Die Bildungsreform oder: weniger Geld und zu wenig Lehrer

Die große Bildungsreform, alle Lehrer heißen jetzt Professoren und werden gleich ausgebildet, vor allem die Junglehrer verdienen mehr Geld – nur die Betonierer der Lehrergewerkschaft sind dagegen: “Bildungspower statt Neugebauer”. Und die denken sogar noch an Streiks. Wie kann man nur so stur und undankbar sein? – Das ist der Mainstream der Berichterstattung, der an Naivität oder erkaufter Blindheit nicht überboten werden kann. Wie wäre es, liebe Regierung, liebe Parteien und liebe Medien, mit der ganzen Wahrheit? Ich versuche einmal nachzuhelfen:

  • Die Hälfte der Lehrer geht 2010-2020 in Pension. Ein HTL-Direktor muss z.B. nächstes Jahr 50 seiner 150 Lehrer ersetzen. Das Lehrerbild wurde in der Öffentlichkeit so beschädigt (“Frontalunterricht”,…), dass nicht nur die Schüler eine falsche Einstellung zur Bildung haben (Bildung als Zwang statt als geschichtlich errungenes Privileg), sondern die Junglehrer fehlen.
  • Um dieses Lehrerdefizit zu beheben, ist es logisch, die Ausbildungszeit zu verkürzen, damit Lehrer schneller ausgebildet sind. Daher die einheitliche Ausbildung. Warum ein AHS-Lehrer jetzt besser unterrichten sollte, wenn er statt 9 Semester nur mehr 6 Semester studiert, ist nicht verständlich.
  • Um dieses Lehrerdefizit zu beheben, ist es logisch, Quereinsteiger zu holen. Das habe ich selbst an meiner Schule wiederholt erlebt. Und die Bilanz ist eindeutig negativ. Zum Teil agieren diese Quereinsteiger wie überforderte Söldner, die auf billig verdientes Geld mit langem Urlaub gehofft hatten und stattdessen mit der herausfordernden Lehrertätigkeit überfordert sind. Da hilft das Doktorat im Fach nicht, wenn das besondere Charisma, mit jungen Menschen zu arbeiten und zu ringen, fehlt. Diese Quereinsteiger erhalten keine Unterstützung, keinen anderen Lehrer als Mentor. Eine Minderheit der Quereinsteiger ist geeignet, weil auch ohne pädagogische Ausbildung talentiert, aber warum müssen Schüler ein oder zwei Semester unter solchen Lehrern leiden?
  • Um dieses Lehrerdefizit zu beheben, sollen Lehrer mehr Stunden unterrichten. Wenn ein AHS-Lehrer statt 20 nun 24 Stunden unterrichten soll, dann hat die Regierung mit einem Schlag 20% mehr Lehrer. Je mehr Stunden ich in der Klasse stehe, umso weniger Stunden habe ich für Vor- und Nachbereitung der Stunden. Dadurch wird mein Unterricht nicht besser, sondern ich werde die Stunden halten, die die geringste Vorbereitungszeit haben, weil sie mehr nicht ausgeht. Wieso das eine großartige Bildungsreform sein soll, weiß ich nicht. Dazu kommen noch schwammige Regelungen für den unbezahlten Einsatz in der Nachmittagsbetreuung.
  • Um dieses Lehrerdefizit zu beheben, soll mit besseren Einstiegsgehältern geworben werden. Dafür steigt die Gehaltskurve nicht so stark an. Abgesehen von der Kürzung der damit einhergehenden Kürzung der Lehrerpensionen, die meiner Meinung nach sogar vertretbar ist, wenn dafür Junglehrer mehr Geld haben, ist die Gehaltskurvenänderung ein verstecktes Sparpaket. Denn ein Junglehrer verdient über sein Erwerbsleben gesehen nach dem neuen Entwurf weniger. Das Modell der Gewerkschaft, bei dem die Lehrer gleich viel verdienen, in jungen Jahren allerdings mehr, in späteren Jahren weniger, wurde von der Regierung als zu teuer abgelehnt.
  • Ein kleiner Tipp für das kritische Lesen von Graphiken zu den Lehrergehältern: Hier werden Äpfel (20 Stunden Unterricht jetzt) mit Birnen (24 Stunden Unterricht lt. Entwurf) verglichen. Wenn schon Vergleiche, dann Birnen (24 Stunden Unterricht jetzt) mit Birnen (24 Stunden Unterricht lt. Entwurf).
  • Die Lehrer sollen von 8-16 Uhr in der Schule sein. Dann wäre es an der Zeit, dass Lehrer menschenwürdige Arbeitsbedingungen haben (jeder Lehrer sollte z.B. einen Sitzplatz und einen Schreibtisch haben, was zur Zeit nicht der Fall ist). Dazu müssten aber die Schulen umgebaut und mit der entsprechenden technischen Ausrüstung ausgestattet werden. Das kostet aber Geld, das bekanntlich fehlt.
  • Ein weiteres Indiz, dass das neue Lehrerdienstrecht nur ein Personalmangel- und Geldmangelbehebungspaket ist, liefert Christoph Leitl, dem ich voll zustimme: Wohin soll die Bildung überhaupt gehen? Erst wenn ich die Bildungsziele kenne, kann ich ein passendes Lehrerdienstrecht dafür entwerfen.

Fassen wir zusammen:

  1. Die Regierung hat weniger Geld zur Verfügung.
  2. Es fehlen Lehrer.
  3. Daher sollen Lehrer länger arbeiten und weniger verdienen.
  4. Daraus folgert die Regierung, dass das eine große Bildungsreform ist. Ich nicht. Die Lehrergewerkschaft auch nicht.

 


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