Zeichnung: Jaques Tilly
Auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Catholica mit einem eigenen, „Dritten Weg“ die Bahn geebnet für Macht und Rechte vorbei an christlicher Nächstenliebe und gesellschaftlicher Verantwortung. Wie ist das vor unserem Grundgesetz möglich? Was treibt die deutsche Catholica, ihre Sozialvorstellungen menschenrechtswidrig durchzusetzen? Was ist aus dem barmherzigen Samariter geworden?Ausgangspunkt für alle Überlegungen muss in unserer Demokratie das Grundge-setz (GG) sein, das vor allen Gesetzen und Einzelregelungen bei deren Auslegung absolut Vorrang hat. Und im GG steht die Würde des Menschen an erster Stelle.
Neben zahlreichen Einzelregelungen betreffend die Beziehungen von Staat und Kirche haben die Väter unseres GG in Art.140 GG i.V.m. WRV Art. 135 bis 141 einige bemerkenswerte Grundsätze festgeschrieben. So z.B. in Art. 137 WRV, dass es keine Staatskirche gibt. Das ist ein fundamentales Bekenntnis des Staates zur Neutralität gegenüber allen Religionen und Weltanschauungen. Konsequent ist daher ebenda festgelegt, dass jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnet und verwaltet. Also, Selbstverwaltung ja, Sonderrechte nein. Wie bei jedem Verein.
Nicht nur vor diesem Hintergrund verfängt sich der Star der deutschen katholischen Soziallehre, Kardinal Marx, im Gewirr der eigenen Fussangeln, wenn er mit Blick an das Ende der Welt gegen „Strukturen der Ausbeutung” wettert. Dabei übersieht er nämlich geflissentlich, dass in den Werken seiner Kirche und in unserer Republik vom Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bis hin zum Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) kein für alle anderen Arbeitnehmer geltendes Recht anwendbar ist. Damit sind die Werke der Catholica gegenüber allen anderen Unternehmen nicht hinnehmbar und GG-widrig privilegiert.
Das arabesk als „Dritter Weg” bezeichnete Mitarbeitervertretungsrecht der Catholica ist demokratisch ein Holzweg und ähnelt eher einer Struktur der Ausbeutung, einem Irrweg, auf dem die eigenen Mitarbeiter bezüglich ihres Schutzes wesentlich schlechter gestellt werden als ihre Kollegen in der Privatwirtschaft.
Unabhängig von wohlwollenden oder durch religiösen Gehorsam geprägten aller-höchsten Gerichtsurteilen nimmt die deutsche Catholica schamlos im GG ausgeschlossene Sonderrechte in Anspruch. Wenn sie sich dabei selbst auf Glaubensgrundsätze beruft, darf sie sich gerade nicht auf noch so ausgetüftelte Meinungen von Kirchenrechtlern zurückziehen. Glauben ist nicht Recht. Und was rechtens ist, ist nicht immer gerecht oder richtig.
Da muss der neue Papstberater sich wohl zunächst vom neuen Papst Rat holen, wie der seine Forderung an seine Priester und Primaten versteht, dass diese sich „nicht lächerlich machen und der Kirche schaden, indem sie dem Geld und der Karriere folgen”. Oder die Forderung nach mehr Solidarität, wobei das gesamte System auf den Prüfstand gestellt und mit den fundamentalen Rechten aller Menschen in Einklang gebracht werden müsse.
Nähme Marx diese mahnenden Worte seines neuen Pontifex zu Herzen, müsste er umgehend den Sondermüll seines dritten Weges entsorgen und unter Beachtung der Würde des Menschen und seiner Rechte (Art. 1 GG) die für alle geltenden demokratischen, arbeitsrechtlichen Regelungen in den Werken der Catholica anwenden.
Ein für die deutsche Catholica unerwartet steifer Wind aus Rom weht da dem schwarzen Marx ins Gesicht. Der neu gebackene Papstberater und Aalkönig muss beim neuen Papst erst einmal in die Nachhilfestunde gehen und sich erklären lassen, was dieser unter dem Dienst als wahrer Macht versteht und warum er knallhart fordert, dass seine Primaten es genau so machen wie der uneigennützig helfende barmherzige Samariter.
Nach Überzeugung namhafter deutscher Katholiken (Cordes, Lütz) hätte der barmherzige Samariter beim Caritasverband heute kaum eine Chance, weil nicht getauft und mit dem falschen Glauben. Und doch steht er im Zentrum christlicher Lehre.
Aus ehemals ob ihrer Werke durchaus angesehenen christlichen Einrichtungen sind vielfach eine Arbeitgebermacht entstanden, die Gewalt an Menschen mit Glaubensgrundsätzen ausübt. Dabei haben diese mit beruflicher Qualifikation überhaupt nichts zu tun. Es ist GG-widrig, wenn ein Arbeitssuchender Fragen nach seinem Bekenntnis, seinen Neigungen und Einstellungen, seiner Parteizugehörigkeit u.ä. beantworten soll. Dadurch diskriminiert die Catholica Arbeit suchende Menschen, die verzweifelt eine gute Arbeit für ein Leben in Würde suchen. Was haben ein entzündeter Blinddarm oder eine ordentliche Buchführung mit katholischer Glaubenslehre zu tun? Was ein sauber gereinigtes Büro oder ein pädagogisch einwandfrei geführter Kindergarten? Die Willkür kirchlicher Arbeitgeber scheint schrankenlos und wird gnadenlos als Kontrolle in Glaubenssachen praktiziert. In unserer Demokratie heute!
Aber hier prangert der neue Pontifex an, dass Kirchenmänner oft Kontrolleure und nicht Wegbereiter des Glaubens seien, und dass es gälte, „den Menschen wieder ins Zentrum zu rücken”. Und auch eine neue, aufgeklärte Richtergeneration und Gewerbeaufsicht machen bei dem Regelungsgeflecht der Catholica nicht mehr mit: Kündigungen müssen zurückgenommen werden, das versagte Streikrecht wird aufgeweicht und mehr und mehr zwingen öffentliche Meinung und Protest zur Aufgabe unhaltbarer Gängelungen durch kirchliche Arbeitgeber und Primaten.
Die letzte entscheidende Rede des papa emeritus in Freiburg hat die deutsche Catholica mit seiner Forderung nach Entweltlichung in ein Dilemma gestürzt. Der papa electus geht genau da konsequent weiter und fordert – vor allem -, die Würde des Menschen zu achten. Solidarität müsse wieder staatsbürgerliche Tugend werden, auch und gerade für die deutsche Catholica, wenn sie sich dann nach Art des armen Samariters Verantwortung übernehmen und sich nicht nur für fragwürdige und als Unrecht empfundene Dienste satt aus öffentlichen Mitteln bezahlen lassen will.
Georg Korfmacher