Dieser Tage hat der biblische Gott eine schlechte Presse… Er wird als grausamer, eifersüchtiger, kleinlicher, stolzer usw. Kontrollfreak portraitiert – und wir Frommen wissen auch nicht so recht, wie wir angesichts gewisser alttestamentlicher Stellen auf diese Vorwürfe reagieren sollen.
Als erstes behandelt Wright drei seines Erachtens falsche Erklärungsversuche:
(1) Dieses Gottesbild ist alttestamentlich und wird im Neuen Testament korrigiert. – Diese Erklärung taugt aber nichts, weil (a) im Alten Testament auch viel über Gottes Gnade, Güte und Liebe steht, weil (b) im Neuen Testament auch viel über Gottes Zorn und Gericht steht und weil (c) sich Jesus ohne Wenn und Aber, ohne Relativierungen auf das Alte Testament bezog.
(2) Dass die Israeliten die Kanaaniter ausrotteten, war nicht Gottes Idee, sondern das haben ihm die Israeliten post factum in den Mund gelegt. – Auch dies ist aber keine befriedigende Antwort, denn es gibt andere Stellen im AT, wo Gott solche Fehler korrigiert, was in diesem Zusammenhang aber nirgends geschieht.
(3) Diese Geschichten sind allegorisch zu verstehen; es ist hier von geistlichem Kampf die Rede. – Nur sind die biblischen Gesichten – insbesondere in den Geschichtsbücher – nicht in diesem Sinne verfasst worden, sondern als historische Berichterstattung.
Wright bietet allerdingds keine abschliessende und befriedigende Erklärung. Er nennt einfach drei Bezugsrahmen, welche die Sache ein wenig einordnen lassen:
Der Bezugsrahmen der alttestamentlichen Geschichte
Erstens müssen wir diese Begebenheiten nicht im Licht der Genfer Konvention betrachten, sondern in Bezug auf die Gepflogenheiten jener Zeit. Und da muss man fragen, inwiefern der Bericht mit rhetorischen Übertreibungen arbeitet und inwiefern die göttlichen Vorgaben einerseits und die praktische Umsetzung anderseits teils sogar humaner waren als diejenigen des Umfelds. – Wright fragt: “If such methods and practices in war were fairly standard in the ancient Near Eastern culture of that time, is there any sense in which God accommodated his will to such fallen reality within the historical earthing of his revealing and redeeming purpose?” …und antwortet dann: “We know that Old Testament law has to strike a balance between the ideals of God’s creational standards and the realities of fallen human life. (…) We might be dealing with something God chose to accommodate within the context of a wicked world, not something that represented his best will or preference” (p.88f).
Zudem sollen wir uns in Erinnerung rufen, dass die Eroberung Kanaans im Total der biblischen Geschichte ein relativ kleiner Teil darstellt.
Natürlich erklären diese Überlegungen das Unerklärliche nicht. Aber sie relativieren jedenfalls die Aussage, der biblische Gott sei grundsätzlich ein blutrünstiger Tyrann.
Der Bezugsrahmen der göttlichen, souveränen Gerechtigkeit (“justice”)
Gott kennt moralische und ethische Vorgaben, und wenn diese übertreten werden, so kann er dies ahnden. Die Kanaaniter haben Gottes Geduld offenbar in besonderem Masse auf die Probe gestellt (s. 3. Mose 18,24f; 20,22-24, 5. Mose 9,5; 12,29-31). – Die Ausrottung der Kanaaniter war also nicht menschlicher Genozid sondern göttliches Urteil. (Wobei zu bemerken ist, dass damit nicht impliziert ist, dass die Israeliten selber gerecht gewesen wären, s. 5. Mose 9,4).
Der Bezugsrahmen des göttlichen Heilsplans
Der grosse Spannungsbogen der Heilsgeschichte ist nicht Zerstörung und Ausrottung, sondern Heil, Frieden und Segen – und zwar universal, für die ganze Welt!
Insgesamt fordert Gott auch im Alten Testament grosse Gastfreundschaft den Fremden gegenüber — bestimmt mehr als dies zu jener (und der heutigen?!) Zeit üblich war. Das ultimative Ziel Gottes ist es, dass alle Nationen in seinem Himmelreich vertreten sind.