Man wirft Managern und Konzernleitern ja gerne vor, dass sie weltfremd seien. Sie wüssten nicht, wie es unten an der Basis zugehe. Sie wüssten nichts von Armut und gesellschaftlichen Problemen. Oder wollten es nicht wissen. Nur in ihrem Mikrokosmos seien sie Herr ihrer Sinne. Aber auch das ist in den meisten Fällen falsch. Martin Winterkorn kann da nun als Beispiel herhalten. Weil es opportun war, einfach mal eine Reduktion der CO2-Werte bei diversen Volkswagen-Modellen in Aussicht zu stellen, hat er es eben getan. Von den technischen (Un-)Möglichkeiten wusste er nichts. Das ist ja auch nicht seine Baustelle. »Wir schaffen das!« ist eine tolle Devise. Die Bob-der-Baumeister-Parole, die man immer dann hört, wenn Geschäftsleitungen und Staatsführungen über die Köpfe derer, die es dann ausbaden müssen, einfach mal für Stimmung sorgen. Das ist die Aufmunterungsstrategie aus Esoterik-Zirkeln. »Glaubt an euch!«, »Gemeinsam packen wir es!«, »Et hätt noch emmer joot jejange!« Sätze ohne Konkreta eben. Wir schaffen es aber eben nicht, wenn man den Kommunen und Ländern nicht genügend Gelder für die Flüchtlingsversorgung genehmigt. Und wir drosseln den Ausstoß eben nicht einfach mal um 30 Prozent, nur weil es jemanden aus dem Führungspersonal gerade passt und weil er sich in solchen Aussagen im Greenwashing seines Unternehmens sonnen will.
Am Ende steht der Druck. Für die, die sich anhören müssen, dass es geschafft werden muss. Die müssen es eben packen. Das hat was Stalinistisches, hat was von der Erhöhung der Arbeitsnormen. Wie man die Mehrarbeit, dieses Immer-mehr-und-noch-mehr verwirklicht, keine Ahnung. Da waschen die Parolenschwinger ihre Hände in Unschuld. Sie geben nur Losungen aus. Macht ihr mal. Ihr werdet schon einen Weg finden. Wer lange genug unter Druck gesetzt wurde, der findet immer Mittel und Wege.
Beruhen die ohnehin eher zögerlichen Beschlüsse der vielen Klimagipfel eigentlich auf wirkliche Bereitschaft oder sind das auch nur solche Parolen? Das ist es doch, was wir uns nach der VW-Geschichte fragen sollten. Wenn es einem großen Konzern nicht gelingt, seine Ausstöße zu reduzieren, wie will man dann die ganze Weltwirtschaft bekömmlicher für das Weltklima machen? Sind die Weltkonzerne, also diese finziell mächtigen Kettenglieder der Weltwirtschaft, überhaupt wendig genug, eine Wende hinzukriegen? Oder braucht es dann nicht zwangsläufig Fake-Programme, um eine erhöhte Umweltverträglichkeit vorzugaukeln? Tut man nicht wenigstens so als ob, um sich moralisch schadlos zu halten, um vor Shitstorms und Boykotten geschützt zu werden?
Naomi Klein behauptet in ihrem letzten Buch »Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima«, dass innerhalb der gegebenen ökonomischen Prämissen, dem unregulierten Markt also, kein Wandel gelingen kann. Das Ideal des freien Marktes sei außerdem so präsent in Wirtschaft, Politik und Medien, dass ein ökonomischer Schwenk hin zu einem gezielten Ökologismus, der Ressourcen eben nicht wild ausbeutet, sondern mit ihnen verantwortungsvoll umgeht, überhaupt nicht denkbar ist. Ein solcher Wandel würde die herrschenden Eliten gefährden. Also gäbe es Greenwashing, ein Blendwerk, das mal mehr mal weniger mit dem grünen Gedanken kokettiert. Und genügend Vertreter der Eliten, die dieses Konzept in der Öffentlichkeit hochhalten, während global gesehen weiterhin die Perversität eines entfesselten Wettbewerbs eigentlich gar keinen Spielraum lässt, um sich um Nebensächlichkeiten wie den Zustand unserer Erde zu kümmern.
In den Zeitungen liest man jetzt viel über den inneren Zustand von Volkswagen. Aber der äußere Umstand, der diesen Betrug erzeugte, ist eher ein rares Thema. Und wie es um den Klimaschutz steht, ob die Forderungen in dieser Wirtschaft überhaupt umsetzbar sind, fragt sich nach der Affäre auch kaum ein Medium. Für die Mehrzahl der Medien gilt auch Bob, der Baumeister. Wir schaffen das. Eine Affäre ist doch nur eine Affäre. Ein bedauerlicher Einzelfall. Das Versagen von einigen Ingenieuren und von Winterkorn. Wir schaffen das. Wenn wir die faulen Äpfel aussortiert haben. Dann volle Kraft voraus. Die Klimakanzlerin wird demnächst wieder sagen, dass wir es schaffen. Ob das dann stimmt, ist nicht mehr ihr Problem.
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