Geht es dir auch so?
Du siehst Angebote und mehr Angebote von Coaches und fragst dich wer bucht die? Was können die? Woher kommen die alle? Gibt es ein Nest?
Auch Die Zeit schreibt: „ Das machen jetzt alle ".
Und vor allem frage ich mich: „Warum machen die eigentlich nicht ihren tatsächlichen Job? Den Job, in dem die so gut waren, dass sie jetzt anderen ihr Wissen weitergeben wollen?"
Warum machen wir kein Coaching?
Wir haben 40 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und einige Festangestellte. Wir betreiben mit unserem Team viele Projekte in unterschiedlichen Sprachen und können seit über 8 Jahren sehr gut von unserer ortsunabhängigen Arbeit leben.
Manchmal scherzen wir darüber, ob wir unser Wissen in Infoprodukten oder Coachings weitergeben wollen. Die Antwort ist immer - nein. Aber warum ist das so?
- Am Ende des Tages ist unsere Zeit in unsere eigenen Projekte einfach besser investiert.
- Wir haben kein Geheimwissen, dass man nicht auch woanders bekommen könnte.
- Damit sich das für uns lohnt, müssten wir so viel Geld nehmen, dass ich diesen Preis nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren könnte.
Vor diesen Hürden scheinen viele Coaching-Anbieter nicht zu stehen.
Coaches die Coaches coachen und der Traum, Coachee zu werden
Und dann gibt es noch die Meta-Ebene. Die Coaches, die Coaches coachen - fliegt dir der Schneeball auch schon ins Gesicht?
Wer kennt sie nicht, die Facebook-Posts in einer der „Digitalen Nomaden"-Gruppen:
Hallo ich bin Carl Erich und möchte mich als Coach selbständig machen. Könnt ihr mir helfen?
Hi, ich bin Karen und will Blogger coachen, wie installiere ich noch mal WordPress?
Ganz zu schweigen von den 20-jährigen Work-Life-Balance-Coaches.
Harrrg...
Und die Krönung sind dann die „Life-Coaches" und deren Ausbilder.
Hier finden sich dann Facebook-Posts wie:
Ihr Lieben, ich möchte gerne eine Lifecoach [sic] Ausbildung machen, die an einem Stück absolviert wird (3-4 Monate). Gibt es qualitativ gute Angebote?
Und diese Wünsche werden bespielt. Von Coaches die Coaching-Consultings hatten. Bei denen wird offenbar für "lead generation" eine Vorlagen rausgegeben nach dem Motto... ach lest selbst, es ist immer das gleiche:
oder auch sehr schön
What the Fuck ist ein Life-Coach?
Tony Robbins schreibt: „ So, what is a life coach? A life coach is someone professionally trained to help you maximize your full potential and reach your desired results."
Das ist mal ein Anspruch. Und der führt mich auch zu dem Punkt wann Coaching und Consulting Sinn ergeben und wann nicht.
Wenn du ein spezifisches Problem hast kann ein Consulting helfen.
- Wenn du ein Business-Setup in einem bestimmten Land suchst, brauchst du jemanden der sich damit auskennt.
- Wenn Deine Hamstrings verkürzt sind, brauchst du einen Personal Trainer, der die richtigen Übungen kennt und mit dir arbeitet, sich Deinen Körper anschaut und die Ursache für die Beschwerden findet.
- Wenn du keinen Plan von SEO hast und auch keine Zeit dich damit zu beschäftigen brauchst du jemanden, der dich einarbeiten kann oder das für dich übernimmt. Am besten jemanden er auch eigene Projekte vorweisen kann. Und ja, auch und gerade in dieser Branche tummeln sich die Scharlatane. Ich habe schon viel mit Unternehmern und Unternehmerinnen gesprochen, die sich nicht auskannten und Angebote gebucht haben. Es ist krass, was einige Menschen für viel Geld verkaufen... immer in der Hoffnung, dass nie jemand drüber schaut, der sich auskennt.
- Wenn ich die leckerste selbstgemachte Marmelade haben möchte, lass ich mir von Mama erklären wie das geht.
Ein Life-Coach ist eigentlich genau das Gegenteil zu einer Beratung. Er will dein volles Potenzial ausschöpfen - in allem und überall. Ich persönlich glaube aber nicht, dass er bessere Marmelade macht als Mama.
