Am 17.10.2017 wurde auf Autorenwelt die "Die Charta der gerechten Vertragsbedingungen" gepostet. Laut Facebook-Page von Autorenwelt soll es eine Sammlung an Tipps und Merkmalen sein, auf die Autoren bei der Verlagssuchen achten können. An sich also eine super Sache! Dachte ich mir und las mal durch, was man dort findet. Als Verlegerin wurde mir dann aber doch schnell mulmig zumute. Warum? Das erzähl ich Euch im folgenden Beitrag.
Die drei Autorenverbände " Autorinnen und Autoren der Schweiz", " Verband deutscher Schriftstellerinnen" und " Schriftsteller und IG Autorinnen Autoren" unterzeichnen am 13. Oktober 2017 auf der Frankfurter Buchmesse Die Charta der gerechten Vertragsbedingungen. Das macht was her, denn wenn drei so große Namen dahinterstehen, dann kann das nichts schlechtes sein. Das stimmt auch, es ist super, wenn sich Autorenverbände zusammentun und Autoren (besonders denen, die gerade erst einen Fuß in die Literaturwelt gesetzt haben) Hilfestellung geben.
Bevor wir richtig in den Text reinhüpfen möchte ich versichern, dass meine Kommentare kein "Niedermachen" oder gar "Schlechtmachen" der Charta sein sollen, sondern ich diese kritisch hinterfrage, als Verlegerin und Autorin.
Steigen wir also ein!
Gleich die Eröffnung lässt mich als Verlegerin zusammenzucken " Wir, die unterzeichnenden Verbände Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, [...] erachten die folgenden Mindestanforderungen für jeden Verlagsvertrag als unerlässlich"
"Mindestanforderungen" - es handelt sich also nicht um Richtlinien, Tipps oder Ansatzpunkte, sondern um Forderungen, die ein Verlag mindestens zu bieten hat. Okay, ich bin eingeschüchtert. Ob ich folgenden 10 Punkte erfüllen kann?
1. Der Verlag ist verpflichtet, ein Buch (gedruckt wie digital) auf eigene Kosten herzustellen und zu verbreiten. Dazu gehört auch ein professionelles Lektorat.
- Richtig, denn würde der Autor zahlen, wäre er bei einem DKZV (Druckkostenzuschussverlag) oder Pseudo-Verlag gelandet. Diese verlangen von den Autoren immer für irgendwas eine Zuzahlung. Zum Druck, zum Lektorat, zum Cover (manchmal zu allem, manchmal nur zu einem). Es gibt tatsächlich Autoren, die sich trotz des Wissens mit solchen Verlagen einlassen. Ich persönlich kann jedem nur davon abraten. Diese Verlage nehmen wirklich ALLES und finanzieren sich nicht mit dem Verkauf von Büchern, sondern den Forderungen an den Autor. Die Büchern bleiben am Ende unsichtbar auf dem Markt. Mein Tipp: Hände weg von DKZV und Pseudoverlagen. Eine Liste all dieser Verlage findet ihr HIER.
2. Der Verlag erhält nur jene Rechte, die er auch tatsächlich verwerten oder lizensieren kann. Eine pauschale Bestimmung, wonach die Autorinnen und Autoren dem Verlag sämtliche Rechte weltweit für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechtsschutzes, also 70 Jahre über ihren Tod hinaus, zur Nutzung einräumen, ist unangemessen weit. Zumal wenn der Verlag nur das Hauptrecht - das Herstellen und Verbreiten eines Buches - ausüben muss und frei ist, die weiteren Rechte wahrzunehmen oder nicht. Deshalb sind dem Verlag nur einzelne, genau bezeichnete Nutzungsrechte einzuräumen, und dies zeitlich befristet.
DAS ist eine wirklich gute - wenn auch umfangreiche - Klausel. Viele Kleinverlage haben bereits damit begonnen in ihre Verträge nur die Lizenzen einzutragen, die sie auch wirklich wahrnehmen können und alle anderen rauszustreichen. Das ist sinnvoll. Aber man weiß auch nie, was sich später entwickelt. Ich zB. habe einen Kontakt zu einem Hörbuch-Produzenten geknüpft und muss jetzt im Nachhinein mit machen Autoren extra Lizenzverträge aufsetzten. Eine Mühselige Arbeit.
