Die Demokratie und ihre mündigen Bürger

Als ich neulich mal wieder bei einer Freundin klagte (ja, in letzter Zeit erwische ich mich öfters dabei – ein Zustand, der sich dringend ändern muss), dass ich kaum mehr zum Zeitung lesen käme, zu beschäftigt mit Uni und Job sei und nebenbei ja auch noch meinen Blog hätte, den ich auch nicht ganz ungepflegt lassen möchte, fragte sie mich:

“Warum hast Du den Blog?”

“Weil er mir ermöglicht, mich mit Themen zu beschäftigen, für die ich mir sonst keine Zeit nehmen würde und meine Erkenntnisse mit anderen zu teilen.”

“Und was bringt Dir das?”

Uff, die Frage hatte es in sich. “Ja… äh… ich find das halt gut”, wäre wohl nicht die überzeugendste Antwort. Aber die gab sie sich dann auch einfach selbst:

“Naja, unsere Gesellschaft verlangt ja einen mündigen Bürger.”

Ja, da hat sie allerdings Recht und ich glaube tatsächlich, dass das irgendwann mal der Grund war, meinen Blog ins Leben zu rufen. Ich wollte mich mit Themen beschäftigen, die in den Medien gerade nicht aktuell, aber mir wichtig waren, oder die zwar aktuell, aber mir nicht ausreichend oder zu einseitig behandelt erschienen.

Wenn ich heute meine Blog-Geschichte ansehe, erkenne ich diesen Grundgedanken tatsächlich wieder: Da finde ich meine Kommentare zu aktuellen Themen wie der Ölkrise oder der Rütlischule, der Sarrazin-Debatte und einen historischen Rückblick zu den Geschehnissen, die jedes Jahr am 13. Februar in meiner Dresdner Heimat wichtig werden.

Dann gibt es da die Dauerbrenner wie Rassismus und Islam in den Medien, es gibt Zeitzeugenberichte aus dem Krieg und andere Blickwinkel auf “die Bösen” anhand der Bandidos, es gibt lachen und weinen und auch einfach Antworten auf Allerweltsfragen, die mich einfach mal so interessiert haben (z.B. was passiert denn eigentlich mit meinen ausgetrunkenen PET-Flaschen?). Naja, und noch ganz viel mehr.

Und wenn ich das so lese, dann bin ich irgendwie stolz auf mich.

Da gab es natürlich auch die Phase, in der ich nur ums Bloggen willen gebloggt habe und Zeitungsartikel abgetippt, um das Niveau zu halten. Mittlerweile sind die alle wieder gelöscht und heute ist alles mein Werk zum Preis der Unregelmäßigkeit. Das tut gut.

Aber eigentlich wollte ich jetzt nicht in Selbstlob ausschweifen – obwohl ich gegen “Selbstlob stinkt” bin, denn ein bisschen Selbstlob und Wertschätzung muss auch mal sein – sondern wissen, was denn eigentlich ein mündiger Bürger ist.

Zu meiner großen Erleichterung stelle ich nach einer kurzen Internetrecherche erstmal fest, dass ich nicht die Einzige bin, die sich darum bemüht, ein solcher zu sein.

Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen.

(Immanuel Kant)

Ersteinmal scheinen sich viele an Kant zu orientieren. Selbstständigkeit und das Informationen-beziehen aus vielen Quellen scheint den Menschen wichtig zu sein, um sich mündig zu fühlen.

Aber da kommt sie auch schon die erste Einschränkung:

Ich als “Mündiger Bürger” wähle Politiker nach ihren Aussagen und Versprechen und muß nach der Wahl feststellen, das war ja alles nicht so gemeint von der Politikerkaste.

(gutefrage.net-User)

Scheint also nicht so einfach zu sein, das Mündig-sein.

Und ja, trotz Blogs und Zeitung lesen: Ich kann nicht alles wissen und deshalb gehe ich wählen. Ich hoffe, auf weise Minister mit gesundem Menschenverstand und intelligenten Beratern, die sich auf ihrem Fachgebiet auskennen. Und ich wundere mich ein bisschen, wenn zu meiner Schulzeit in Sachsen der Landwirtschaftsminister plötzlich Bildungsminister wurde und heute ähnliche Fälle regelmäßig auf Bundesebene auftreten. Egal, denke ich mir, solange der Minister gute Berater hat, die ihre Themen nicht so häufig wechseln – und solange er auf sie hört!

Mmh, soviel zum Idealfall. Real sind viele leider zu Recht eher politikverdrossen (kein Grund, nicht wählen zu gehen!!!), aber da gibt es einige mündige Bürger, die sich aktiv wehren.

Mal abgesehen von Demos, Bürgerinitiativen und ähnlichen, gibt es da z.B. den Bund mündiger Bürger.

Das ist nicht etwa die Partei “Die Mündigen Bürger”, die in den 80ern mal in Erscheinung trat und offensichtlich heute etwas verschwunden ist, sondern eine Partei, die sich gegen die Bevormundung des Staates einsetzt.

Naja, aber die Verlinkung auf der Website der Bundesrepublik funktioniert schon nicht mehr und wann die Seite des Landesverbands Brandenburg zuletzt aktualisiert wurde, fragt man sich insgeheim auch.

Aber ich glaube, es braucht keine Parteien, die sich mündige Bürger nennen – nein, viel mehr braucht es mündige Bürger, aus denen natürlich auch Parteimitglieder werden können und hoffentlich auch mündige Politiker. Aber beim Bürger fängt es an.

Günter Grass nennt einige Missstände und ruft zum Mündigsein auf – sehr überzeugend, wie ich finde.

Und deshalb werde ich weiter bloggen. Unregelmäßig, aber dafür mit Qualität. Auf Kosten meiner Zeit, aber dafür mit Leidenschaft. Und nicht allein sein als mündiger Blogger.

Und Du als mündiger Leser auch nicht, den mein Blog ist hoffentlich nicht das Einzige, was Du liest ;-)



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