Es war einmal ein Mann namens Mbui Ndongo, der hatte drei Töchter. Aber eine von ihnen, Nsongon-Mbui mit Namen, liebte er besonders. Wenn er etwas gekauft hatte, gab er es stets ihr. Sie war auch wirklich sehr schön, und viele junge Männer kamen zu ihr. Der Vater zog diese Tochter also vor, und so beschlossen die beiden anderen, Nsongon zu töten. Sie erzählten ihr eines Tages, sie wollten zu dritt in den Sumpf gehen, um Larven vom Palmbohrer zu suchen. Das taten sie auch. Sie gingen weit in den großen Sumpf und begannen dann alle nach Larven zu suchen. Die anderen beiden Schwestern aber entfernten sich allmählich von Nsongon, trafen sich am Rande des Sumpfes und liefen rasch zurück, denn sie hatten sich den Weg gut eingeprägt. Als sie zu Hause ankamen, fragte die Mutter nach Nsongon, die beiden behaupteten aber, sie wüssten nicht, wo sie geblieben wäre.
Als Nsongon merkte, dass die Schwestern fort waren und auch auf ihr Rufen nicht kamen, wurde sie ängstlich und fing an zu laufen. In ihrer Angst verfehlte sie aber den Weg, geriet immer weiter in den Wald und verirrte sich schließlich ganz. Unterdessen schickten ihre Eltern Leute aus, um sie zu suchen. Vater und Mutter waren untröstlich und hofften jeden Tag, ihre verschwundene Tochter würde zurückkommen. Aber sie kam nicht, ein halbes Jahr lang nicht, und immer noch hofften die Eltern, sie käme wieder zurück. Schließlich begannen sie doch zu glauben, Nsongon sei tot, und die beiden Schwestern bestärkten sie nach besten Kräften in diesem Glauben. Um diese Zeit ging zufällig ein Mann namens Küi, der im Dienst der Familie des Mbui Ndongo war, in den Wald, um Honig zu suchen, und geriet in die Gegend, wo das Mädchen sich aufhielt, Nsongon war nämlich gar nicht gestorben, sondern hatte sich im Wald kümmerlich von Früchten und Blättern ernährt, wobei sie allerdings schrecklich abgemagert war. Als Küi auf Honigsuche ging, war das Mädchen eben auf einen Fruchtbaum geklettert, von wo aus es nun hörte, wie Küi mit der Axt an einen Baum schlug, in dem er Honig wusste. Da sang es:
"O Küi, der du bei meinem Vater gesessen hast und bei meiner Mutter,
sage meinem Vater und meiner Mutter:
Hier stirbt die schöne Nsongon-Mbui."
Küi hörte das, ließ erstaunt von dem Baum ab und versuchte zu entdecken, woher der Gesang kam. Er rief: "Wer ist da?" Da sang das Mädchen wieder. Aber jeder weiß ja, wie schwer es ist, jemanden ausfindig zu machen, der in einem Baum sitzt. Er konnte das Mädchen nicht sehen, obwohl er sich ganz in der Nähe des Fruchtbaumes befand. Da fragte er wieder, und das Mädchen antwortete wie vorher. Und da sah er Nsongon abgemagert im Baum sitzen und von den kümmerlichen Früchten essen. Wie groß war nun die Wiedersehensfreude! Küi nahm das Mädchen mit ins Dorf, führte es aber heimlich von hinten in ein Haus und benachrichtigte Vater und Mutter. Die waren voller Freude. Sie ließen es sich aber nicht anmerken, sondern kündeten im Dorf das Totenfest für Nsongon an. Als die beiden bösen Schwestern davon hörten, waren sie hoch erfreut, dass sich die Eltern endlich mit dem Tod der Schwester abgefunden hatten, und begannen, sich am anderen Tag mächtig zu schmücken und mit Rotholzfarbe einzureiben.
So kamen nun die Leute zur Vorfeier. Die Schwestern wunderten sich, dass die Eltern gar nicht traurig gestimmt waren, sondern lachten und scherzten. Heimlich hatten die Eltern aber die wieder gefundene Tochter schön geschmückt, und den Mann, der die Helmfrisur zu machen verstand, für sie kommen lassen. Sie hatten ihr auch tüchtig zu essen gegeben, so dass man sie gar nicht wieder erkannte, wenn man sie bei ihrer Ankunft gesehen hatte. Als der Tanz in vollem Gange war, und die beiden Schwestern sich in bester Stimmung befanden, weil sie die Blicke der jungen Männer auf sich zogen, denn sie waren geschmückt und mit Rotholz eingerieben, da führten die Eltern plötzlich die tot geglaubte aus dem Haus und zeigten sie allen Leuten. Die begrüßten jubelnd die Schöne. Alle Verehrer des Mädchens kamen in ihr Haus, um sie zu sehen und ihr zuzuhören. Nur die beiden bösen Schwestern blieben allein und ärgerten sich furchtbar.