Dass ein Vertrag über 70 Jahre nach den Tod des Autors noch gilt ist ebenfalls vollkommen sinnfrei, aber noch in vielen Standardverträgen drin. Hier ist einfach nur jedem Autor angeraten selbst darüber nachzudenken, wie wichtig ihm das ist. Lohnt es sich mit einem Verlag darüber zu streiten, oder nicht?
3. Die Rechte für unbekannte Nutzungsarten kann sich der Verlag nur unter der Bedingung sichern, dass die Autorinnen und Autoren vor ihrer tatsächlichen Verwirklichung ausdrücklich zustimmen oder dass sich die Beteiligten vorgängig über die zustehende zusätzliche Vergütung einigen.
Das ist sinnvoll, aber auch wieder ein Punkt über den jeder Autor selbst entscheiden sollte, wenn er eine solche Vertragsklausel vor sich hat.
4. Beabsichtigt der Verlag eines der folgenden Nebenrechte auszuüben, ist im konkreten Fall die ausdrückliche Einwilligung der Autorin oder des Autors einzuholen und jeweils eine finanzielle Kompensation vorzusehen:
So weit so klar!
- die Verwendung des Titels, von Charakteren oder anderen Inhalten des Werks für die Werbung von Produkten und Dienstleistungen Dritter sowie zu Merchandising-Zwecken;
Ist klar, bevor ich das Spielzeug einem anderen Freund gebe, frage ich erst den, von dem ich es ausgeliehen hab!
- die Verbindung mit den Werken von Dritten;
Auch klar, ich darf die Legosteine von Kalle nicht mit denen von Sascha mischen.
- das Einstellen des Werks in Datenbanken und Plattformen, welche den unentgeltlichen Download oder temporären Abruf (z.B. Streaming) des gesamten Werks oder Bestandteilen desselben ermöglichen;
Ob darunter auch der Amazon "Blick ins Buch" fällt?
- Überarbeitungen des Werks.
Auch klar, ich ändere nichts, was nicht abgesprochen ist.
5. Ist der Verlag berechtigt, das Werk zu bearbeiten oder bearbeiten zu lassen - unabhängig davon, ob es sich um Übersetzungen, Theater-, Hörspielfassungen, eine Verfilmung, Vertonung, den Einbezug in Multimediawerke oder andere Formen der Bearbeitung handelt -, hat er die persönlichen Rechte der Autorin oder des Autors zu respektieren. Dies bedeutet alles zu unterlassen, was das Werk entstellt oder geeignet ist, das Werk zu beeinträchtigen oder zu gefährden.
Nimmt der Verlag das Bearbeitungsrecht selbst wahr, hat er der Autorin oder dem Autor die entsprechende Bearbeitung des Werks anzubieten, bevor Dritte damit beauftragt werden. Überträgt der Verlag das Recht zur Bearbeitung auf Dritte, ist die Autorin oder der Autor vorgängig anzuhören. Dritte sind sowohl direkt vom Verlag mit der Bearbeitung betraute Personen wie auch Lizenznehmer.
Auch das ist relativ verständlich: Bevor das Buch zB für eine Hörbuchfassung gekürzt oder für einen Film adaptiert wird, bekommt es der Autor noch mal vorgelegt. Natürlich nur, wenn der Verlag Absatz 3 in seinem Verlag drin hat und wirklich alle seine Nebenrechte wahrnimmt.
6. Für den Fall, dass der Verlag einzelne oder mehrere Nutzungsrechte zwei Jahre nach Vertragsabschluss nicht oder nur unzureichend ausgeübt hat, ist den Autorinnen und Autoren ein entschädigungsloses Rückrufrecht einzuräumen.
Spätestens jetzt wurde es selbst für meine Verhältnisse komisch. Die Ausarbeitung von Nutzungsrechten kann dauern, warum sie also auf zwei Jahre beschränken? Wann sind Nutzungsrechte unzureichend ausgeübt worden? Wer entscheidet das? Ich finde diese Klausel doch sehr losgelöst und spontan in den Raum geschmissen.
