Die Carnivore Diet. Oder: Nur noch Fleischkost, bitte.

Von Cordula

Zuerst war es Lowcarb. In verschiedenen Abstufungen. Mal strenger, dann wieder moderater. Dann kam Keto. Zwar auch sehr Fleischlastig, nahezu No Carb, aber dennoch mit ein paar Carbs in Form von Blumenkohl und Zucchini.
Doch jetzt gibt es mal wieder einen weiteren Trend, natürlich aus dem Ursprungsland der unbegrenzten Möglichkeiten – den USA. Die Anti-Vegan-Ernährung schlechthin – die Carnivore Diet.

Gerade wenn es um das Thema Ernährung geht, entfachen nicht auch selten Diskussionen darüber, ob der Mensch nun ein Omnivore, ein Carnivore oder vielleicht eher ein Herbivore ist.
Nun ja, der klassische Fleischfresser, wie der oftmals benannte Löwe (mit dem sich so mancher Mensch gerne mal vergleicht), verfügt einerseits über einen verkürzten Darm und kann Vitamin C selbst produzieren. Über diese Fähigkeiten verfügt der menschliche Organismus in beiden Fällen nicht. Nichts desto trotz ist Lowcarb nach wie vor ein Trend, der sich nun mit steigender Zahl in die Extreme entwickelt hat.

Doch zu allererst…

Was darf man als Zero-Carber eigentlich essen?

Speck mit Ei zum Frühstück. Steak mit ordentlich pinkenem Himalaya-Salz zum Mittag. Und abends ein paar Chicken Wings. Gemüse als Beilage ist absolut verpöhnt. Es sei denn der Kaffee aus frischen Bohnen. Der ist gestattet. Abgesehen von fettigem Fisch, Eiern und Milchprodukten.
So in etwa könnte der tägliche Speiseplan eines „Carnivoren“ aussehen.
Denn erlaubt ist:

  • Fleisch
  • Fisch
  • Milchprodukte
  • Eier
  • Organe
  • Bone Broth (Knochenbrühe aus Knochen und Fleisch von Rind, Lamm oder Geflügel, welche auf niedriger Temperatur 6-24 Stunden lang gesimmert wird.)
  • Kaffee und Tee
  • Wasser

Was man vermeiden sollte:

  • Alkohol
  • Säfte und Limonaden
  • Soßen
  • Verarbeitete Lebensmittel (manche empfehlen darunter auch verarbeitetes Fleisch)
  • Obst und Gemüse

Über Vor- und Nachteile

So sind die Vorteile dieser Ernährungsweise, dass das Essen durch die geringere Auswahl an Lebensmitteln einfacher wird.
Zudem soll es bei der Regulation des eigenen Körpergewichts helfen und zu Gewichtsreduktion führen. Denn der primäre Treibstoff ist, hervorgerufen durch die Ketose, Fett und Protein. Somit wird dann auch körpereigenes Fett als Energielieferant verbrannt.

Nachteile können wiederum Gelüste nach Altbekanntem sein. So zum Beispiel auf Kohlenhydrate. Oder dass so ein Speiseplan hauptsächlich aus Fleisch schnell limitiert in der Auswahl an Gerichten werden und damit Langeweile aufkommen kann.
Zudem muss man Fleisch und Tierprodukte schon sehr lieben, um sich mit dem Bewusstsein anzufreunden nie wieder irgendein Grünzeug zu essen.
Ein weiterer Aspekt ist auch, dass gängige Empfehlungen eher zu einer fleischreduzierten Ernährung raten. Eben aufgrund dessen, dass erhöhter Fleischkonsum auch mit gesundheitlchen Risiken asoziiert wird. Wie beispielsweise die Entstehung von Arteriosklerose, erhöhten Cholesterinwerten, der gesteigerten Bildung von Harnsäure und damit der Entstehung von Gicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen usw.
Langjährig praktizierende Anhänger der Carnivore Diet in unserer Erste-Welt-Gesellschaft gibt es auch erst seit 15 bis 20 Jahren. So gibt es hierzu auch noch keine aussagekräftigen Studien, die die langfristigen Auswirkungen einer solchen Ernährungsweise auf die menschliche Gesundheit positiv untermauern würden.


