Werden sich Tropenkrankheiten in Zukunft infolge des Klimawandels zunehmend auch in Deutschland ausbreiten? Diese Frage versuchte ich 2010/11 im Zuge meiner Facharbeit, als Teil des bayerischen Abiturs, zu beantworten. Die Prognosen waren schon damals erschütternd. Was genau erwartet Deutschland, was davon ist vielleicht schon eingetreten, sieh selbst.
DISCLAIMER: Die Daten wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusamengetragen entsprechend meiner damaligen fachlichen Expertise als Abiturient. Bilder wurden aus rechtlichen Gründen entfernt.
Die Ausbreitung von vektorübertragenen Tropenkrankheiten in Deutschland in Folge des Klimawandels
Immer wieder berichtet die Presse davon, dass sich Menschen in nichttropischen Ländern mit Tropenkrankheiten infiziert haben sollen. So berichteten das Neumarkter Tagblatt erst kürzlich von einem deutschen Urlauber in Kroatien, der sich dort mit dem Dengue-Fieber angesteckt hat. Dies ist bemerkenswert, da Kroatien bisher nicht als Verbreitungsgebiet dieser Tropenkrankheit galt. (Neumarkter Tagblatt Nr.236, 2010)
Wie kommt es, dass sich manche tropische Erreger in Europa ansiedeln können, andere jedoch nicht? Müssen wir befürchten, dass in Zukunft auch in Deutschland Tropenkrankheiten heimisch werden? Was könnten die Ursachen für die zunehmende Verbreitung der Krankheiten sein?
Die augenscheinlichste Veränderung, mit der sich unser Ökosystem in den nächsten Jahren konfrontiert sehen wird und auch jetzt schon konfrontiert ist, ist der Klimawandel. Da Tropenkrankheiten in ihrer Verbreitung an gewissen klimatischen Zonen gebunden sind, liegt der Verdacht nahe, dass das Klima einen großen Einfluss auf sie hat. Wenn sich sich unser Klima dem tropischen annähert, ist es berechtigt zu fürchten, dass Tropenkrankheiten die Bedingungen vorfinden, die zu ihrer Verbreitung notwendig sind und die ihnen ein dauerhaftes Vorkommen hierzulande ermöglichen.
Nur wenn wir uns schon jetzt mit dieser Thematik befassen, wird es möglich sein, einwandernde Krankheiten zu bekämpfen und frühzeitig Prophylaxemaßnahmen ergreifen, gezielt diagnostizieren und therapieren zu können.
Deshalb sollen in dieser Arbeit zunächst einige typische Tropenkrankheiten genauer betrachtet und gezeigt werden, wie sie sich verbreiten. Dabei zeigt sich, dass vor allem Tiere maßgeblich an der Übertragung beteiligt sind. Deshalb wird sich ein weiteres Kapitel mit den wichtigsten Überträgern, ihrer Lebensweise, ihrem Vorkommen bei uns und ihrem Einfluss auf Tropenkrankheiten befassen. Dann soll in einem weiteren Kapitel erläutert werden, welche weiteren Faktoren an der Ausbreitung von Tropenkrankheiten mitwirken und auf welche Art sie dies tun.
Anschließend wird mit Hilfe einer Klimasimulation der Blick auf die Prognosen für die Zukunft Deutschlands gerichtet.
Diese Klimadaten sollen auf ihre Auswirkungen auf Vektoren in Deutschland erörtert werden, um abschließend eine tendenzielle Voraussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Endemisierung[1] der zu Anfang beschriebenen Krankheiten treffen zu können.
I. Tropenkrankheiten
„Der Begriff „Tropenkrankheiten“ ist eine Bezeichnung für Erkrankungen, deren gegenwärtige Verbreitungsgebiete sich vorwiegend in tropischen Ländern befinden. Er beschränkt sich ursprünglich auf Infektionskrankheiten, bei denen Leben und Entwicklung der Erreger und deren Übertragung an ein tropisches Klima sowie an bestimmte hygienische, soziale und ökologische Bedingungen geknüpft sind. Heute werden zu Tropenkrankheiten auch bestimmte Mangelzustände, Vergiftungen, einige Tumore sowie Bluterkrankungen gerechnet, wenn sie überwiegend in den tropischen Breiten auftreten.“ (nach Brockhaus 1993)
Diese tropischen Breiten liegen zwischen dem nördlichen und dem südlichen Wendekreis (23°27′ nördliche Breite und 23°27‘ südliche Breite) und zeichnen sich durch relativ konstante hohe Temperaturen ohne starke jahreszeitliche Schwankungen aus (Hartmann, 2009, S.4). An die tropischen Gebiete schließen sich die Subtropen an, zu denen auch Gebiete der europäischen Mittelmeeranrainerstaaten[2] und Portugal zählen. Einige Tropenkrankheiten kommen auch in diesen Gebieten vor. Die wichtigsten Tropenkrankheiten sollen im folgenden kurz vorgestellt werden.
