Die deutsche Teilung

Von Nadine M Helmer
evali/photocase.com

Nirgendwo, auf keinem Nachrichtenportal, auf keiner Social Media-Seite, nirgendwo kann man in letzter Zeit gemütlich lesen, ohne als a) Angestellte oder/und b) Mutter Prügel zu beziehen. Ich habe fast das Gefühl, dass sich mittlerweile alle Frauen zwischen 20 und 45 rechtfertigen müssen, für ihr Leben, ihren Job, ihre Familie, was das, was sie tun und was sie nicht tun. 

Es ist das alte, halb wahre, halb klischeehafte Lied: kinderlose Frauen sind egoistisch und karrieregeil (was komischerweise nie Männern angekreidet wird), Frauen mit Kinderwunsch fallen beim Bewerbungsverfahren hinten runter; Frauen mit Kindern, die zuhause bleiben, wird Bequemlichkeit und Verrat der feministischen Sache vorgeworfen; Frauen, die Teilzeit arbeiten, werden am Arbeitsplatz gemobbt und werden nie wieder einen qualifizierten Vollzeitjob bekommen; Vollzeitarbeitende Frauen mit Kindern quälen ihre Kinder durch Fremdbetreuung.

Gehts noch?

Liebe Frauen, warum schreien wir nicht kollektiv "Haltet endlich alle den Mund!" Ich wünsche mir so für 2015, keinen einzigen Artikel mehr über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lesen zu müssen. Können wir mal über was anderes reden? Über Kitaplätze zum Beispiel oder das Hebammensterben oder wie wir alle einfach glücklicher werden mit unserem Leben?

Ich glaube nämlich, dass dieses ganze Frauenbashing nichts anderes ist als eine Neiddebatte. Eine Neiddebatte, die aus der schlichten Tatsache herrührt, dass wir eben nicht alles im Leben haben können, auch wenn uns das permanent suggeriert wird durch irgendwelche kruden Modelle. 

Wir haben uns offensichtlich daran gewöhnt, uns nicht mehr entscheiden zu müssen. Jede Entscheidung birgt neben einem Ergebnis auch einen Verzicht. Niemand will mehr verzichten. Ich kriege bei Tchibo einen Kredit für meine Weltreise, auch wenn ich nur einen 450 Euro oder keinen Job habe. Ich kann heiraten, aber trotzdem mit anderen Sex haben. Ich muss mich nicht festlegen, das scheint mir der große Tenor zu sein, ich muss mich nicht anstrengen für etwas oder für eine Sache eine andere aufgeben.

Die Kinderlosen werden beschimpft, sie sollen mehr Steuern zahlen, jede Reise wird kommentiert mit "ihr könnt euch das ja leisten" und Stress haben dürfen sie nicht, weil "du hast ja nichtmal ein Kind, Du weißt nicht, was Stress ist". Liebe Eltern, mal ehrlich, manchmal kommt doch die kleine sehnsuchtsvolle Erinnerung an "freie" Zeiten hoch, die Rucksacktour, nächtliche Ausschweifungen, Geld, das man nur für sich ausgeben kann.

Die Hausfrauen werden beschimpft, vielleicht steckt auch einfach der Stachel des Neids im Zeithaben. Keine Hetze vom Büro in die Kita, kein schlechtes Gewissen dem Job und dem Kind gegenüber, und wenn einer krank ist, fein, dann bleibt das Kind eben zuhause.

Teilzeitmütter im Job werden bedacht mit, ach, die geht schon wieder früher, schon wieder krank, "ich wär auch gern mal um drei zuhause" - tja. Keine Lust, bis acht im Büro zu hängen und keine Freizeit zu haben?

Vollzeitmütter sind automatisch Rabenmütter. Vielleicht wird ihnen andererseits heimlich der Erfolg geneidet, ihre finanzielle Unabhängigkeit und dass sie den ganzen Tag mit ihrem Hirn und weniger mit Basics wie Gemüsekochen, Stuhlgang und Fleckentfernung (ja, in dieser Reihenfolge ;-)) arbeiten dürfen.

Ehrlich gesagt kenne ich niemanden, der wirklich so glücklich ist und in sich ruht in seiner Situation. Meine kinderlosen Freundinnen mögen ihre Jobs nicht, ich werde beneidet, wenn ich um elf Uhr morgens bügeln und dabei Seinfeld kucken kann. Zudem fragen sich einige, ob sie nicht doch ein Kind...? Die arbeitenden Mütter sind immerzu beschäftigt, den Tag zu organisieren und Arbeitgeber sowie Kind zufriedenzustellen. Die Hausfrauen fragen sich, ob sie je wieder einen bezahlten Job kriegen nach der Mamaphase und hadern mit finanzieller Abhängigkeit. 

Hören wir doch auf mit dem Frauenbashing und ja, unserer Stutenbissigkeit, die uns das Leben schwerer macht, als es eigentlich ist oder sein müsste. Jede einzelne hat irgendwann eine Entscheidung getroffen, die für sie richtig war. Lasst uns das doch endlich respektieren!! Liebe Frauen, ihr müsst euch vor niemandem rechtfertigen, schon gar nicht vor irgendwelchen Onlineredaktionen, die allwöchentlich zum Sturm gegen irgendwen blasen. Ich will auch keine Kommentare von - Entschuldigung - alten Säcken zum Thema Kinderbetreuung und Berufstätigkeit von Frauen mehr lesen.

Ich wünsche mir so, dass Kinderhaben wieder als normaler Bestandteil des Lebens gesehen wird und nicht zu einer Teilung mit der redaktionellen Kettensäge führt. Wo eine kürzere Regelarbeitszeit für alle gilt, Frauen, Männer, Eltern oder Nichteltern., damit wir uns nicht die Freizeit neiden müssen. Wo es normal ist, dass man neben seinem Beruf auch noch ein Privatleben hat, in dem man Hunde züchtet, ein Haus baut, Kinder hat oder Tennismeister wird. Wäre das nicht was?

Liebe Frauen, lasst uns nicht geteilt werden. Divide et impera, ihr wisst schon. Wenn wir nicht aufhören, uns gegenseitig anzufeinden wegen irgendwelcher Lebensmodelle, werden wir beherrscht - von einer Arbeitswelt, die sich das "je-länger-im-Büro-desto-toller" auf die Fahnen geschrieben hat und die uns Mütter zu modernen Sklavenmaterial in puncto Flexibilität und Verfügbarkeit macht. Lasst uns bitte zusammenhalten, uns gegenseitig unser Leben gönnen und für alle Frauen Lösungen für ihr Leben finden, wie Kinderbetreuung oder Karriereförderung.

Seid ihr dabei?