Die Bernauerin – Marcus Everding

Andechs ist seit Jahren DIE Adresse für Fans des Komponisten Carl Orff und so musste auch ich einmal in den kleinen Klosterort fahren. Dort wurde ein ehemaliger Stall in ein modernes Theater umgebaut, auf dessen Bühne jedes Jahr dem großen Komponisten gehuldigt wird.
„Die Bernauerin“ wurde im Jahr 1947 uraufgeführt und erzählt die Geschichte der Baderstochter Agnes Bernauer, die den jungen Herzog Albrecht III. kennen, der sich in sie verliebt und sie gegen den Willen seines Vaters zur Frau nimmt. Dieser lässt Agnes als Hexe ausrufen und in der Donau ertränken.
Im Mittelpunkt des Stücks steht natürlich die Musik Orffs, ein großer Chor steht den sprechenden Darstellern gegenüber, ähnlich einer antiken Tragödie. Zwischen den imposanten Chor- und Orchestersätzen sieht man immer nur kleine Ausschnitte aus dem Leben von Albrecht und Agnes, Gesprächen von Bürgern oder Monologen von Außenstehenden. Der Tod Agnes’ wird nicht gezeigt, vielmehr erzählen fünf Hexen, wie sie in die Donau gestoßen wird und ertrinkt. So ist es vielmehr ein Konzert mit szenischen Einlagen.
Die Sprache des Stücks ist selbst für Ur-Bayern wie mich anfangs schwer zu verstehen. Orff hat für sein Libretto recherchiert und versucht, das mittelalterliche Bayrisch zu rekonstruieren. Jedoch kommt man nach einiger Zeit rein und kann die Schönheit der Sprache genießen. Die rhythmische Form der Texte und die Wertlegung auf die Sprache erinnern irgendwie an Shakespeare.
Während der Chor eher weniger agiert auf der Bühne, sind die Darsteller durchgehend sehr gut ausgewählt. Agnes und Albrecht werden von den jungen Schauspielern Katharina Kram und Florian Fisch verkörpert, die die Rollen bereits 2009 in Andechs spielten. Wunderschön ist die Szene, in der sich die beiden Protagonisten in der Badestube kennen lernen. Sie versucht sich mit dem jungen Herzog zu unterhalten und er steht nur sprachlos da und starrt die schöne Baderstochter einfach nur verliebt an. Kram ist eine Idealbesetzung für Agnes, sie kann die Szenen, in der sie angstvoll ihrer Zukunft entgegenblickt so spielen, dass ich als Zuschauerin einen Kloß im Hals hatte. Während Albrecht alias Florian Fisch stückbedingt anfangs eher im Hintergrund steht und sich reserviert verhält ist seine letzte Szene, in der er vom Tod seiner Frau erfährt und einen brutalen Rachefeldzug gegen seinen Vater plant und München niederbrennen will umso beeindruckender.
Ebenfalls beeindruckend war die Szene, in der ein Mönch im Auftrag des Herzogs Ernst Agnes als Hexe ausruft und das Volk gegen sie aufhetzt. Zwei Bürger erkennen den Komplott gegen die „Duchessa“, können sich aber nicht dem Geistlichen entgegenstellen.
Das Bühnenbild besteht aus einem langen Holzkasten, der in jeder Szene eine andere Funktion hat. Entweder als Badezuber, als Bett oder als Rednerpult. Schlicht, aber effektiv.
Leider sind meiner Meinung nach nicht alle Einfälle des Regisseurs Marcus Everding perfekt geglückt. Etwa lässt er die fünf „Hexen“ vor ihrem Auftritt für alle sichtbar in den Kasten klettern, obwohl sie dank Klappen an der Seite und der schrägen Bühne unerkannt hätten hineinkommen können. Das nimmt der folgenden Szene vollkommen das Mystische. Zwar ist es immer noch unheimlich, aber man sieht die Figuren nicht mehr als übernatürliche Wesen. Die langen Chropassagen lassen manchmal in diesem szenischen Stück die Spannung sinken, da einfach keine Aktion auf der Bühne zu sehen ist. Entweder ist sie vollkommen leer oder die Figuren sitzen nur regungslos da. Da hätte ich mir etwas mehr gewünscht.
Sehr zu loben ist das Orchester, das ausschließlich aus jungen Nachwuchsmusikern besteht und unter der Leitung von Christian von Gehren mit der wundervollen Musik Orffs den Raum füllt. Die Akustik ist wirklich gut, wenn sie auch extrem durch die laute Klimaanlage gestört wird. Aber ohne Klimatisierung hält man es im Floriansstadl wohl nicht aus. Toll waren auch die Kostüme von Thomas Pekny, die richtig schön altertümlich aussahen. Manch ein Darsteller tat einem nur etwas leid, wenn es ihnen mit Kostüm und Scheinwerferlicht eindeutig zu warm war. Der Chor ist im Gegensatz zu den Darstellern in modernen roten Kostümen eingekleidet, was ihn als Instanz erscheinen lässt, die über der Handlung steht.
Auch wenn die Inszenierung ein paar Schwächen hat, lohnt es sich schon allein wegen der tollen Musik, den hervorragenden Darstellern und der wunderschönen Sprache, nach Andechs zu fahren.


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