Entwicklung ohne Sicherheit und keine Sicherheit ohne Entwicklung - diese wechselseitige Abhängigkeit gilt weltweit.
Entwicklungspolitische Maßnahmen bleiben wirkungslos, wenn es keine Sicherheit gibt. Umgekehrt verpuffen Anstrengungen zur Friedenssicherung, wenn es keine entwicklungspolitische Perspektive gibt. Hier zeigt sich die Richtigkeit einer Aussage des früheren VN-Generalsekretärs Kofi Annan: "Entwicklungspolitik ist eine Investition in eine sichere Zukunft."
Vor allem aber sind nachhaltige Entwicklung, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt undenkbar ohne gute Regierungsführung und Achtung der Menschenrechte.
So einfach sich der Befund in der Theorie darstellt, so schwierig ist es doch, praktisch die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Die Weltgemeinschaft hat sich vor zehn Jahren richtige Ziele gesetzt. Leider müssen wir aber heute sagen, dass wir nicht alle Ziele bis 2015 erreichen werden. Dennoch bleiben die Ziele gültig und müssen konsequent durchgesetzt werden. Ich werbe dafür, dass dies das zentrale Bekenntnis dieses Gipfels wird.
Es gibt bemerkenswerte Fortschritte bei einigen Zielen. So sind wir bei der Grundbildung, der Gleichstellung der Geschlechter und auch bei der Bekämpfung von Hunger vorangekommen. Doch Hunger und Unterernährung bewegen sich noch immer auf einem unerträglich hohen Niveau.
Wir sehen uns beträchtlichen Unterschieden gegenüber - sowohl beim Erreichen der einzelnen Ziele als auch in regionaler Hinsicht. Insbesondere in Teilen Sub-Sahara-Afrikas gibt es große Defizite.
Die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Aussichten für die gefährdeten Regionen noch weiter verschlechtert.
Was aber können, ja, müssen wir tun, um mehr Fortschritte zu erzielen?
Zweifellos müssen wir die Wirksamkeit der Instrumente der Entwicklungspolitik weiter verbessern.
Der Schlüssel dazu liegt für mich auf der Hand. Wir brauchen mehr Ergebnisorientierung. Dabei ist aus meiner Sicht die ergebnis-basierte Finanzierung ein viel versprechender Ansatz.
Hierbei kann klare Ergebnisorientierung mit größeren Freiräumen für nationale Politiken verbunden werden. So kann den Besonderheiten des jeweiligen Landes besser entsprochen werden.
Dabei ist eines wichtig zu akzeptieren für uns alle: Der Entwicklungsprozess liegt in erster Linie in der Verantwortung der Regierungen der Entwicklungsländer. Sie haben es in der Hand, ob Hilfe effizient erfolgen kann. Deshalb ist Unterstützung guter Regierungsführung genauso wichtig, wie Hilfe selbst.
An heutigen Schwellenländern sehen wir: Entwicklungspolitik kann letztlich nur erfolgreich sein, wenn der Prozess national gesteuert und umgesetzt wird.
Das gilt auch für die Mobilisierung der notwendigen Finanzmittel. Die ODA-Mittel können - von Nothilfesituationen abgesehen - immer nur ein Beitrag zu nationalen Finanzmitteln sein, nie ein Ersatz.
Entwicklungshilfe kann nicht zeitlich unbegrenzt sein. Es kommt also darauf an, begrenzte Hilfsgelder so nutzbringend wie möglich einzusetzen.
Das kann nur über eine gute Regierungsführung funktionieren, die die wirtschaftlichen Fähigkeiten des jeweiligen Landes fördert.
In Eigenregie müssen marktwirtschaftliche Entwicklungen, der Auf- und Ausbau von kleinen und mittleren Unternehmen und die Stärkung des ländlichen Raums vorangetrieben werden. Viele gute Projekte machen uns dabei Mut.
Denn ohne eigenes, sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum wird für die Entwicklungsländer der Weg aus Armut und Hunger zu steil bleiben.
Ohne nachhaltiges Wirtschaftswachstum können die Entwicklungsziele nicht erreicht werden oder nicht einmal bisher erreichte Fortschrittsniveaus gehalten werden.
Deshalb sieht Deutschland seine Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit als verantwortungsbewusster Unterstützer von Eigenanstrengungen - und dies auch in einer breit angelegten Partnerschaft.
Wir kennen unsere Stärken in Deutschland. Wir wissen aber auch um unsere Grenzen. Natürlich erfordert die Lösung globaler Aufgaben globale Anstrengungen.
Ein Beispiel ist der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria, ein multilaterales Instrument, das sich bewährt hat. Die Hilfe des Fonds kommt direkt bei den Menschen an. Deutschland ist drittgrößter Geber und ich werde mich dafür einsetzen, dass Deutschland den Fonds und die Bemühungen um eine Verbesserung der Gesundheitssituation auch weiterhin auf hohem Niveau unterstützt.
Bei der Umsetzung der Millenniumserklärung und zum Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele ist die Welt auf handlungsfähige internationale Organisationen angewiesen.
So ist die Handlungsfähigkeit auch das, woran die Menschen in der Welt die Vereinten Nationen messen. Wir, die Mitgliedstaaten, haben es in unserer Hand, die Vereinten Nationen für die Herausforderungen dieses Jahrhunderts zu wappnen.
Deshalb wird sich auch Deutschland weiterhin für ihre Reform nachdrücklich einsetzen.
Für uns sind die Vereinten Nationen wegen ihrer Universalität und ihrer daraus entspringenden Legitimität das zentrale Forum der internationalen Zusammenarbeit.
Deutschland ist drittgrößter Beitragszahler in den Vereinten Nationen. Auch in der Entwicklungspolitik stehen wir unter den Geberländern an dritter Stelle. Selbst in der Finanzkrise haben wir unsere Mittel nicht zurückgefahren. Deutschland strebt weiterhin an, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufzuwenden.
Wir nehmen unsere Rolle als verlässlicher Partner der Vereinten Nationen in der Überzeugung wahr, dass Völkerverständigung nur gelingen kann, wenn die Zusammenarbeit auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit aller Staaten erfolgt.
Lassen Sie mich deshalb das deutsche Engagement und unsere Verantwortung als Teil der gemeinsamen Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft bekräftigen.
Ich danke Ihnen.
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