Thema Gesundheit

Eingefleischte Verfechter dieses Ernährungstrends verteidigen diesen natürlich.
Ähnlich wie bei vielen anderen Ernährungsformen, von denen die jeweiligen Verfechter überzeugt sind, so zum Beispiel auch unter High Carb Low Fat Veganern, findet man auch im Bereich der reinen Fleischernährung Berichterstattungen über verbesserte Blutwerte sowie geminderte Symptome von Allergien.

Das mag ja auch gerne so sein. Doch manch andere berichten von ganz anderen Sympotomen. Besonders zu Beginn. So ist von Kopfschmerzen, Verdauungsproblemen, Verstopfung, Muskelschmerzen sowie einem metallenen Geschmack im Mund die Rede.
Alles die gängigen Begleiterscheinungen, wenn man auf die Carnivore Diet umsteigt. Denn der Körper braucht erst einmal eine gewisse Zeit, um sich auf die neue Ernährungsweise zu gewöhnen.
So sei es normal zu Beginn viel Wasser zu verlieren. Oder aber auch Gelüste nach Zucker zu haben. Schließlich sinkt der Insulinspiegel rapide und damit muss der Körper erst einmal zurecht kommen, um dies wieder auszugleichen und ins hormonelle Gleichgewicht zurück zu finden.

Gerade wegen des Wasserverlustes ist es daher wichtig viel zu trinken. Doch das reicht nicht. Da man auch Elektrolyte verliert, und damit Sodium, Potassium, Magnesium und Chloride. sollte man dem am besten mit viel Salz, mit welchem man sein Fleisch würzen kann, entgegen wirken.
Sollte das Salz zur Regulation entstehender Mangelerscheinungen nicht ausreichen, kann man auch noch Bone Broth trinken oder auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen.

Die Versorgung mit Mikronährstoffen ist somit u.a. kritisch. So wird es auf Dauer problematisch durch eine reine Fleischkost den Nährstoffbedarf des menschlichen Körpers zu sichern.
Ein gutes Beispiel ist hierbei auch die Versorgung mit Vitamin C. Skorbut nennt sich die typische Seefahrerkrankheit, eine Mangelerscheinung von Vitamin C. Denn auf langen Fahrten konnte es damals gut möglich sein, dass sich Seefahrer nur von Fleisch und Fisch ernährten.

Doch hierfür hat die reine Fleischkost eine logisch klingende Erklärung:

Wenn man keine Kohlenhydrate mehr über die Ernährung konsumiere, so benötige man auch weniger Vitamin C. Denn Kohlenhydrate werden in Glucose aufgespalten. So ähnele die molekulare Struktur von Vitamin C der Glucose.Und da das molekular ähnliche Vitamin C sozusagen mit der Glucose um dieselben Rezeptoren konkurriere, benötige man weniger Vitamin C. Und dadurch würde dann wiederum die Aufnahme verbessert.

Doch das stimmt so nicht ganz. Denn im Grunde gibt es zwei Formen von Vitamin C. Einmal Ascorbinsäure und Dehydroascorbinsäure. Glucose sowie Ascorbinsäure nutzen Transfer-Proteine und nicht Rezeptoren. Zudem zwei verschiedene Transfer-Proteine (für Glocose SGLT1 und für Ascorbinsäure SVCT1), welche zu einander in keinerlei Konkurrenz stehen. Das Einzige, das passiert ist, dass Glucose das Transfer-Protein für Ascorbinsäure, also Vitamin C, hemmt. Dennoch ist der Effekt in der Gesamtsumme nicht so groß, dass es die VItamin C Aufnahme signifikant hemmen würde.

