Die Bäckertour im Müllheim mit Bäckermeister Martin Magnus

Von Markgraeflerin @markgraeflerin

Bäckerei Kirschner in Müllheim neben der Martinskirche


Meine Heimatstadt Müllheim hat ihren Namen von den zahlreichen Mühlen, bzw. den Müllern die es hier früher gab.
Wo Korn zu Mehl gemahlen wird, wird auch Brot gebacken. Und so hat auch das Bäckerhandwerk in unserer Stadt eine sehr lange Tradition.



Eine urkundliche Eintragung aus dem Jahre 1428 belegt erstmals die Existenz des Bäckerhandwerks in Müllheim.

Um mehr darüber zu erfahren, habe ich mich vor ein paar Wochen einer Stadtführung angeschlossen.
Bäckermeister Martin Magnus hat während der jahrzehntelangen Ausübung seines Berufes so einiges erlebt, wovon er uns an diesem Nachmittag ausführlich berichtete.


Der Müllheimer Bäckermeister Martin Magnus


Vom Treffpunkt vor der Touristik Info am Markgräfler Platz sind wir zu unserer 1. Station spaziert, dem Markgräfler Museum am Marktplatz.

Auf einem alten Grabstein, der im Durchgang vom Marktplatz zum Museumshof aufgehängt ist, kann man Schießer (Mitte) und Brot (rechts) erkennen.
Nur mit viel Mühe kann man auch noch eine eingravierte Brezel – das Symbol der Bäckerzunft – ausmachen.



Und wie groß oder wie schwer war damals ein Brot?
Tja, das war so eine Sache…

Mancherorts wurde die Größe des Brots anhand einer Art Schablone abgemessen.
Noch heute kann man in Freiburg an der Außenseite des Münsterturms die eingehauenen Maße der Brote von 1320, 1270 und 1370 sehen.
In Krisenzeiten waren die Brote kleiner. Daher kommt wohl auch die Redensart, man müsse nun etwas kleinere Brötchen backen, wenn man knapp bei Kasse ist.

Im Spätmittelalter existierten bei oft gleicher Bezeichnung viele voneinander abweichende ortsgebundene Maßeinheiten.

Seit dem 17. Jahrhundert gab es Bestrebungen, das Maß- und Messwesen zu vereinheitlichen. Dies scheiterte zunächst an der Vielzahl von Territorialherren, die auf ihre Unabhängigkeit bedacht waren.
Mit einem Dekret des Markgrafen Karl Friedrich im Jahre 1802 wurde eine Kommission mit der Ausarbeitung eines einheitlichen Maß- und Gewichtssystems für die Markgrafschaft Baden beauftragt.

Hauptperson dieser Kommission war Michael Friedrich Wild, der in Müllheim gelebt hat und nach dem heute eine Grundschule in Müllheim benannt ist.
Zusammen mit einem Mitarbeiter bereiste er das Großherzogtum Baden um von Ort zu Ort die benutzten Maße und Gewichte aufzunehmen.

Die Untersuchungen ergaben, dass es im Großherzogtum Baden über 120 Eichstätten gab, die völlig unterschiedliche Maße verwendeten.
So gab es 112 Ellenmaße, 92 Flächen- oder Feldmaße, 65 Holzmaße, 163 Fruchtmaße (Volumenmaße), 123 Ohm- oder Eimermaße, 63 Wirts- oder Schankmaße und 80 Pfundgewichte.

Als Ergebnis aus seinen Arbeiten schlug Wild in seinem zweibändigen Werk „Ueber allgemeines Maas und Gewicht aus den Forderungen der Natur, des Handels, der Polizey und der gegenwärtig noch üblichen Maase und Gewichte” abgeleitet ein System vor, das die traditionellen Einheiten beibehielt und als Größe jeweils die Mitte der vorgefundenen Maße ansetzte.

Dabei wählte er die neuen Größen so, dass sich zu den metrischen Einheiten einfache Umrechnungsfaktoren ergaben und möglichst viele Einheiten durch Dezimaleinteilung voneinander abhingen.



1810 erging ein auf dem von Wild vorgeschlagenen System basierendes Dekret, welches aber erst 1829 mit Verkündung der Maas-Ordnung für das Großherzogtum Baden praktisch umgesetzt wurde.



Im Mittelalter wurden Bäcker, welche Brot mit zu geringem Gewicht oder von minderwertiger Qualität herstellten öffentlich an den Pranger gestellt und bestraft.
Auf demBild oben sieht man einen Tauchkäfig bzw. Schandkorb. Der zu bestrafende Bäcker wurde in den Korb gesperrt und mittels einer Wippe mehrmals in Wasser oder Unrat getaucht.
Zusätzlich wurde er von den Anwesenden mit Steinen beworfen und gedemütigt.

