Familien kommen in allen möglichen Formen und Verpackungen, das beweisen Die Boxtrolls anschaulich. Sich eine neue Verwandtschaft zu wünschen, wird aber trotzdem nichts nützen.
Das beschauliche viktorianische Städtchen Cheesebridge hat es durch den namensspendenen Käse zu Wohlstand gebracht, doch die Einwohner leben nachts in Furcht und Schrecken. Dann ziehen nämlich die käse- und kinderstehlenden Boxtrolls durch die Gassen. Bei den mit Pappkartons bekleideten Trollen handelt es sich zwar in Wirklichkeit bloß um kleine, harmlose Dumpster Diver, die niemandem etwas zu Leide tun und sogar den kleinen ausgesetzten Menschenjungen Eggs liebevoll aufziehen. Doch jede Idylle braucht ihr Feindbild und so wird gnadenlos auf die mit Pappkartons bekleideten Trolle Jagd gemacht, bis Eggs sich schließlich gegen die menschliche Verfolgung zur Wehr setzt.
Detailverliebte Animation und skurrile Charaktere vermischen sich im Stop-Motion-Abenteuer Die Boxtrolls zu einem bunten Film für die ganze Familie, der nicht zuletzt im Hinblick auf seine Kulisse eine schön altmodische, viktorianisch-angestaubte Atmosphäre verbreitet. Deutlich ist die Handschrift der Filmemacher wiederzuerkennen, die schon für Coraline und Paranorman verantwortlich zeichneten, und das nicht nur in produktionstechnischer und visueller Hinsicht. Auch hier wird wieder ein Familienmodell präsentiert, das von der vermeintlichen Norm abweicht, während traditionelle Verhaltensmuster und Gesellschaftsnormen als dysfunktional entlarvt werden. Wiederum ist die Heldenfigur ein Außenseiter, der zwischen zwei Welten steht, nirgendwo richtig dazugehört und sich schlussendlich für den richtigen Weg entscheidet, indem er einen eigenen wählt.
Im Vergleich zu seinen Vorgängern ist Die Boxtrolls allerdings weniger düster und leider auch atmosphärisch und erzählerisch weniger dicht geraten. Die Geschichte rund um den ausgesetzten Jungen, der bei den freundlichen Trollen im Untergrund aufwächst und erst in der Präpupertät das Licht der menschlichen Welt erblickt, ist so neu nun nicht und wird auch recht konventionell auf die Leinwand gebracht. Der Film strotzt zwar vor liebenswert-skurrilen Charakteren, den eigentlichen Stars, den Boxtrolls, wird aber zu wenig Platz eingeräumt, während die versnobbte viktorianische Gesellschaft als Kontrapunkt eher in den Fokus gerät.
Bis zuletzt schafft es die Geschichte leider nicht so richtig, an Fahrt aufzunehmen – weder story- noch effekttechnisch – und echte Hightlights und Wiedererkennungswerte bleiben ebenso aus wie das Minions-Potenzial der Boxtrolls unausgeschöpft bleibt. Trotzdem ist Die Boxtrolls ein mit viel Liebe gemachter Familienfilm, der das Außenseitertum hochhält und mit einigen netten Ideen und einfallsreichen Figuren zu unterhalten weiß.
Regie: Graham Annable, Anthony Stacchi, Drehbuch: Irena Brignull, Adam Pava
Sprecher (Original): Ben Kingsley, Jared Harris, Nick Frost, Isaac Hempstead Wright, Elle Fanning
Laufzeit: 96 Minuten, Kinostart: 23.10.2014, upig.de/micro/die-boxtrolls.html