1.1. Arboviren
Zu den Arboviren, der Kurzform von arthopode-born Virusses, zählen laut Praxis der Naturwissenschaften „alle Viren, die sich in blutsaugenden Arthropoden vermehren und auf Wirbeltiere, einschließlich des Menschen, übertragen werden können.“ (Hartmann et al., Sept/09, S.30)
1.1.1. Chikungunya-Fieber
Chikungunya ist ein RNA-Virus der Familie der Alphaviren. Es kommt in Afrika und Asien, besonders in Anrainerstaaten des indischen Ozeans vor und hat sich mittlerweile sogar in Oberitalien ausgebreitet. Nach verschiedenen Ausbrüchen seit 2005 auf Inseln des Indischen Ozeans wurden in Frankreich 164 importierte Fälle bei Reiserückkehrern erfasst. (Niedrig et al., RKI, 2006, S.11; Stark et al., RKI, 2009, S.9) Die Infektion erfolgt in der Regel über eine Stechmücke der Gattung Aedes, vor allem durch die Asiatische Tiegermücke Aedes albopictus, die bereits vor einem Ausbruch von Chikungunya 2007 in Norditalien, erstmals 2006 auch in Deutschland, gefunden wurde. (Stark et al, 2009, S.33, S.1)
Das Chikungunya-Virus befällt Primaten und möglicherweise Nagetiere als Reservoirwirte.
Eine Erkrankung am Chikungunya äußert sich mit Kopf, Muskel- und Gelenkschmerzen, Fieber, das nur selten hämorrhagisch wird, und heilt meist von alleine schnell ab. Nachweis erfolgt am 3.-5. Tag per PCR, ab dem 8.-10. serologisch auf Antikörper.
Chikungunya ist eine meldepflichtige Erkrankung. (Niedrig et al., RKI, 2006, S.11) 2006 wurden 53 eingeschleppte Fälle erfasst, 2007 waren es 32 und 2008 weitere 17, wobei wegen des oft milden Verlaufs von einer Dunkelziffer ausgegangen werden muss. (Stark et al., 2009, S.9)
1.1.2. Denguefieber
Das Denguevirus aus der Familie der Flaviviren kommt derzeit in vier unterschiedlichen Serotypen vor (DEN-1,DEN-2,DEN-3,DEN-4). Verbreitet war es bis vor kurzem in mehr als 100 tropischen und subtropischen Ländern außerhalb Europas. Übertragen wird das Virus ebenfalls von Stechmücken der Gattung Aedes, vor allem von der tagaktiven Ägyptischen Tiegermücke Aedes aegypti, die hauptsächlich in der Dämmerung sticht.
Jedoch kann auch die Asiatische Tiegermücke Aedes albopictus als Vektor fungieren.
Das Risiko sich mit Dengue anzustecken ist nach der Regenzeit erhöht, da es dann zu Massenaufkommen von Ädes kommen kann. Zu Epidemien kommt es meist, wenn sich ein neuer Serotyp in einem Gebiet etabliert, in dem noch keine Resistenz gegen ihn in der Bevölkerung gibt.
Das klassische Denguefieber besteht aus grippeartigen Beschwerden, plötzlicher Fieberanstieg bis 40 °C, häufig mit Schüttelfrost, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen und Hautausschlag.
Zwar benötigt der Patient mehrere Wochen zu Genesung, aber die Krankheit ist nur sehr selten tödlich. Die atypische Verlaufsform dauert maximal 72 Stunden mit ähnlichen Symptomen, wie die klassischen, diese sind jedoch weniger stark.
Viel schlimmer ist das Dengue Hämorrhagische Fieber (DHF), oder auch Dengue Schock-Syndrom.