Doch von dieser Erklärung abgesehen, beinhalte Fleisch kleine Mengen Vitamin C, heißt es. So behaupten manche, dass dieses genug Vitamin C beinhalte, um sie vor Skorbut zu schützen.

Nun ist die Sache jedoch so, dass das bei uns am häufigsten konsumierte Fleisch einen äußerst geringen Vitamin-C-Gehalt aufweist. Manche Fleischsorten wie Steak oder rotes Fleisch beinhalten überhaupt kein Vitamin C.
Und selbst bei geringen Vitamin C Anteilen, auch durch das Erhitzen von Fleisch geht beinhaltetes Vitamin C verloren. Beim Kochen sind das gut 50 Prozent des Ursprungsgehaltes.
Nun bietet sich hierbei auch die Lösung tierische Organe zu essen. Denn diese beinhalten wirklich am meisten Vitamin C. So zum Beispiel Leber oder auch Bauchspeicheldrüse.
Die empfohlene Menge an Vitamin C beträgt 100 mg/Tag. Wobei das auch wiederum, je nach Bedarf, variieren kann. Selbst Gemüsesorten mit geringem Kohlenhydratanteil beinhalten hierbei wesentlich mehr VItamin C auf 100 g als die empfohlene Leber. Insofern könnte man seinen Vitamin C Bedarf leichter mit Grünzeug, als mit Organkost decken.

Alles in allem, was den gesundheitlichen Aspekt angeht, ist ein Vitamin C-Mangel keine berauschende Sache. Am besten also man isst dann Organe wie Leber, trinkt öfters mal Knochenbrühe, verwendet regelmäßig Salz zum Ausgleich des Elektrolyt-Haushalts und supplementiert Magnesium und Potasium. Und wenn man mit Vitamin C ganz sicher gehen möchte, dann zusätzlich noch ein Vitamin C Präparat.

Wenn sich manch einer über VItamin B12 bei einer veganen Ernährung Sorgen macht und meint das klänge unnatürlich oder synthetisch, so klingt die Carnivore Ernährung für mich in diesen Belangen sehr viel kritischer.


Können wir uns die Carnivore Ernährung überhaupt leisten?

Manche argumentieren, dass sich der Mensch vielerorts schon immer Carnivor ernährt habe. Ein gutes Beispiel seien hierfür die Inuit. Denn aufgrund der dortigen orthografischen Gegebenheiten ist es auch kaum möglich sich beispielsweise pflanzenbasiert zu ernähren.

Doch carnivor bei uns?

Es ist kein Geheimnis mehr, dass eine tierproduktlastige Ernährungsweise nicht nur tierethisch, sondern auch ökologisch sehr kritisch ist.
Insofern sehe ich persönlich es so, dass wir uns eine solche Ernährungsweise nicht wirklich leisten können. Zumindest nicht als Trend in unserer Erste-Welt-Gesellschaft.
Ein Inuit wiederum, der kann sich nicht anders ernähren. Wir aber schon. Insofern sind solche Vergleiche aus meiner Sicht auch nicht tragbar. Es sei denn man hat für sich beschlossen ab sofort in die Antarktis auszuwandern, um sich dem ernährungsbedingten Lebensstil anzugleichen. Dann guten Appetit.
Dort ist dann auch die fettige Unterhaut von Walen, auch Maktaaq genannt, eine richtige Vitamin C Bombe, welche zuverlässig vor Skorbut schützt. Doch ob man nun Wahlfang betreiben möchte oder das tierethisch befürwortet ist wieder eine andere Sache.

Alles in allem betrachte ich persönlich die Carnivore Ernährung als einen Trend, den die Welt nicht braucht. Egal ob in Bezug auf Gesundheit, Tierethik oder Umwelt.

Oder wie seht ihr das?

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