Die eigentliche Gemeinheit hinter Böhmermanns Auftritt

Böhmermann disst Erdogan, wir können es langsam nicht mehr hören. Dennoch bleibt das Thema ganz oben auf der medialen Tagesordnung, ein Hinweis, dass hier gezielt etwas gehypt wird

keep coolKommentar – Das Schmähgedicht Böhmermanns gegen Erdogan ist weit mehr als ein Witz und aus meiner Sicht heraus keineswegs von der Freiheit der Kunst oder dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Davon abgesehen, dass es grob beleidigend ist, bemüht es zugleich ganz gezielt unterste rethorische Schubladen, um den türkischen Premier maximal zu provozieren.

Dies beginnt bereits in der ersten Zeile, in der Böhmermann sein Opfer als feige und verklemmt bezeichnet. Jeder weiß, welch entscheidenden Platz Dinge wie die persönliche Ehre und die Wahrung des Gesichts gerade im orientalischen Kulturraum einnehmen. Woanders als im heimischen Studio handelt man sich mit solch einer Unterstellung schnell mal ein Veilchen ein.

Anschließend unterzieht der Moderator die Genitalien des Mannes einer fiktiven Geruchsprobe und siedelt sie danach unterhalb eines Schweinefurzes an. Für jeden Muslim eine schlimme Beleidigung, da Schweine im Islam als unrein gelten. Die versteckte Botschaft dahinter: „Du bist so unrein wie ein Schwein und kommst nie in den Himmel rein.“ Dies ist perfide und dient ausschließlich dem Zweck, Erdogan persönlich möglichst stark zu verletzen.

Es wäre müßig, dieses pubertäre…nennen wir es Machwerk, einer weiteren empirischen Analyse zu unterziehen. Es lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen. Laut Böhmermann ist der türkische Präsident ein schwuler, pädophiler, zoophiler, verwahrloster Vollidiot, der sich daran aufgeilt, kleine Mädchen zu schlagen. Böhmermann stellt Erdogan zudem in eine Reihe mit zwei durch und durch abartigen Zeitgenossen. Einerseits dem Österreicher Josef Fritzl, der seine eigene Tochter 24 Jahre lang in einem Kellerverlies eingesperrt und ihr durch zahllose Vergewaltigungen sieben Kinder gezeugt hatte. Und andererseits mit dem arbeitslosen Nachrichtentechniker Wolfgang Přiklopil, der die damals zehnjährige Natascha Kampusch auf dem Nachhauseweg entführt und acht Jahre lang gefangen gehalten hatte. Zuguterletzt zeichnet Böhmermann das Bild eines Erdogans, der sich auf seinen zahlreichen Gruppensexparties einen Tripper einfängt. Böhmermanns Gemeinheiten beleidigen vor allem eine Zielgruppe, nämlich Muslime und ganz besonders Islamisten.

Nun heißt es von allen Seiten, man müsse diesen Schmäherguss des Moderators von Neo Magazin Royale im Kontext des dazugehörenden Rahmens betrachten. Richtig. Bevor Böhmermann mit dem Gedicht loslegte, gab er bekannt, dass er nun den rechtlich sicheren Bereich verlasse und dass man das eben gerade so nicht dürfe. Damit hat sich der Mann aus meiner Sicht keineswegs rechtlich abgesichert, denn er hat anschließend ja genau das gemacht, wovor er zuvor gewarnt hatte.

Wer sich mit einer Pistole vor eine Kamera stellt, die Zuschauer warnt, dass man damit auf GAR KEINEN FALL auf andere Menschen schießen dürfe: “Moment, ich mach das schnell mal vor….PENG, also das hier gerade, das dürfen Sie auf gar keinen Fall, nur dass Sie es wissen.“ So jemand macht sich selbstverständlich strafbar. Nur weil letztere Stratat schwerer wiegt, heißt dies nicht, dass Böhmermanns Gedicht daher automatisch durch die Maschen des Gesetzes schlüpft.