Es tritt nach einer Zweitinfektion mit einem anderen Serotyp und besonders häufig bei Kindern unter 15 Jahren auf. Zunächst treten ähnliche Symptome wie beim klassischen Denguefieber auf, diese weiten sich jedoch dann zu einem hämorrhagischen Fieber aus, das in bis zu 30% der Fälle tödlich ist. (Niedirg et al., 2006, S.12f, Epidemiologisches Bulletin Nr.38, 2010, S.387)
Wegen ihrer überschneidenden Verbreitungsräume sind Koinfektionen mit dem Dengue-Virus und dem Chikungunya-Virus keine Seltenheit, was meist zu einem schwereren klinischen Verlauf führt als die Infektion mit nur einem der beiden Erreger. (Epidemiologisches Bulletin Nr.23, 2009, S.227f)
2009 wurde seit acht Jahren erstmals wieder ein Todesfall durch das Denguefieber in Deutschland gemeldet. Eine 21-Jährige verstarb wenige Tage nach ihrer Rückkehr von einer Ecuador-Reise am Dengue-Shock-Syndrom. (Epidemiologisches Bulletin Nr.38, 2010, S.385)
1.1.3. Gelbfieber
Das Gelbfieber Flavivirus ist derzeit vor allem im tropischen Afrika und im tropischen Mittel- und Südamerika verbreitet und wird von verschiedenen Mücken der Gattung Aedes, Haemagogus und allen voran der Asiatischen Tiegermücke Aedes albopictus übertragen . Jährlich kommt es weltweit zu circa 200.000 Infektionen und 30.000 Todesfällen durch Gelbfieber. Der letzte nach Deutschland importierte Gelbfieberfall mit tödlichem Ausgang wurde 1999 bei einem ungeimpften Mann diagnostiziert. In den zurückliegenden zehn Jahren wurde dem Robert-Koch-Institut trotz Meldepflicht kein einziger importierter Fall bekannt.
(Niedrig et al., RKI, 2006, S.18f, Stark et al., 2009, S.9; Robert Koch-Institut: SurvStat Datenstand: 08.12.2010)
Der Krankheitsverlauf beginnt akut mit Fieber (39 – 40 °C), Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Meist gehen die Symptome jedoch nach 3-4 Tagen zurück und es kommt zur Genesung. Bei 15% der Patienten folgen jedoch erneutes Fieber und Blutungen aus verschiedenen Körperöffnungen (hämorrhagisches Fieber), in die Haut und in Organe, was zu Organschäden und Schäden am Zentralen-Nervensystem führt. (Niedrig et al, RKI, 2006, S.18f)
Natürliche Reservoirs des Gelbfiebers sind Affen, die in Deutschland nur in menschlicher Obhut vorkommen.
Die Ausbreitung der Krankheit aufgrund von infizierten Urlaubern ist wegen des sehr akuten Krankheitsverlaufs eher gering, vor allem, da intensivmedizinische Patienten von Mücken abgeschirmt sein sollten. Das Robert-Koch-Institut warnt jedoch vor der Einfuhr von Überträgern mit Autoreifen aus Südamerika. (siehe 4.1.)
1.1.4. West-Nil-Fieber
Das West-Nil-Virus gehört ebenso wie Dengue und Gelbfieber zu den Flaviviren und tritt in zwei Stämmen auf.
Es ist vor allem in weiten Teilen Afrikas und dem Vorderen Orient verbreitet. Es ist außerdem eng verwandt mit dem in Australien und Südostasien auftretenden Kunjinvirus. Die Infektion erfolgt über den Stich einer Mücke der Gattung Aedes, Culex oder Mansonia, kann aber auch während der Schwangerschaft von der Mutter auf das Kind übertragen werden.
Symptomatisch ähnelt das West-Nil-Fieber einer sehr plötzlich auftretenden Grippe, die drei bis sechs Tage andauert. Teilweise ist es sogar komplett symptomfrei. Nur in seltenen Fällen und eher bei ältern Patienten kommt es beim West-Nil-Fieber zu Komplikationen in Form einer Hirnhaut- oder Gehirnentzündung, die dann aber zu 15%-40% tödlich verläuft. (Stark et al., 2009, S.50; Epidemiologisches Bulletin Nr.37, 2010, S.373)
1.2. Parasiten
1.2.1. Leishmaniose
Leishmaniose ist eine Protozoen-Infektion mit verschiedenen Arten von Leishmanien, die durch den Stich der Sandfliege übertragen wird. Pro Jahr kommt es weltweit zu circa 1,5-2Mio Infektionen und knapp 60.000 Todesfällen durch Leishmaniose. (Epidemiologisches Bulletin Nr.38, 2008)
Dabei unterscheidet man drei Arten der Leishmaniose, je nach klinischer Symptomatik, die von der Erregerspezies abhängig ist.