Oft konnte der Bäcker aber gar nichts für die schlechte Qualität oder ein zu geringes Gewicht des Brotes.

Die Brotqualität ist stark von der Qualität des verwendeten Getreides abhängig.
In regenreichen Jahren passiert es oft, dass die Feuchtigkeit das Korn austreiben lässt. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Backeigenschaften und somit auch auf die Qualität des Brots.
Und wer schon einmal Brot gebacken hat weiß, dass sich durch das Backen und das Abkühlen danach sich immer auch ein Gewichtsverlust ergibt.


Deckelpokal der Müller- und Bäckerzunft Müllheim von 1760


Auf diesen Pokal, der im Markgräfler Museum sausgestellt ist, ist die Bäckerinnung Müllheim/Markgräflerland besonders stolz. Dieser stammt aus dem Jahr 1760.
Das prunkvolle, repräsentative Deckeltrinkgefäß der gemeinsamen Müller- und Bäckerzunft ist eine Arbeit des Basler Silberschmidemeisters Johannes Ulrich III. Fechter.
Symbolisch halten zwei steigende Löwen ein Mühlrad und eine Brezel.
Bei Feierlichen Zeremonien wurde der „Wilkomm” zum Kredenzen eines Trunkes benutzt.



Dann ging es wieder nach draußen auf den Marktplatz, wo uns Martin Magnus ein historisches Bild einer Bäckerfamilie zeigte.
Dort wo sich heute der Friseursalon Veronika befindet war einst eine Bäckerei.
Rechts daneben war noch bis vor kurzem das Café am Markt. Leider steht es derzeit leer. Man sagte mir, die Betreiber hätten ein Café in Badenweiler übernommen.
Schade…



Und dann stand natürlich noch die Frick-Mühle auf dem Programm:

Die Mühlenanlage gehört ursprünglich als Bannmühle zu dem benachbarten Hofgut der Herren von Baden aus Liel. Erstmals urkundlich erwähnt wird die Mühle 1392. Bartlin Frick übernimmt sie dann 1690. Bis 1912 bleibt die im Besitz der Familie. Dann wird sie aufgelöst und der Besitz nach und nach verkauft.
In diesem Gebäude wurde von der Stadt Müllheim in Erinnerung an die Geschichte der Stadt ein Mühlenmuseum eingerichtet, das die Technik der Mehlgewinnung in früheren Zeiten zeigt
2008 wurde das Museum feierlich eröffnet.



Auch in diesem Haus befand sich einst eine Bäckerei.
Dieser Bäcker war vor allem für seine feinen, fleischgefüllten Pasteten bekannt. Und zum Jahrmarkt gab es – wie ich bereits berichtet habe – immer die traditionellen Jahrmarkt-Weggen.



Die Jahrmarkt-Weggen gibt es auch im Raum Lörrach, Weil und Basel. Das Rezept dafür stammt vermutlich von einem Bäckergesellen, der sein Handwerk in Basel gelernt hat.
In der Schweiz bezeichnet man das Gebäck als „Wurstwecken”, obwohl sie üblicherweise mit Hackfleisch oder Bratenresten gefüllt sind.
Der kleine Weg rechts, welcher zur historischen Martinskirche führt, war allgemein als das „Pastetengässle” bekannt…
Und nach etwa 1 – 2 Stunden waren wir wieder bei unserem Startpunkt an der Touristik-Info angekommen.



Natürlich sprachen wir auch über die  typischen Markgräfler Brot- und Gebäckspezialitäten….


Markgräfler Scharwaie


Die Scharwaie ist flacher als normales Brot, besteht aber aus Brotteig. Man ritzt die Oberfläche kreuzweise ein, so dass ein Rautenmuster entsteht.
Dann bepinselt man die Oberseite mit etwas Speiseöl und bestreut die Scharwaie mit Salz und nach Belieben mit Kümmel.
Früher hat man dieses flache Brot aus Teigresten zusammengekratzt (gescharrt). Daher kommt auch der Name. Dann wurde der Scharwaie nach dem eigentlichen Brotbacken in der Resthitze des Ofens gebacken.
Die Scharwaie wird das ganze Jahr über gerne gegessen. Besonders gut schmeckt sie aber an einem lauen Sommerabend zu Gegrilltem oder einfach nur mit einem Gläschen Gutedel.
Rezept für Scharwaie


Markgräfler Neujahrsbrezel


Die Neujahrsbrezel wird üblicherweise zum Jahreswechsel gebacken.
Früher wurden noch Geldstücke eingebacken, denn die Neujahrsbrezel war ein beliebtes Mitbringsel von Paten (Gotte = die Patentante oder Götti= der Patenonkel) für ihre Patenkinder (Gotte- oder Göttikind).
Dieser Brauch ist typisch badisch, aber nicht überall in Baden werden die Neujahrsbrezeln nach dem gleichen Rezept gebacken.
Je nördlicher, umso süßer. Im südlichen Teil, dem Markgräflerland bestehen die Neujahrsbrezeln überwiegend aus Milchbrötchenteig.
Rezept für Neujahrsbrezel