Zu Erdogan

Nun, sein wir ehrlich. Erdi ist weißgott nicht gerade die hellste Kerze am Baum. Sonst hätten seine islamistischen Religionsvorbilder ihn auch nicht so komplett mental über den Tisch ziehen können. Erdogan ist einfach gestrickt und daher im voraus berechenbar. Staatanwälte ermitteln gegen ihn? Dann kommen die eben ins Gefängnis. Journalisten berichten unangenehm über ihn? Auch ins Gefängnis, ebenso wie Polizisten, Militärs und Intellektuelle, die für den Frieden eintreten. Die Kurden erlangen politisches Mitspracherecht bei den Wahlen? Dann werden die eben allesamt umgebracht.

Als hätte die Türkische Justiz dies bereits vorhergesehen, hatte sie Erdogan bereits im April 1988 wegen eines fundamentalistischen Gedichtes zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt, welches er als damaliger Bürgermeister von Istanbul in der Öffentlichkeit vorgetragen hatte. Er wurde zudem im Zuge dieser Verurteilung mit einem lebenslangen Politikverbot belegt. Heute sitzt er fester im Sattel denn jeh zuvor, nur seine Persönlichkeit, die hat sich nicht geändert. Und diese ist berechenbar.

Zu Böhmermann

Was auch immer den Moderator bei diesem Angriff gegen den türkischen Premier geritten haben mag, er muss gewusst haben, dass Erdogan dadurch auf die Palme gebracht werden würde. Das ganze Machwerk war ausschließlich auf diesen einen Zweck abgestimmt. Und es ist auch mehr als unwahrscheinlich, dass Böhmi solch einen Kracher loslässt, ohne sich zuvor mit der Rechtsabteilung des Senders ins Benehmen zu setzen. Also steckt ein Konzept dahinter. Der Sender muss bereits im Vorfeld gewusst haben, dass Erdogan gegen das ZDF und Böhmermann Klage einreichen würde. Stellt sich nur die Frage, als was?

Als Privatmensch hätte Erdogan gute Chancen, Satisfaktion zu erlangen. Laut Bundesverfassungsgericht ist eine Beleidigung, heute Schmähkritik genannt, folgendermaßen definiert:

„Eine Äußerung nimmt dann den Charakter der Schmähung an, wenn ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht; sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen.“ (BVerfG 82, 272, 284).

Böhmermanns Schmähkritik ist auch nicht durch sein Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Artikel 5 GG garantiert uns zwar in Absatz 1 das Recht, unsere Meinung frei in Wort, Ton und Bild veröffentlichen zu dürfen. Gemäß Art. 5 Absatz 2 findet dieses Recht jedoch seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Und ehrverletzend war Böhmermanns Attacke wohl eindeutig.

Erdogan hat jedoch den Fehler begangen, als Staatsoberhaupt zu klagen und sich auf §103, Beleidigung eines Staatsoberhaupts, zu berufen. Dieser Paragraph hätte in der Tat gegriffen, jedoch nur, wenn er sich zeitgleich mit der Veröffentlichung Böhmermanns im Bundesgebiet aufgehalten hätte. So heißt es denn auch in Absatz 1, §103 STGB:

  • (1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Da Erdogan zur Zeit der Veröffentlichung in der Türkei weilte, zielt sein Angriff als Staatsoberhaupt auf Böhmermann folglich ins Leere. Und eben darauf wird das ZDF wohl spekuliert haben. Wiegesagt, Erdogan ist berechenbar.

Fazit:

Eine echt miese Nummer eines echt miesen Senders gegenüber einem echt miesen Staatsoberhaupt, was mag da wohl hinter stecken? Ganz einfach, Quote. Den Verantwortlichen im ZDF muss klar gewesen sein, dass Böhmermanns Auftritt einen Riesenwirbel verusachen würde und dass die zu erwartende Reaktion Erdogans den Streisandeffekt noch verstärken würde. Das bringt Traffic und somit Werbeeinnahmen. Wie schade, dass wir diese niveaulose Mischpoke mit unseren Zwangsgebühren finanzieren müssen.



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