Kutane Leishmaniose äußert sich durch Hautbefall und geschwürartige Veränderungen der Haut rund um die Einstichstelle der Mücke. Mit mildem Verlauf und beschränkter Hautläsion wird von Leishmania topica, L.major, L.aethiopica und L.infantum verursacht und wegen deren Verbreitung in Nord-und Ostafrika, Arabien und Zentralasien auch als Leishmaniose der alten Welt oder „Orientbeule“ bezeichnet. Die Leishmaniose der neuen Welt ist in Mittel- und Südamerika verbreitet. Ihre kutane Form bildet verschiedene Arten von Hautläsionen, von kleinen trockenen Herden, bis großflächige, teils den ganzen Körper befallende, der „Orientbeule“ ähnelnde Veränderungen oder gar tumorähnliche Wucherungen. Diese werden von Leishmanien des L.mexicana-Komplex verursacht.
Eine andere Form der Leishmaniose der neuen Welt ist die mukokutane Leishmaniose, die durch L.brasiliensis hervorgerufen wird und die Schleimhäute befällt und perforieren kann. Sie begünstigt dadurch andere Infektionen, kann aber auch in seltenen Fällen zu einer tödlichen Entzündungsreaktion der Lunge führen.
Die gefährlichste Form der Leishmaniose ist jedoch die viscerale Leishmaniose, die von L.donovani verursacht wird und im Mittelmeerraum, Nahen Osten, China, Indien, Ostafrika und Zentral- und Südamerika verbreitet ist. Sie ist auch unter dem Namen Kala-Azar bekannt. Die Symptome beginnen zunächst mit Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Durchfall, Gewichtsverlust, Schwächegefühl und Fieberepisoden, führen dann aber zusätzlich zu Schwellungen der Lymphknoten und Vergrößerung von Leber und Milz. Außerdem befällt sie die blutbildenden Systeme im Knochenmark, weswegen die meisten Todesfälle in Folge von Zweitinfektionen, Anämien oder Blutungen auftreten. (Niedrig, RKI, 2006, S.120-S.122)
1.2.2. Malaria
Malaria gilt heute als Tropenkrankheit. Mehr als 40% der Weltbevölkerung lebt in Malariagebieten in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika und es kommt zu 300-500 Mio Erkrankungen und ca.1,1-2,7 Mio Todesfällen durch Malaria pro Jahr. (Hartmann et al., Sept.09, S.23)
Weniger bekannt ist, dass Malaria in Europa bis Skandinavien, Mittelfinnland und England verbreitet war. 1922 wurden so in Berlin 22 Malaria tropica Fälle bekannt, 1923 weitere vier und 1926, während eines besonders heißem Sommers, kam es gar zu einem Ausbruch an der Nordsee mit über 10.000 Erkrankten der Malaria tertiana und Malaria tropica. (Maier et al., UBA, 05/03, S.27)
Erst 1954 wurde Deutschland malaria-frei. 1973 wurde die Malaria dann auch in Griechenland als einem der letzten europäischen Länder ausgerottet. Sogar die Türkei galt zu diesem Zeitpunkt als malariafrei. Nach starken Einsparungen in der Forschung konnte dort jedoch ein Wiedereinwandern Ende der 70er nicht verhindert werden.
Durch den Stich einer infizierten Anophelesmücke bei einem Menschen gelangt die infektiöse Plasmodienform, sogenannte Sporozoiten, ins Blut. Die Sporozoiten befallen dann die Leber, wo sie sich in den Leberzellen vermehren. Wenn sie aus den Leberzellen freigesetzt werden, in der sie sich zu Merozoiten gewandelt haben, dringen sie in die roten Blutkörperchen ein. Auch hier kommt es zu einer Vermehrung. Mit dem Aufplatzen der Erythrozyten kommt es zu den charakteristischen Fieberschüben. Einige Merozoiten befallen neue Erythrozyten, andere wandeln sich zu Geschlechtszellen, die von Mücken aufgenommen werden können und sich in deren Darm zu neuen Sporozoiten wandeln. (Hartmann et al., S.15f)
Die Malaria wird nach Krankheitsbild und Erreger in drei Formen unterschieden. Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale sind beides Erreger der Malaria tertiana, Plasmodium malariae der Erreger der Malaria quartana. Diese haben grippeähnlichen Symptome mit periodisch wiederkehrenden Fieberschüben im drei (tertiana) oder vier (quartana) Tage Takt. Bei beiden kann es auch Jahre nach einer Infektion zu Rückfällen kommen.
