Die Brücke über den Teufelsgraben

Von Jens Furtwängler @stuckinbavaria

Historisches Erbe

Seit Jahrtausenden bauen wir Brücken um geografische Hindernisse zu überwinden, und bereits zur Zeit der Römer wurden die ersten großen Bogenbrücken aus Stein errichtet.
Die Teufelsgrabenbrücke nahe der Gemeinde Valley stammt nicht mehr von den Römern, ist aber nicht minder interessant. Es handelt sich um ein Aquädukt, das bis vor kurzem eine Wasserfernleitung der Stadt München auf seinem hohen Rücken trug. Bis in die 1990er Jahre transportierte es einen Teil des Trinkwassers in die Millionenstadt. Stolz thront der steinerne Riese noch heute hoch über dem Teufelsgraben, eingebettet in dichten Laubwald.

Der Monolith im Wald

Es ist heiß an diesem Nachmittag. Gleißend strahlt die Sonne aus einem blauen Himmel und treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Eine warme Brise, geschwängert mit der herrlichen Duftmelange blühender Flora, schmeichelt meiner Nase. Im Einklang mit der Welt spaziere ich auf dem Schotterweg dahin, immer begleitet vom beständigen Summen, geschäftiger Insekten. Zu meiner Linken windet sich ein gurgelndes Bächlein zwischen moosigen Steinen und mündet in schattige Tümpel unter alten Bäumen.

Ist es Nessi? Nein, nur Astwerk in einem verwunschenen Tümpel des Teufelsgrabens.

Allmählich werden die Bäume zahlreicher und höher, das Blattwerk dichter. Die kühle Waldluft bringt angenehme Erfrischung und nach einer Weile bemerke ich plötzlich Details die nicht ins Naturbild passen. Gerade Betonkanten schneiden ins buschige Grün des Laubes. Weit über mir sehe ich ein Stück vom Bogen zwischen ausladenden Ästen. Als ich näher komme schält sich immer mehr grauer Beton aus dem Grün und plötzlich stehe ich vor einem der gewaltigen Pfeiler, erfasse erst jetzt die enorme Größe dieses Bauwerks. Ist das die Brücke die ich von Fotos aus dem Internet kenne?

Mit gut 19 Metern ragt die Brücke in die Höhe. Jeder der vier Bögen hat eine Spannweite von 14 Metern.
In ihrer Gesamtheit ist sie 91 Meter lang und 2,8 Meter breit.

Diese Ausmaße habe ich nicht erwartet. Augenblicklich zücke ich meine Kamera um diese Imposante Erscheinung festzuhalten. Als ich durch den Sucher blicke und den Auslöser drücke, erscheint vor meinem geistigen Auge ein zweiter gigantischer Bau auf zeitlicher Ebene. Der Gedanke, dass nicht nur geographische Punkte, sondern auch immer Gegenwart und Vergangenheit durch eine Brücke verbunden werden gefällt mir. Während mich der Weg über meine Zeitbrücke zurück in ihr Baujahr 1890 führt, beobachte ich, wie sich die Welt um das Bauwerk herum im Laufe der vielen Jahrzehnte wandelt. Gerade einmal vier Jahre ist es her, dass uns König Ludwig II. verließ um sein nasses Grab aufzusuchen. Die Ära Kaiser Wilhelms II. hat gerade erst begonnen und sollte bis zum ersten Weltkrieg andauern. Es läuft mir kalt den Rücken runter, zu sehen, welch wichtige historische Ereignisse, politische Erschütterungen und selbst die Hölle von zwei Weltkriegen, die Brücke nicht zu beeindrucken vermochten. Wie viele Besucher, Wanderer und Erbauer ließ der stille Gigant im Laufe der Zeit zwischen seinen Beinen wuseln wie Ameisen? Den Wald beherrschend, steht er auf jenen großen, stabilen Beinen wie schon zu seiner Erbauung vor 125 Jahren und geriet bis heute nicht ins Wanken.
Ich kehre wieder zurück ins Jahr 2015, berauscht von meiner Zeitreise und glücklich darüber, dass immer noch viele Zeugen wie dieser unserer vielfältigen deutschen Geschichte Leben verleihen und uns mit dieser völlig anderen Zeit verbinden.
Der 1890 erbaute Koloss wurde aus nicht armiertem Beton gefertigt, wofür der benötigte Kies gleich aus der nahe fliesenden Mangfall gewonnen wurde. Im Laufe der Jahrzehnte hat die Zeit allerdings ihre Spuren hinterlasssen. Es sind deutliche Wetterschäden entstanden und so wurde der Durchgang unter einem der Bögen mit Baugerüsten abgeschirmt, da immer wieder Betonstücke herabfallen und Wanderer gefährden können.

Ungewisse Zukunft: schon 2010 bemühten sich die Stadtwerke München, der Brücke den Denkmalstatus entziehen zu lassen. Doch gegen den aus Kostengründen drohenden Abriss formierte sich massiver Widerstand. Seitdem ist die Brücke mal mehr, mal weniger eingerüstet, umzäunt und verschalt; die SWM bemühen sich angeblich darum, das Bauwerk „kostenschonend zu erhalten“.

Abgerissen wird die Bogenbrücke aber nicht. Sie steht unter Denkmalschutz, denn sie ist eine Rarität und hat in Deutschland nur wenige Konkurrenten.
Ein historischer Schatz, der uns hoffentlich noch lange erhalten bleibt.


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