Die dunklen, gefährichen Seiten des Lebens

„Es ist eine richtige Kooperation, bei der ich auch bei der Komposition meine Meinung geäußert habe“, so beleuchtete Mollena Lee Wiiliams-Haas, die Ehefrau des Komponisten Georg Friedrich Haas, bei einem Interview die Entstehung von Hyena. Jenem Werk, bei dem sie selbst als „story teller“ auf der Bühne des großen Saales im Konzerthauses stand. Und was sie dabei erzählte, während die Haas´schen Klänge sie dabei unterstützten, war harter Tobak. Aus ihrem Leben gegriffen, selbst durchlitten, selbst erlebt, selbst über-lebt.

Von den tiefsten Tiefen ins Rampenlicht

Mollena Lee Williams-Haas war Alkoholikerin. Schwere Alkoholikerin, die am Ende ihrer Sucht eine Flasche Whisky in drei Zügen austrinken musste, um sich selbst ruhig zu stellen. Dem großen Glück, einen Entzug machen zu können, verdankt sie ihr Leben. Nun, einige Jahre später, begeisterte sie im Rahmen von Wien Modern das Publikum .

Hyena Mollena Williams-Haas (c) Markus Sepperer

Knappe eineinhalb Stunden erzählte sie dabei, wie sich ihr in einem dramatischen Augenblick im Spital jener Dämon offenbarte, der sie seither nie mehr losließ. Jene grauenhafte, schmutzige Hyäne, namens Bubbles, jenes Geschöpf, das sie, wann immer es möchte, dazu verführen will, abermals Alkohol zu trinken. Jener Dämon, dem sie nun schon jahrelang die Stirn bietet und der ihr die Hoffnung rauben will, trocken zu bleiben.

Eine starke Künstlerpersönlichkeit

Ihr enganliegendes, schwarzes Kleid und die schwarzen Strümpfe konkurrierten mit ihren weißen, mit Glitzer besetzten, knöchelhohen Turnschuhen. Das Outfit der Künstlerin machte klar: Hier steht eine Frau auf der Bühne, die weiß, wer sie ist. Die nichts verstecken will, nichts beschönigen. Eine Frau, die das Dunkle und das Helle des Lebens gleichermaßen erlebt hat.

„Ich fühle die Tiefe dieser Krankheit“, sagt sie gegen Ende der Aufführung um hinzuzufügen, dass sie sich die Hoffnung, nicht wieder zur Flasche zu greifen, nie nehmen lassen wird. Immer wieder wechselt sie bei ihrer Performance die Position, um dabei die Nähe zum Publikum zu suchen. Das ist rund um das Podest platziert, auf dem das Klangforum unter Bas Wiegers agiert. Die Musik, die Haas beisteuerte, illustriert zum Teil das dramatische Geschehen. Sie lässt mit der Pauke einen lärmenden Raum malen, während Williams-Haas ihre Spitalseinlieferung beschreibt. Sie nimmt bedrohlich an Volumen zu, während sich das Hyänen-Ungetüm aus dem Boden schält, um sich an die Fersen der alkoholkranken Frau zu heften.

Nie nimmt die Musik jedoch überhand, deckt die Sprache der Performerin zu. Vielmehr ist die Homogenität, mit der sie ausgestattet ist, trotz aller klanglichen Einfälle und Soli, wie sie zum Beispiel dem Schlagwerker zugeordnet sind, verblüffend.

Mollena Lee Williams-Haas hat ihre Geschichte in den USA jedoch ohne die Musik ihres Mannes vorgetragen. Und dabei unglaubliche Reaktionen erfahren. So wartete nach einer Performance eine Schlange von Menschen auf sie, um ihr danach zu gratulieren und von eigenen Erlebnissen mit dieser Krankheit zu berichteten. Die Geschichte eines alkoholkranken Mannes, der während einer Radioübertragung ihrer Erzählung auf dem Weg zur Beschaffung von Alkohol umdrehte, um mit dem Trinken aufzuhören, zeigt, wie tief die Künstlerin mit ihrer Arbeit die Menschen berühren kann.

Mollena Williams-Haas und Georg Friedrich Haas (c) Markus Sepperer

Die innige Umarmung des Ehepaares während des Applauses, war gekennzeichnet von einer Zuneigung, die weit über die Freude einer gelungenen, kreativen Zusammenarbeit hinausgeht. Eine wunderbare Geste, wie man sie auf den Bühnen dieser Welt selten so erleben darf.

Das 9. Streichquartett gespielt in völliger Dunkelheit

Im Anschluss daran wurde das 9. Streichquartett von Haas im abgedunkelten Saal uraufgeführt. Die Verdunkelungsprozedur, der sich die Galeriebeleuchtung eine Zeitlang widersetzte, nahm das Publikum belustigt hin.

In diesem Streichquartett setzt der Komponist auf klangliche Reduktion. Es lebt von immer wiederkehrenden, in kleinen Abweichungen gespielten, langsamen Passagen mit zum Teil melodischen Akkordzerlegungen und für ihn typischen, jedoch hier sehr schlank gehaltenen Klangschrauben, die leicht an- und abschwellen.

JACK Quartet (c) Markus SeppererJACK Quartet (c) Markus Sepperer

Dass es Haas wichtig war, das Quartett nach der Hyena erklingen zu lassen, wurde besonders an jener Stelle verständlich, an dem sich die Musik wie ein wildes Ungetüm generiert, dass sich zwar wieder beruhigt, aber mit einer lang anhaltenden Dissonanz zeigt, dass es nicht verschwunden ist. Obertöne und Mikrotonalität sind ein weiteres Charakteristikum dieses Werkes, genauso wie eine lange Passage, die durch einen Pizzicato-Einsatz quer durch alle Streicher geprägt ist. Die Imitation einer tickenden Uhr und Stellen, die mit einer diffusen Gefahr assoziiert werden können, lassen breiten Interpretationsspielraum.

Das JACK Quartet bewies mit dieser Aufführung im wahrsten Sinne des Wortes sein gegenseitiges, blindes Vertrauen. Ohne Blickkontakt, sich nur auf die auditiven Reize verlassend, erwies es sich als ein würdiger Uraufführungspartner dieses dunklen Stückes.


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