Die Malaria tropica (Plasmodium falciparum) verläuft ohne Behandlung oft tödlich. Die durch sie hervorgerufenen Fieberanfälle sind nicht periodisch. Wenn das Zentrale Nervensystem betroffen ist, kann es zu Krampfanfällen, Bewusstseinsstörungen oder gar zum Koma kommen. Weitere Komplikationen sind Nierenversagen, Lungenödeme oder Anämien. (Niedrig et al., RKI, 2006, S.126)
Malariafälle in Deutschland werden nicht-namentlich dem Robert-Koch-Institut gemeldet. Dabei zeigt sich, dass die Zahl der Infizierten seit 2001 stetig abnimmt.
1.3. Bakterien
1.3.1. Mittelmeerfleckfieber
Mediterranes Fleckfieber, auch Afrikanisches Fleckfieber und Altweltliches Zeckenstichfieber genannt, wird von kleinen, intrazellulär lebenden Bakterien der Familie der Rickettsien (R.conorii, R.africae, R.australis, R. sibirica, R.israelii) verursacht. Verbreitet ist es vor allem in Afrika, Indien , Australien und in Gebieten um Schwarzes und Kaspisches Meer. Übertragen wird es durch Zecken, die es auch transovariel an ihre Nachkommen weitergeben können. Vor allem Hunde dienen neben Nagetieren als Reservoirs.
An der Einstichstelle bildet sich zunächst meist ein blau-schwarzes, kleines Geschwür. Der Patient leidet derweil an Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie oft an Übelkeit und Erbrechen. Am vierten bis fünften Krankheitstag zeigt sich ein Hautausschlag am ganzen Körper, der circa fünf bis sieben Tage andauert und zum teilweisen Absterben der Haut führen kann (Hautnekrose). Auch ohne Behandlung entfiebern die meisten Patienten innerhalb von zwei Wochen. Nur in seltenen Fällen (6%) kommt es zu schweren Verläufen mit Gehirn- und Rückenmarksentzündungen sowie zu Schädigung des Verdauungstrakts und der Nieren. Mit Behandlung beträgt die Letalität weniger als 3%.
II. Verbreitung von Tropenkrankheiten
Generell ist die Verbreitung einer Krankheit abhängig von der Häufigkeit und der Dauer von Kontakten zwischen Überträger und Wirt und der Ansteckungswahrscheinlichkeit, also der Infektiosität der Krankheit. Des Weiteren ist die Zahl der empfänglichen Wirte und die Zahl der potentiellen und tatsächlichen Überträger von Bedeutung. Außerdem kommt es auf die Zeit an, die es dauert, bis Wirt und Vektor nach der Infizierung selbst infektiös werden, und wie lange sie es bleiben.
Um die Verbreitungswahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit von Erregern in Populationen zu berechnen, bedienen sich Experten mathematischer Gleichungen, in die verschiedene Faktoren eingesetzt werden.
Das heißt, man nimmt die Menge empfänglicher Wirte für einen Erreger und erhält, nachdem man weiß, wie viele Personen sich infizieren, die Menge der Wirte, die den Erreger zwar in sich tragen, bei denen die Krankheit aber noch nicht ausgebrochen ist. Die Inkubationszeit mit einbezogen erhält man die infektiöse Wirtspopulation. Zieht man hier die krankheitsbedingten Todesfälle ab, so hat man die Zahl derjenigen Wirte, die entweder immun sind und damit nicht wieder der empfänglichen Wirtspopulation zugerechnet werden dürfen, oder, falls die Immunität ausbleibt, wieder neuinfizierbare Individuen. Zusätzlich fallen in jedem Stadium dieses Schemas natürliche Todesfälle an.
Ein weiteres Verbreitungsmodell, diesmal für parasitäre Erkrankungen wie Malaria, das auch Zwischenwirte berücksichtigt, ist folgendes:
Die Grundvermehrungsrate (R0) beschreibt das Potential, welches ein Parasit zur Ausbreitung besitzt und die Regulation, die er in der Wirtspopulation erfährt. Wichtige Faktoren dabei sind die Lebensdauer und die Fruchtbarkeit des Parasiten, sowie all jene Faktoren, die ihm von der Wirtspopulation oder allgemein entgegenstehen. Beim Menschen könnten das soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Faktoren sein, aber auch ökologische.
