Die Biber in Brannenburg (Teil 1)

Von Jens Furtwängler @stuckinbavaria
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Zum Frühjahrsbeginn am 21. März, noch unter dem Eindruck der partiellen Sonnenfinsternis, verabreden sich der Sedlbauer Done und ich uns Nachmittags zum Spaziergang über ein weithin unbekanntes Naturdenkmal.

Wie ein schlafender Bergriese aus dem nahen Wendelsteinmassiv liegt die Biber inmitten des beschaulichen Brannenburg. Was kaum jemand weiß: mit einer Fläche von 0,24 Qudratkilometern ist die Gesteinsinsel, die sich in der Ebene des Inntals erhebt, Bayerns größtes Naturdenkmal.

Das Massiv entstand während der letzten Eiszeit und besteht aus Konglomerat, das in unseren Breitengraden eher als Nagelfluh bekannt ist. Der Geologe definiert Konglomerat (vom lat. conglomerare, „zusammenballen“) als Verbindung aus grobkörnigem Kies und Geröll, das durch feinen Sand gekittet ist. Ein Prinzip, das unsere Vorfahren zur Erfindung des Beton inspirierte. Nicht umsonst nennt man den Nagelfluh im Volksmund auch „Herrgottsbeton“.

Der „Biberstein“ ist ein Baustoff der Kontraste. Beim Errichten von Bauernhöfen im Inntal und Chiemgau fand der natürliche Massivstein ebenso Verwendung wie bei Monumentalbauten in den Metropolen des Landes. Genannt seien hier exemplarisch der Glockenturm am Olympiastadion in Berlin, der anlässlich der berüchtigten Sommerspiele 1936 erbaut wurde, und das Portal der Ludwig-Maximilians-Universität in der Münchener Amalienstraße.

Bis zu 25 Meter erhebt sich die Biber über den Talboden.

Nach den Materialschweinereien der Nachkriegszeit – Stichwort Asbest – ist Nagelfluh wieder en vogue geworden. Back to the roots gewissermaßen. Für Nachschub sorgen an der Biber noch heute drei Steinbrüche, ihre Steilwände erreichen Höhen von bis zu 50 Metern. Ein imposantes Höhenprofil, vor allem wenn man bedenkt, dass sich die Biber nur maximal 25 Meter über den Talboden erhebt. Aber vom Maulwurf lernen heißt siegen lernen, und so arbeiteten sich die Sprengmeister auch in den Untergrund vor.

Von oben betrachtet, wirkt die Biber ganz schön angefressen. Mit dem gleichnamigen Nager hat sie aber nichts zu tun: die Wortherkunft ist unbekannt.

Mit der Biber ist es wie mit vielen – im Auge des Betrachters – schönen, aber nicht montanen oder gar alpinen Orten unserer Voralpenregion: sie verblassen schlichtweg im Schatten der nahen Berge und bleiben „Geheimtipp“ für Eingeweihte. Wer allerdings schon die Belagerung touristischer HotSpots wie dem Simsee oder einschlägiger bekannter Berggipfel durch Horden aus der Metropolregion München überleben erleben durfte, ist dankbar für diese verhältnismäßigen Oasen der Ruhe.

Von Dones Wohnort in der Madau, Bad Aiblings ehemaligem Glasscherbenviertel, währt die Fahrt an den Eingang des Inntals keine halbe Stunde. Mit dem Föhn-O-Mobil belegen wir frech einen Stellplatz gegenüber dem Posthotel in der Sudelfeldstraße.

Durch oberbayerisches Postkartenidyll mit Bächlein und Bergkulisse schlendern wir in Richtung des schattigen Etwas, das sich inmitten des Ortskerns von Brannenburg erhebt.
Neben einigen älteren Häusern, die sich an die waldigen Hänge der Biber drängen, entdecken wir auch zwei neue Gebäude auf ihr. Die Bauten, die man mit Fug und Recht als Anwesen bezeichnen kann, wurden in gerodeten Schneisen errichtet und lassen bei entsprechender Vegetation einen großartigen Blick ins Wendelsteingebiet zu. Die Herrschaften mit dem nötigen Kleingeld bleiben naturgemäß lieber unter sich, und so verwehrt uns das Schild Privatstraße unterhalb der Neubauten fürs Erste den Zugang zur Biber. Stattdessen biegen wir links ab in die Dapferstrasse und passieren die Metzgerei Kürmeier, bis zu einem steilen Forstweg, den zwei Halbstarke auf Mountainbikes zum Downhill missbrauchen; wohlgemerkt ohne Helm und mit dürftiger Radbeherrschung. Um Haaresbreite brettern uns die Kamikazes über den Haufen. Unbeeindruckt lassen wir die verhinderten Nachwuchs-Knochenbrecher hinter uns und folgen dem ansteigenden Wirtschaftsweg.

Der Weg führt am Rande eines Steinbruchs vorbei, mit guter Sicht auf den Petersberg.

Durch einen beliebigen deutschen Mischwald erreichen wir nach einigen Minuten ein circa vier Meter hohes Gebäude. Die hochliegenden, vergitterten Fenster betonen das industrielle Erscheinungsbild.
Der Bau wirkt hier merkwürdig deplatziert; in einem Anfall von Verfolgungswahn umgehen wir ihn getrennt. Doch törichte Spekulationen über eine oberbayerische „Area 52“ oder einen Bunker voller Wunderwaffen der Nazis weichen der Erkenntnis, dass es sich wohl um einen kommunalen Zweckbau handelt.

X-beliebiger deutscher Mischwald.

Hinter dem ominösen Gebäude wendet sich der Weg gen Süden. Ein wildromantischer Steig führt, von Bänken gesäumt, über den Westrand des Massivs.
Die noch spärliche Vegetation gibt den Blick auf Brannenburg und die umliegenden Berge frei. Dächer und Fenster glitzern in der tiefen Frühjahrssonne. Neben dem Gezwitscher der gefiederten Höhenbewohner dringt nur der vertraute Klang der Zivilisation zu uns hinauf. Bei schönstem Frühlingswetter und zu bester Feierabendzeit am Freitagnachmittag begegnete uns hier oben bisher noch keine Menschenseele.

Teil 2 wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Danke für Eure Geduld!