Es waren einmal zwei Brüder – Yin und Yang – in deren Nähe, auf einem hohen Berg, ein alter Greis lebte, von dem die Leute sagten, dass er alles wisse. Die beiden Jungen hatten sich in den Kopf gesetzt, dem alten Mann eine Frage zu stellen, die er nicht beantworten konnte.
Stundenlang saßen sie auf einer Wiese und überlegten und überlegten, welche Frage sie dem Alten stellen könnten. Um besser überlegen zu können, kletterte Yin schließlich auf einen Baum. Leise zwitschernd saß ein kleiner Vogel auf einem Ast neben ihm. Ganz plötzlich schnappte Yin sich den Vogel und hielt ihn in seiner Hand fest.
Als er zu seinem Bruder Yang hinunter kam rief er: “Ich hab’s! Ich weiß, was wir den Alten fragen werden.” Er zeigte seinem Bruder den Vogel in seiner Hand und sagte: “Wir fragen ihn, was ich in der Hand halte!”
“Er wird antworten, dass du einen Vogel in der Hand hältst.” erwiderte Yang wenig begeistert.
Yin sagte: “Ich weiß, aber dann werde ich ihn fragen, ob der Vogel tot oder lebendig ist! Und wenn er sagt, dass der Vogel lebt, dann drücke ich meine Hände zusammen. Wenn er aber sagt, dass der Vogel tot ist, dann lasse ich ihn fliegen!”
Diese Idee fand auch Yang gut und so rannten sie aufgeregt den Berg hinauf zu dem alten Mann.
Schon von weitem riefen sie: “Alter Mann, wir haben eine Frage für dich!”
Der Greis saß meditierend vor seiner Hütte. als die beiden Jungen atemlos vor ihm standen. Nach einer Weile öffnete er langsam die Augen und blickte die beiden zappeligen Brüder an.
“Alter Mann, wir haben eine Frage an dich!” sagte Yang.“
“So fragt.” antwortete der Greis.
“Alter Mann, was halte ich hier in der Hand?” fragte Yin und die Brüder starrten den Alten gespannt an.
Der Greis schloss die Augen, dachte einen Augenblick nach und öffnete sie wieder. Er sagte:” Du hast einen Vogel in deiner Hand.”
Yin guckte siegesgewiss zum Alten und fragte: “Nun denn, weiser Mann. Ist der Vogel tot oder ist er lebendig?”
Daraufhin schloss der Greis wieder seine Augen.
Yin und Yang wurden ganz ungeduldig und als er endlich seine Augen wieder öffnete, sprach er: “Mein Sohn. Ob der Vogel tot oder lebendig ist, das liegt ganz in deiner Hand.”
(Eine Tao-Geschichte, Quelle unbekannt)