Neujahrsbrezeln, die als Glücksbringer gelten, gibt es in Baden und im Elsass. In Basel wurden sie früher Neujahrsringe genannt, sind aber in den 1920 er Jahren aus der Mode gekommen.
In der Schweiz war es lange Tradition, vor allem an Weihnachten oder Neujahr einen Hefezopf zu verschenken.
Heute gehört der Butterzopf für viele Schweizer zum Sonntagsfrühstück.
Im Elsass gibt es auch an Neujahr oft Kougelhopf.

Übrigens gibt es innerhalb von Deutschland auch ein Nord-Südgefälle, was Brotteig und Brotsorten betrifft.
In Norddeutschland isst man tradtitionell eher dunkles Brot aus Roggenkorn, das mit einem großen Anteil Sauerteig hergestellt wird.
Je weiter südlich man kommt, umso heller werden die Brotsorten.

Bäckermeister Magnus hat dafür eine ganz einfache Erklärung:
Bei uns im Süden gibt es viele Reben und somit auch Wein. Und zu Wein passt die Säure des dunklen Brots nicht.
Im Norden wächst der Wein nicht so gut, dort gibt es eher Bier. Und dazu passt das dunkle Brot geschmacklich einfach besser.
Klingt logisch, oder?


Faschtewäije


Rezept für Faschtewäije

Die früheste Erwähnung der Fastenwähe findet man in den Ratsbüchern der Stadt Rheinfelden aus dem Jahr 1554.
In Basel taucht sie erst Mitte des 17. Jarhunderts auf, als die Stadt schon reformiert ist.
Die Fastenwähe ist keine Fastenspeise im kirchlich-religiösen Sinn, sondern ein traditionellse Luxusgebäck.
In Notzeiten verbot der Rat von Basel die Herstellung von Fastenwähen und jeglichem Ankenzeug (Buttergebäck). Die Herstellung und der Verkauf wurden aus zunft- und gewerbepolitischen Gründen auf die Fatenzeit eingeschränkt.
Die Verbreitung der Basler Fastenwähe beschränkt sich auf die Stadt, ihre Umgebung und die unmittelbare badische Nachbarschaft.
Zur rationellen Herstellung der Fastenwähen im Kleinbetrieb wurde ein handliches Abstecheisen, das Faschtewaaie -Yseli konstruiert.
Großbäckereien arbeiten mit Stanzschablonen.


Grättimänn (Weckmann, Stutenkerl, Dumbedai, Grittibänz, Mannala, Bonhomme…)


Rezept für Grättimänner zum Nikolaustag

Über die Herkunft und Geschichte des von Kindern wie auch von Erwachsenen heißgeliebten St.-Nikolaus-Gebäcks tappen selbst die Historiker im Dunkeln. Die Teigform in Menschengestalt ist erst vom letzten Jahrhundert an in Österreich, Deutschland, der Schweiz und im Elsass nachweisbar. Über das genaue Alter weiß man nichts Bestimmtes; lediglich die Form des solothurnischen Grittibänzen (die Zweispitzhutform erinnert an die damalige Ambassadorenzeit), gibt einen Hinweis, dass er dort schon im 18. Jahrhundert üblich gewesen sein könnte.
Früher wurden sie aus gewöhnlichem Brotteig hergestellt, später mit aufkommendem Wohlstand aus Zopf- oder Süßteig.



Wissenswertes rund ums Brot:

St. Honoré (Honorius von Amiens) ist der Schutzpatron der Bäcker in Frankreich – Gedenktag ist der 16. Mai

Elisabeth von Thüringen ist die Schutzpatronin der Bäcker in Deutschland – Gedenktag ist der 17. November

1924 kostete ein Brötchen 5 Markt – zum Ende der Inflation 25 Millionen Mark.

Vor Einführung der Kartoffel lag der tägliche Brotverbrauch eines Deutschen bei etwa 2 Kilogramm pro Tag.
Um 1430 waren es nur noch 1,6 Kilogramm pro Tag,
1528:  700 – 900 g pro Tag
1770:  330 g pro Tag
und heute wird  – nicht nur aufgrund des gestiegenen Angebots an anderen Lebensmitteln sondern auch wegen veränderten Ernährungsgewohnheiten und Überzeugungen wie der Low Carb Bewegung- immer weniger Brot gegessen….



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This entry was posted on 17. November 2015 at 22:36 and is filed under Backen, Essen & Trinken, Food, Fotografie, Herbst, Markgraeflerland, Reisen, Rezepte. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.