Wenn ich „ganzheitliches Coaching" höre, dann bin ich immer bemüht das Fass nicht aufzumachen. Selbst, wenn der Grütze-Detektor maximal ausschlägt. Ich bewundere allerdings das Selbstbewusstsein vieler Coaches, zu glauben holistische Hilfe leisten zu können. Bei allem.
Kindliche Coaches
Ich habe schon viele sehr junge und inspirierende Menschen kennengelernt. Aber es ist doch einfach absurd seine „Berufslaufbahn" generell als Coach und Consultant starten zu wollen.
Und damit sind wir wieder bei den 20-jährigen Work-Life-Balance-Coaches. Aber klar „Carl Erich" und „Karen" wollen jetzt ausgebildet werden, um anderen Menschen „helfen" zu können. Und wer smart ist verkauft den Goldgräbern die Schaufeln.
Als ich nach „Coachingausbildung" gegoogelt habe war ich dann von dem Angebot überrascht. Mein erster Gedanke war, „Alter, steckt da viel Geld drin".
Es gibt Ausbildungen für 2.500 Euro, es gibt auch Siegel vom „Deutschen Verband für Neuro-Linguistisches Programmieren (DVNLP)". Es gibt Zertifikate und viele Stockfotos von grinsenden jungen Menschen - den angehenden kindlichen Coaches.
Institutionalisierung des Coachings
Gerade diese Institutionalisierung finde ich krass. Jeder und jede kann sich Coach nennen - das ist kein geschützter Begriff. Jetzt Institute zu schaffen, die Zertifikate vergeben ist wirklich von einem interessanten unternehmerischen Ehrgeiz getrieben.
Gerade in der Digitalen-Nomaden-Community hat sich herumgesprochen, dass ein Studium nicht immer die beste Wahl ist. Aber ein Studium durch eine Ersatz-Institution zu ersetzen oder stattdessen einfach einen Coach zu bezahlen, finde ich doch einigermaßen absurd.
An der Uni hast du wenigstens Professoren und Professorinnen, die sich nicht einfach so nennen können, weil sie gerade eine „Transmission" hatten... Es gibt natürlich auch dort einige Nieten, bei denen ich mich frage, wo der Titel herkommt.
Schon in der Springerpresse beschäftigte man sich 2014 mit dem Thema: „Über 300 Coaching-Ausbildungen gibt es in Deutschland, einige kosten mehrere Tausend Euro. Doch die wenigsten sind wissenschaftlich fundiert. Was man im Dschungel der Zertifikate beachten sollte."
Old School: Unbezahltes Praktikum
Neuerdings geht es auch immer viel um Eingebungen. Mir ist gerade eine gekommen.
Könnten es sein, dass die Coaches es sind, die ihren Padawanen erzählen, sie sollen auf keinen Fall ein unbezahltes Praktikum machen? „Verkauft Euch nicht unter Wert!" Ich sehe nämlich immer einen Lynch-Mob auf mich zukommen, wenn wir ein Praktikum anbieten und das nur für Kost und Logis.
Aber vielleicht lernst du von Menschen, die das machen, wovon du träumst, mehr als von Menschen, die dir erklären wollen, wie du träumen sollt. Den Satz habe ich gerade selbst zweimal gelesen, weil er so deep ist ;)
Mein Tipp:
Versuche für die Menschen, die dich begeistern, zu arbeiten. Mach dich nützlich und suche dir Mentoren. Biete denen am besten etwas Hilfreiches an.
- Du willst Fotograf werden? Suche nach Fotografen, die dich begeistern.
- Du willst Blogger werden? Bewerbe dich bei Bloggern, die du gerne liest und die erfolgreich sind.
- YouTube? Du kannst es dir denken - gehe zu einem YouTuber, den du großartig findest.
- Du willst gerne etwas im Bereich „SEO" machen (außer Consulting -_-) suche nach Menschen mit erfolgreichen und sichtbaren Projekten. Am besten nach Menschen und keinen Agenturen.
