© Stefan Scherer
Manchem „Verantwortlichen“ in der Deutschen Fussball-Liga (DFL) sollte man einfach mal erklären, dass ihre Kommentare noch nicht einmal Silber, sondern schlicht und ergreifend Blech sind – und dass sie deswegen etwas tun sollten, was ihrem Horizont am ehesten entspricht: zu Themen, die sie nicht begreifen können oder wollen, einfach den Mund halten!
Ein besonderes Exemplar aus der Fraktion der Quantitätsredner ist der Sportfreund Hans-Joachim Watzke, seines Zeichens Geschäftsführer von Borussia Dortmund – dem Verein, der nach einer Bierbrauerei benannt ist – da könnten durchaus böse Zungen behaupten, den Äusserungen des Geschäftsführers der dortigen Fussballunternehmung merke man dies bis heute an.
Hans-Joachim W. hatte sich ja schon zum Streit um die 50+1-Regel zu Wort gemeldet, und die damaligen Aussagen waren schon von einer erheblichen Unwissenheit geprägt – wobei diese Unwissenheit wahrscheinlich eine vorgespielte war, aber wirklich besser macht es das ja nun auch nicht: Hans-Joachim Watzke: Und nun die nächste Neid- und Leitkulturdiskussion « Rechtsanwaltssozietät Scherer & Körbes.
„Was Hänschen nicht lernt, das lernt Hans nimmermehr“, so will es der Volksmund, und in Bezug auf Watzke fällt einem diese Lebensweisheit spontan ein, denn nun musste er sich schon wieder zu Wort melden, und dabei offenbarte er eine Ignoranz, von der ich erneut nicht so genau weiss, ob ich sie nun beweinen oder belächeln soll.
Wir erinnern uns: der Präsident von Hannover 96, Hörgerätehersteller Martin Kind, der mit vielen anderen Unternehmern der Region Hannover seit 1997 bei unseren Roten aktiv ist, kämpft seit Jahren um die Abschaffung der „50+1″-Klausel, um so langfristige Bindungen zwischen Vereinen der deutschen Profiligen und Unternehmen zu ermöglichen. Dabei waren seine Vorschläge zur Reformierung nie davon geprägt, italienische oder spanische Verhältnisse im deutschen Profifussball zu schaffen, sondern sie zielten immer darauf ab, nur langfristige Beteiligungen der Unternehmen zu ermöglichen.
Dabei unterscheidet sich der durchaus pragmatische norddeutsche Martin Kind offensichtlich vom Mann aus dem Ruhrpott: so wenig, wie in unserem Stadion Lieder erschallen, von denen der gemeine Stadionbesucher noch nicht einmal den Usprung kennt, so kämpft Martin Kind eben auch regelmässig nicht ums Prinzip – auch wenn Hans-J. W. aus D. an der B1 das noch nicht so ganz verstehen will.
Martin Kind geht es nicht darum, den DfB zu reformieren, sondern für seine Verein Hannover 96 bessere Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Und deswegen war die Hauptstossrichtung nicht die vollständige Abschaffung der „50+1″-Klausel, sondern der Wegfall der „Lex Leverkusen und Wolfsburg“; es geht also darum, dass auch andere Vereine, bei denen sich Unternehmen länger als 20 Jahre engagieren, von diesen Unternehmen beherrscht werden dürfen – womit das Monopol von „Bayer“ und dem „VfL Golfsburg“ gebrochen wäre.
Offensichtlich im Gegensatz zu Watzke kann Martin Kind nämlich rechnen: ein Rechtsstreit gegen den DfB vor den Zivilgerichten – notfalls bis vor den EuGH – verschlingt wenigstens noch 5 Jahre – und selbst bei der schlechtesten Rechnung können sich nun diejenigen Unternehmer, die mit ihm seit 1997 bei Hannover 96 im Boot sitzen, dort in 6 Jahren, nämlich 2017, eine wesentlich stärkere Rolle übernehmen als bisher.
Wieso? Am 05.07.2011 legte Martin Kind dem Schiedsgericht des DfB einen Kompromissvorschlag vor: kein Wegfall der „50+1″-Klausel an sich, aber Wegfall der Sonderregel, nach der sich nur Unternehmen beherrschend engagieren können, die schon 20 Jahre vor dem 01.01.1999 in dem jeweiligen Verein engagiert waren.
Als dieser Kompromiss bekannt wurde, regierte der Chef der DfL, Reinhard Rauball (interessanterweise übrigens ein ehemaliger Präsident der Borussia in Dortmund) erleichtert: „Die Abschaffung der ’50-plus-eins’-Regel hätte eine Sprengkraft wie einst das Bosman-Urteil. Nun sind wir aber hoffnungsvoll, dass die ’50-plus-eins’-Regel in ihrer Grundform erhalten bleibt“. „50-plus-eins“-Regel im Fußball: Kind will Kompromiss – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Sport.
