Nach den Explosionen im Konfetti des Goldregens auf den fleischigen Rücken der Frauen aus "Goldfinger" kontrastiert Maurice Binder einmal mehr die Ästhetik des weiblichen Körpers im Vorspann mit der Ästhetik der assoziativen Ungegenständlichkeit: Sie schwimmen da grazil durchs Wasser, die femininen, die formvollendeten Körper, und Binder unterlegt diese jungfräulichen Bewegungen in beißend-bunte, abstrakte Farbflächen. Das Grundthema scheint schnell vorgegeben – Bond im Wasser, auf dem Wasser, unter Wasser. "Feuerball", Connerys vierte Mission, führt ihn zugleich zur Nummer zwei des "Phantoms" (Augenklappe, aber durchaus etwas Standard: Adolfo Celi). Obschon sich der Film einer ausgefeilten Choreographie in den (Hai-)Meeresschlachten bemächtigt, wirkt er nur manchmal so unbeschwert wie dessen Weltlichkeit, in der das Sadistische neben dem Entspannenden Schulter an Schulter atmet. "Feuerball" präsentiert sich als ebenso träge wie gedehnt, schnuppert selbstverliebt am Bootssport (ein flottes Adam-Tragflächenboot) und feilscht um einen gehetzten Schnitt, der die stotternden Geschwindigkeitsbeschleunigungen unansehnlich betont. Immerhin enthüllt sich Blofeld auf einer kultigen Konferenz ein bisschen mehr, ein Todestanz mit der Femme fatale (lodernd: Luciana Paluzzi) mutiert zur ekstatischen Schnittmontage und Bond hat eine blubbernde Unterwasserliebesszene zu meistern. Ein nicht gänzlich unverletzbarer Bond, der – man staune! – angeschossen wird, bevor ihn seine Dame (zwei Leberflecke an den Beinen: Claudine Auger) das Leben rettet.
Der Film ist fernöstlich und daher exotisch, er ist linientreu und daher direkt im Ermitteln, ohne um den Globus zu jagen, er ist vor allem eine feudale Kulissenarchitektur von des Meisters Hand, Ken Adam. Egal ob es sich dabei um eine unterirdische Lobby mitsamt eigener U-Bahnlinie oder eine als Vulkan getarnte Raketenabschussbasis mit künstlicher Wassermetallschicht handelt – Adam entwarf bedrückend-dichtes, dann wieder weitflächig-räumliches Hintergrundmaterial, das aufgrund seines Unbeirrbarkeitscharakters die Figuren ebenso verschluckt wie verschleiert.
Ehe die vergleichsweise popelige Pre-Title-Sequenz Bond vermeintlich sterben lässt (Cliffhanger!) und Nancy Sinatra schmettert (ein knackiger Song!), deutet einiges darauf hin, dass Gilbert unbewusst Motive der etablierten Bond-Formel enteignet, die er in weiteren Filmen nach "Man lebt nur zweimal" anders, weil kalkulierter, gleichwohl in dramaturgisch verwandter Konstellation benutzt. Das Science-Fiction-Element avanciert im späteren "Moonraker" zum Mittelpunkt, die Klimax einer ausgelassenen Materialschlacht im Hauptquartier des Antagonisten wird hingegen vorweggegriffen ("Der Spion, der mich liebte"), und dass Bond den Dritten Weltkrieg verhindern muss, wenn er den universellen Konflikt angefressener Amerikaner, Russen und Briten schlichtet – kein Thema.
Kinderbuchautor Roald Dahl ist wahrlich kein erfahrener Bond-Autor, was die Qualität seiner künstlerischen Freiheit gegenüber der Fleming-Vorlage erklärt. Dahls Änderungen waren gezwungenermaßen nötig, dem schnöden Fleming-Reiseabenteuer spannende Sentenzen abzuluchsen, nichtsdestotrotz gleicht das Drehbuch vielmehr einem Flickwerk an Ungereimtheit (Blofelds unbeirrbarer Plan – ein Stück Maximalaufwand gegen Minimalziel), frecher Laufzeitverlängerung (warum muss Bond unbedingt als Ninja ausgebildet werden, wenn er doch sowieso nur einen Wurfstern abfeuert?) und über Bord geschmissenen Möglichkeiten (langweilige Japanerinnen, aber sexy Akiko Wakabayashi im Bikini, während ihr Slip immer weiter runterrutscht).
Der Bond-Grammatik kommt es demnach entgegen, dass deren wichtigste Modifikationen aus Subjekt und Verb nicht zum ersten Mal über den Gesamttext hinweg zu kaschieren wissen, was sich darin spiegelt, dass: "Little Nellie" flattert, Barry treibend musiziert (in der Luftverfolgung), hungrige Piranhas Karin Dor futtern (köstlich!), Karin Dor ihre wohlgeformten Finger zeigt, Karin Dor überhaupt Karin Dor ist, Blofelds karikatureskes Schnitzelgesicht offenbart (diabolisch: Donald Pleasence), Bond vermöbelt wird (der Kampf im Industriekomplex). Und aus einer Zyankali-Zigarette schließlich eine resultiert, die dem Raucher gesundheitlich zwar nicht schadet, dafür aber dem nächstgelegenen Passivraucher noch viel, viel mehr. Viel mehr.
Gesamtwertungen: 5 | 10 6 | 10 8 | 10