Was einer behauptet zu sein oder zu haben, ist er nicht, hat er nicht. Wenn Snowden jetzt ankündigen lässt, der Supergau für die US-Geheimdienste drohe erst noch, wenn ihm etwas zustoße, ist klar, dass er sein Pulver verschossen hat. Er mag ein Nerd und Überzeugungstäter sein, ein geschickter Kommunikator ist er nicht. Ernst nehmen muss man aber die Todesangst, die seine Drohung verströmt.
Davon abgesehen, wenn die weltweiten Telekommunikationsnetze so etwas wie die Adern unserer Zivilisation sind, dann droht von PRISM und TEMPORA die Gefahr, vom Immunsystem in eine Autoimmunerkrankung umzukippen. Die vollständige Erfassung unserer Kommunikation leistet so etwas wie die weißen Blutkörperchen, die Krankheitserreger unschädlich machen. Doch eine falsche Programmierung, eine falsche Mustererkennung, und das System bekämpft sein eigenes Gewebe, wird autoimmun.
Das schlimme an unserer vollständigen Erfassung ist die Erkenntnis, nicht souverän zu sein. Wir haben ein fremdes Immunsystem, dass zum Schutze unseres aber vor allem im Dienste eines fremden Körpers agiert. Nicht verwechseln: Anders als Grüne, Linke und Piraten fühle ich mich nicht aufgewertet, wenn mächtige Dienste meine Emails loggen. Anders als jene brauche ich keine großen Gegner, von denen man auf meine eigene Größe schließen möge. Ich falle durch das Raster, denn meine Kommunikationspartner sitzen nicht in Pakistan. Nur wer mit Pakistan oder anderen verdächtigen Staaten verkehrt, dessen Emails könnten gelesen werden. Noch verdächtiger ist, wer Google Maps Screenshots an mehrere Empfänger versendet. Über Google Maps läuft bekanntlich die Zielmarkierung.
Schlimm wird es, wenn uns der behördliche Virenscanner zu sehr lahmt oder wenn man irrtümlich in die Fänge gerät. Das stelle ich mir wie Kafkas "Schloss" vor.