Und so kommt es nun also auch: „Die 50+1-Regel“ im deutschen Profifußball bleibt bestehen, die „Lex Leverkusen und Wolfsburg“ wird abgeschafft. Damit können in Zukunft alle Bundesligisten weiter mit Investoren zusammenarbeiten, die seit mehr als 20 Jahren im Verein aktiv sind, so entschied es das DfB-Sportgericht und gab damit dem (neuen) Antrag von Hannover 96 statt. Entscheidung des DFB-Schiedsgerichts: „50+1-Regel“ wird abgeschwächt – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Sport.
Dies wurde natürlich von Martin Kind positiv zur Kenntnis genommen: “Wir begrüßen dieses Urteil, es bestätigt unsere Rechtsauffassung. Hannover 96 hat jetzt langfristig, auf Jahrzehnte, die Chance zu einer perspektivischen Entwicklung und verantwortungsvollen Nutzung seiner Potentiale“, sagte Kind nach dem Urteil. In Hannover kann man nun also prüfen, wie lange welcher potentielle Investor sich dort schon engagiert und dann mit diesen langjährigen Investoren sprechen, wie sie sich in der Übergangsphase bis zum Erreichen der 20-Jahre-Frist einbringen- und wie ihre Stellung bei den Roten nach Ablauf der Frist langfristig angelegt wird. Und spätestens 2017 können sich dann Unternehmen massgeblich einbringen, deren Entscheider zwar vielleicht nicht perfekt alte Bergmannslieder intonieren können, die aber immerhin schon seit 20 Jahren den Roten eng verbunden sind – und damit bewiesen haben, welchen langen Atem sie im Support dieses Traditionsvereins hatten.
So sollten nun eigentlich alle zufrieden sein, und auch der schwarz-gelbe Schlaumeier könnte in sich gehen und still prüfen, wer denn in seiner Aktiengesellschaft schon lange genug dabei ist, um in eine ähnliche Stellung zu rücken – aber Nein, Hansi ist mal wieder ganz vorne: “Herr Kind hat sich selbst ad absurdum geführt. Jahrelang hieß es von ihm, mit der gegenwärtigen Finanzausstattung könne Hannover 96 nicht international spielen. Und jetzt geht das auf einmal doch, weil er mal einen vernünftigen Trainer geholt hat.“ so Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Mit Verlaub, was hat denn der kurzfristige Erfolg unter Trainer Mirko Slomka damit zu tun, wie mittelfristig Vereinspolitik zu betreiben ist? Ein Geschäftsführer einer GmbH & Co. KGaA sollte kurzfristigen und langfristigen Erfolg eigentlich voneinander unterscheiden können. Und deswegen drängt sich der Verdacht auf, dass Watzke wohl eher einem seiner erklärten Intimfeinde, nämlich Martin Kind, persönlich eine verpassen wollte mit seiner Aussage – und dabei nur zu erkennen gab, dass er die eigentlichen Ziele der Kampagne des Präsidenten von Hannover 96 nicht sehen will – oder nicht sehen kann. Und sollte tatsächlich Letzteres gelten, dann sollte man dem Hans das vielleicht noch einmal – in Anspielung auf den Film „Philadelphia“ – so erklären, als „sei er erst drei Jahre alt“.
Martin Kind jedenfalls wird sich derzeit nicht nur über die kurzfristigen Erfolge unserer Mannschaft in der Bundesliga und der Europa League freuen, sondern auch daran, dass Hannover 96 jetzt mittelfristig eine stabile finanzielle Grundlage erhalten kann, um auch zukünftig eine vernünftige Rolle im deutschen und vielleicht sogar europäischen Fussball zu spielen.
Und einige andere Traditionsvereine, denen finanziell das Wasser tatsächlich bis zum Halse steht (was für die Roten ja ausdrücklich nicht gilt, hier ist nämlich solide gewirtschaftet worden), werden insgeheim eine gute Flasche Rotwein (soll unser Präsident bevorzugen) auf den Weg in die niedersächsische Landeshauptstadt bringen, denn auch dort gibt es eine Menge Unternehmen, die schon sehr lange zu „ihrem“ Verein halten – spontan würden mir da Schalke 04 und der „kleine“ HSV (der sich zur Zeit ja in einer äusserst prekären Lage befindet) einfallen.
Und auch die DFL selbst dürfte nicht so ganz böse über diese Entwicklung sein, denn man darf nicht vergessen, dass sich die Unterwanderung der „50+1″-Regel in vollem Gange befindet: oder glaubt irgendjemand ausser dem westfälischen Hänschen (nicht zu verwechseln mit dem rheinischen Henesschen, einem äusserst amüsanten Geissbock), dass es bei Hoffenheim um einen völlig unabhängigen Verein handelt und dass die Buchstaben „RB“ bei Leipzig tatsächlich für „RasenBallSport“ stehen.
Ich jedenfalls nicht – selbst nach einem ausgiebigen Brauereibesuch nicht, und dabei darf das Bier durchaus „Herrenhäuser“ statt“Borussia“ heissen.
Und in diesem Sinne will ich nicht etwa mit „Glück Auf!“ schliessen – das überlasse ich dann mal Herrn Watzke – sondern, wie immer, wenn es um Hannover 96 geht:
„Auf, Ihr Roten, Kämpfen und Siegen!“
Photo: Stefan Scherer