7. Die Autorinnen und Autoren sind für jede einzelne Nutzung ihres Werks angemessen zu vergüten. Dies bedeutet nicht nur, dass der Verlag entsprechend seinen Möglichkeiten alles zu unternehmen hat, um das Werk in ausreichender Zahl zu vervielfältigen und bekanntzumachen. Die Autorin oder den Autor ist außerdem in einer Weise an den Erträgen aus der Verwertung des Werks zu beteiligen, welche deren Vorleistung entspricht.
Wir fassen zusammen: Der Autor bekommt nicht nur sein Honorar, nein er " ist außerdem in einer Weise an den Erträgen aus der Verwertung des Werks zu beteiligen, welche deren Vorleistung entspricht." - Das heißt, ein Autor, der sein eigenes Buch nicht bewirbt bekommt auch nichts! Außerdem ist der Verlag verpflichtet sein letztes Hemd zu geben um Werbung für das Buch zu machen. Ich finde das wirklich ein bisschen arg aufgetragen. Klar mach ich Werbung für die Bücher, die in meinem Verlag erscheinen, aber ich mache Werbung für ALLE DIESE BÜCHER! Bei mir sind das mittlerweile 19 Titel, bei anderen Kleinverlagen weitaus mehr. Ich hab nur ein letztes Hemd, ich kann es nicht für 19 Titel weggeben. Aber ich gebe für jeden einzelnen mein Bestes, jeden Tag, auf jeder Messe und wann immer es sich sonst irgendwie ergibt. Aber ich kann das nicht allein, ich bin auch auf die Hilfe durch die Autoren angewiesen. Jeder Autor sollte auch ambitioniert sein, sein Buch an den Mann bzw. an die Frau zu bringen.
8. Der Verlag ist auf einen festen Erscheinungstermin zu verpflichten. Eine Verschiebung dieses Termins ist im Einverständnis mit der Autorin oder des Autors möglich. Kommt keine Einigung über eine Verschiebung zustande, gilt der Vertrag als aufgelöst und die Rechte fallen automatisch an die Autorin oder den Autor zurück.
JETZT hats mich wirklich auf den Hosenboden gesetzt! Liebe Autoren, fragt Euch bitte einen Moment selbst: Ist ein verschobener Erscheinungstermin es wert, die Zusammenarbeit mit dem Verlag in den Wind zu schießen? Okay, ich sage meinen Autoren meist Bescheid, wenn sich der Erscheinungstermin verschiebt und die meisten sind damit einverstanden. Aber manchmal passiert das Leben und dann geht eine Mail unter oder eine FB-Nachricht kam nicht an. Auch hier sei wieder gesagt: Ist ein verschobener Erscheinungstermin es wert, die Zusammenarbeit aufzukündigen?
Übrigens, wenn Titel in meinem Verlag verschoben wurden lag es bisher immer daran, dass die Autoren oder Herausgeber mehr Zeit brauchten - Nur, damit das mal in den Raum geworfen wurde ^^ Die Verträge bestehen alle noch, die Freundschaften auch.
9. Der Verlag informiert von sich aus und unverzüglich über folgende Umstände:
Unverzüglich ab wann?
- Höhe der Auflage und von Nachdrucken beziehungsweise der Anzahl der jeweils hergestellten Werkexemplare bei Print on Demand;
Warum? Hilft das dem Autor? Macht es ihn zu einem besseren Menschen?
- Anzahl Downloads oder Streams von digital verbreiteten Werkexemplaren;
Im Normalfall bekommt der Autor diese Infos mit seiner Honorarabrechnung, soll ich ihm jetzt jedes Mal schreiben, wenn ein eBook verkauft wurde?
- Erschöpfung einer Auflage;
Warum? Im Idealfall druckt man ja eh gleich nach, weil das Buch super läuft. Und wenn es nicht läuft, dann hat man so wie so ganz andere Gründe, warum man den Autor kontaktieren muss.
- Vergabe von Lizenzen, einschließlich des Namens des Lizenznehmers, des Umfangs und der Dauer der Lizenz und der Höhe der Lizenzgebühr.