Oft ist das Problem, das viele denken: „Ach, der oder die bekommt sicher hunderte Bewerbungen". Aus vielen Gesprächen kann ich dir sagen, das ist nicht der Fall. Und schon gar nicht mit guten initiativen Anschreiben. Auch wir bekommen im Jahr nur eine Handvoll gute Mails. Wer sich Mühe gibt - sich mit seinem zukünftigen Mentor beschäftigt, wird fast immer eine Antwort bekommen.
Ein wenig schmeicheln hilft übrigens immer.
Dann musst du bei deinem Praktikum oder dem Job nur noch hilfreich sein und schon kannst du deinen Mentor oder deine Mentorin aussaugen - und das ist ein Gewinn für alle Beteiligten. Du lernst viel und deine Mentoren fühlen sich geschmeichelt - auch erfolgreiche Menschen freuen sich immer über Interesse an dem, was sie machen.
Aber wie motiviere ich mich überhaupt?
Diesen gesamten Persönlichkeitsentwicklung-, Neuro-Linguistic-Programming-Kram bis hin zum Esoterik-Overkill habe ich noch nie verstanden.
Dein Hauptproblem ist Motivation? Dann ist einfach eine Selbständigkeit oder Ortsunabhängigkeit einfach nichts für dich. Oder noch nicht.
- Wenn als Blogger dein Hauptproblem ist, Themen zu finden, über die du schreiben kannst, solltest du kein Blogger sein.
- Wenn dir als YouTuber die Video-Ideen fehlen, ist es der falsche Job für dich.
Klingt erstmal hart. Aber ein Problem in der Community ist auch, dass jeder seinen Weg auch für alle anderen als gute Lösung sieht. Das ist natürlich nicht der Fall. Für einige ist es die richtige Wahl, angestellt zu arbeiten, Lehrer oder eben Unternehmer zu werden.
Ich erlebe mich auch selbst, wie ich meinen Weg und meine Vorstellungen schnell auf andere projiziere. Das ist aber oft falsch.
Abzocke durch Coaching: Wie entgehe ich den Scharlatanen
Die DNX Facebook-Seite gibt selbst den Tipp:
Tipp: Schaue dir immer die Reputation des Coaches an. Wo steht er, welche Ergebnisse hat er schon außerhalb seines Coaching Business erreicht, welche Umsätze macht er, hat er Testimonials, bestehende Kunden, die mit Interessenten einchecken...
Das sind erstmal gute Tipps. Ich möchte noch ein paar Ergänzungen machen:
- Testimonials im Internet sind immer mit Vorsicht zu genießen. Sie sind sehr leicht zu faken. Und es gibt große Dissonanz-Effekte. Das bedeutet jemand, der gerade 2.500 Euro für ein Coaching ausgegeben hat, wird es sehr schwer fallen, dir und sich selbst einzugestehen, dass er das Geld gerade zum Fenster rausgeschmissen hat.
- Den Punkt welche „Umsätze" und „Ergebnisse" außerhalb des „Coaching Business" erzieht wurden, finde ich genau richtig. Leider finden sich bei den meisten Coaches dazu wenige Angaben oder nur sehr schwammiges Geschwurbel, à la 7-stellige Umsätze, was erstmal rein gar nichts bedeutet.
Fazit: Nicht alle Coaches sind schlecht, aber fast alle.
Ich lebe auch in meiner Filterblase und in dieser sind 99 Prozent aller Coaches, die auf Facebook, YouTube, Twitter, Instagram und TikTok werben, unseriös. Alptraumhaft unseriös.
Auf der Suche nach dem einen Prozent wünsche ich Euch viel Glück. Es gibt sie sicher und es gibt auch legitime Menschen mit legitimen Angeboten. Aber aktuell ist Coaching einfach der heiße Scheiß und das lockt die Betrüger und Opportunisten an.
Wer kennt sie nicht, die Profile: „Ich mache: Flirt Coaching / Bin Krypto-Experte und kann dir alles über NLP beibringen".
Das war jetzt meine Sicht der Dinge. Bei mir könnt ihr Euch melden, wenn ihr Kaffee-Blogger werden wollt :)
Aber was sind deine Erfahrungen? Bin ich viel zu streng und ein Coach hat dich erfolgreich gemacht? Ich bin gespannt und freue mich auf alle Kommentare.