Chinas Geisterstädte
Im Osten nichts Neues? Doch! In China gibt es noch die ein oder andere offene Rechnung. Eine davon wird nun wohl fällig: die Immobilienblase. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der nicht zu vernachlässigenden Bedeutung des Baugewerbes für das chinesische Wirtschaftswachstum äußerst kritisch.
Seit einem guten Jahr sind auch in der "Fachpresse" hin und wieder Warnungen vor einer möglichen Immobilienblase in China und dessen Platzen zu vernehmen, doch könnten die Informationen über die örtlichen Umstände umfassender und präziser sein:
- Handelsblatt: Chinas Immobilienmarkt gerät außer Kontrolle
- DW: Riskante Immobilienblase in China
- WiWo: Weltbank warnt vor Immobilienblase in China
- WELT: Wohnungsleerstand - Chinas Immobilienblase gefährdet auch Deutschland
- Podcast Prof. Max Otte: Immobilienblase - kommt die zweite Krise aus China?
Die starke Nachfrage (nicht zuletzt auch aufgrund von spekulativem Kapital aus dem In- und Ausland) nach Immobilien in China ließ die Preise steigen. Zuletzt laut Deutsche Bank Research im Durchschnitt um 18 Prozent in 2010, nach 25 Prozent in 2009. In den letzten vier Jahren um 53 Prozent und seit 1990 jährlich im Schnitt um 11 Prozent. Nun fingen die Häuserpreise in den letzten Monaten an zu fallen und es stellt sich die Frage, ob dies der Beginn des Platzens der chinesischen Immobilienblase ist...
Die Leute benutzen Immobilien als Investmentvehikel, da die anderen Anlageklassen im Lande noch nicht so stark entwickelt sind", behauptet Ardo Hansson, Weltbank-Chefökonom für China im Handelsblatt.
Um den Nachfrageüberhang zu decken und den starken Preisanstiegen entgegenzuwirken, versuchte die chinesische Regierung bislang das Angebot an Immobilien auf besondere Art und Weise zu erhöhen. Sie lässt - zur Freude des Baugewerbes und chinesischen Wirtschaftswachstums - ganze Städte bauen: Wohnviertel, Hochhäuser, Einkaufsstraßen und Shopping-Malls. Dumm nur, dass die Immobilienpreise vorerst weiterhin nicht fallen wollten und sich die Gewerbe- und Wohn-Mieten daher immer noch kaum ein Chinese leisten kann. In der Konsequenz stehen viele Gebäude bzw. teilweise ganze Städteleer. Nach dem noch folgenden Filmbeitrag sollen es jährlich zehn neue (Geister-)Städte sein, die aus dem Boden gestampft werden.
Für besonderes Aufsehen sorgte auch eine (angebliche), vor knapp zwei Jahren durchgeführte, Untersuchung der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften und der Elektrizitätsgesellschaften (siehe WELT ONLINE-Artikel), nach der "in den vergangenen sechs Monaten [Jan-Jun '10] in 65,4 Millionen Apartments kein Strom verbraucht wurde." Im Filmbeitrag unten geht der Analyst Gillen Tolack aus Hongkong auch kurz auf diese News ein. In einem späteren Bericht der China Business News wurde besagte Untersuchung seitens der Akademie für Sozialwissenschaften allerdings abgestritten, wie WELT ONLINE in einem Update des zuvor verlinkten Artikels zu berichten weiß.
Hierzu Dirk Müller ( cashkurs.com): "Inzwischen gibt es in China den Berufsstand des "Housesitters". Der macht nichts anderes, als den ganzen Tag/Nacht in leerstehenden Wohnungen ein- und auszugehen, das Licht, Wasser, Gas ein- und auszuschalten, um einen Bewohner zu simulieren. So versucht man [seitens der Immobilienbesitzer] leerstehende Immobilien als bewohnt darzustellen, um den Preisverfall zu verhindern. Was sagt uns die bloße Existenz eines solchen Berufes über den Zustand des betroffenen Immobilienmarktes? Das ist aussagekräftiger als jede staatlich optimierte Statistik."
Ein Filmteam von dateline, einem Sendeformat des australischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders SBS begab sich nach China, um dort die Regionen "Zhengzhou New District" und "Dongguan" aufzusuchen. Diese Reportage wirft - eine nach journalistischen Grundsätzen sauber recherchierte und realistische Darstellung vorausgesetzt - auch Fragen zur Nachhaltigkeit des Chinesischen Wirtschaftswachstums auf. Das Baugewerbe hatte im Jahr 2010 zu knapp 20% Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung Chinas.