Kommt es mir nur so vor, oder wird hier ständig auf Lizenzen rumgeritten?
10. Der Verlagsvertrag muss beim Vorliegen eines der folgenden Gründe außerordentlich und mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden können:
- Leistungsverzug trotz Mahnung;
BUM - Drei Worte, die toll klingen, aber nichts Aussagen! Zumindest bin ich spontan überfordert. Ich nehme mal an, wenn der Verlag das Honorar nicht auszahlt geht der Autor einfach ... irgendwie ...
- mehrfaches nicht Beantworten von Korrespondenz;
In welchem Zeitraum, aus welchen Gründen? Lösen wir jetzt Verträge auf, weil ich mir die Mail mit den Katzenvideos nicht angeschaut hab? Nein, ehrlich, es gibt Verleger, die von ihren Autoren wirklich mit Mails bombardiert werden, am besten noch, wenn sie auf Messen sind und nicht antworten können, weil sie gerade versuchen, das Buch des Autors an die Leute zu verkaufen.
- verschuldete Urheberrechtsverletzung.
Das Wort zum Schluss.
Poar Leute, seid Ihr auch so kaputt wie ich?
Ich hab mir das ja alles schon mehrmals durchgelesen, aber jetzt - nach gut 2 Stunden, die ich nun schon an diesem Beitrag sitze - bin ich ziemlich KO. Aber mein Fazit ist umso klarer. Diese ganzen 10 Absätze sind für mich ein großer Aufschrei der Autoren, der eins ganz klar aussagt: Wir wollen nicht mehr scheiße behandelt werden!
Und das ist sehr verständlich für mich. Ich hoffe aber auch, dass meine Kommentare Euch ein bisschen gezeigt haben, dass Ihr nicht alles mit der Brechstange durchhauen müsst. Ja, manche Autoren werden von manchen Verlagen (egal ob groß oder klein) scheiße behandelt. Ebenfalls ja, die gängigen Verträge zB von Ver.di (die Ihr Euch übrigens ohne Probleme HIER runterladen und anschauen könnt) sind nicht in allen Punkten das gelbe vom Ei. Und noch mal ja, besonders junge Autoren wissen oft nicht, wohin mit sich und nehmen jeden Vertrag, der ihnen vorgelegt wird.
Daher ein paar Tipps von mir - einer Verlegerin, die es gut mit Euch meint:
- Geht nicht zu jedem Verlag, nur weil er mit einem Vertrag winkt. Schaut erst, ob es sich um einen DKZV handelt. Vielleicht ergibt sich die Chance den Verleger bzw. das Team auf einer Messe kennen zu lernen.
- Nutzt Autorengruppen bzw. Foren um Euch zu informieren. Fragt dort andere Autoren, lest deren Erfahrungen, bildet Euch darauf selbst ein Urteil. Nicht jeder Verlag passt zu jedem Autor. Der Verlag der für Autor X ein No-Go ist, könnte genau das Richtige für Autor Y sein.
- Wenn Ihr Abschnitte in einem Vertrag nicht kapiert, fragt den Verleger bzw. die Verlegerin, Eure Fragen werden nicht unbeantwortet bleiben. Falls doch, oder falls man Euch pampig entgegenkommt, dann wisst ihr eh, dass ihr dort nicht hin wollt.
- Veröffentlicht nicht um jeden Preis! Wenn ihr schon vor Vertragsabschluss merkt, dass ihr mit dem Verlag, dem Team usw. nicht klar kommt, dann tretet von dem Vertrag zurück. Es macht Euch nur unglücklich, wenn ihr am Ende mit Leuten zusammenarbeiten müsst, die ihr doof findet.
- Nicht jeder Autor ist für einen Verlag bestimmt, auch Selfpublishing kann eine Lösung sein.
Das wars erst mal von mir. Ich hoffe, mein "kleiner" Beitrag konnte Euch helfen. Die Verlagswelt ist toll und groß und bunt, lasst sie Euch nicht madig machen, weil andere blöde Erfahrungen gemacht haben. Macht Euer eigenes Ding, seid vorsichtig dabei, nehmt einen Schritt nach dem anderen und hört niemals auf geilen Scheiß zu schreiben.
Eure Grit