Das Modell hilft verschiedene Einflüsse in ihrer Gewichtung besser abzuschätzen. So ist vor allem die Stechaktivität von großer Bedeutung , die in der Formel ins Quadrat gesetzt ist, und auch eine längere Überlebenszeit wirkt sich deutlich stärker aus, als beispielsweise die Dichte. (www.infektionsbiologie.ch)
Jedoch ist es schwer alle Einflussfaktoren in dem Schema zu berücksichtigen, da die Variablen schon bei nahe verwandten Erreger- oder Vektorarten oft signifikant voneinander abweichen.
Es bestehen beispielsweise Unterschiede zwischen der Vektorkompetenz, je nach Herkunft des Vektors und des Erregers. So ist es nicht nur von Bedeutung, ob es sich um Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale (beides Erreger der Malaria tertiana), Plasmodium malariae ( Malaria quartana) oder Plasmodium falciparum (Malaria tropica) handelt, sondern auch, um welchen Stamm des Erregers.
So gelang es bei einem Versuch 1939 Anopheles atroparvus (Mückenart der Gattung Anopheles) unter experimentellen Bedingungen mit verschiedenen P.vivax-Stämmen zu infizieren, wobei die Infektionsrate bei durchschnittlich etwa 59% lag. In der selben Versuchsreihe hingegen erreicht man nur eine Infektionsrate von 4,1% mit P.falciparum. 1975 versuchte man italienische Kolonien von An.atroparvus mit einem nigerischen Stamm von P.falciparum zu infizieren, die Plasmodien konnten sich darin jedoch nicht zu infektiösen Sporozoiten entwickeln. (Maier et al., UBA, 05/03, S.26ff)
Dies schlägt sich auch nieder, wenn Mücken in andere Klimazonen wechseln.
Leider wurden für Deutschland bisher zu wenige Daten erhoben. Es sind derzeit weder genaue Verbreitungsgebiete noch die Dichte der Mückenpopulation und die Lebenszeit der zugewanderten Arten bekannt. Auch die Anzahl der Stiche bei Menschen und deren Infektiosität sind unbekannt.
Daher würde sich dieses Schema zwar dafür eignen, die Ausbreitung von Krankheiten besser einzuschätzen, aber die hierfür notwendigen Daten liegen nicht vor.
III. Arten von Vektoren in Deutschland
Als Vektoren im engeren Sinne bezeichnet man parasitäre Gliedertiere, die beim Blutsaugen Pathogene[3] in sich aufnehmen, die sich in ihnen vermehren oder weiterentwickeln. Das Pathogen ist bei dieser Definition auf den Vektor angewiesen.
Im weiteren Sinne zählen dazu auch Tiere, die die Nahrung oder Umgebung des Menschen mit Pathogenen kontaminieren und somit als Keimverschlepper fungieren. Nach dieser umfassenderen Definition zählen also auch solche Wirte zu den Vektoren, die für die Entwicklung und Vermehrung des Pathogens nicht notwendig sind.
Darüber hinaus gibt es noch sogenannte Zwischenwirte, die zwar für die Entwicklung und Ausbreitung des Pathogens notwendig sind, aber andere Spezies nicht gezielt parasitär aufsuchen. Das deutsche Infektionsschutzgesetz legt den Begriff Vektor sehr weit aus und spricht von Gesundheitsschädlingen als „Tier[e], durch [die] Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können“.
Dieser Auslegung folgend finden sich viele und verschiedenartige Vektoren in Deutschland, die für die Ausbreitung von Tropenkrankheiten in Frage kommen.
In Deutschland sind derzeit bereits 24 von Nagern oder Arthropoden[4] übertragene Infektions-krankheiten endemisch. (Maier et al., UBA, 05/03, S.5f; deutsches Infektionsschutzgesetz §2)
3.1. Mücken
Es gibt zahlreiche verschiedene Unterarten von Mücken. Einige von ihnen sind in Deutschland heimisch, andere wurden hierzulande noch nicht nachgewiesen, kommen aber in Europa vor. Mit ihrer Einwanderung nach Mitteleuropa muss aber zukünftig gerechnet werden, da der Temperaturanstieg ihre Ausbreitung begünstigt. (Maier et al., UBA, 05/03, , S.18, S.89 u.a. )
3.1.1. Stechmücken
Culicidae sind die weltweit effektivsten Überträger vieler Krankheiten, da sie sowohl Plasmodien, Wurmparasiten als auch Viruserkrankungen übertragen können.
Weltweit gibt es etwa 2700 bekannte Arten, von denen derzeit 104 in Deutschland zu finden sind. Als medizinisch relevante Unterfamilien der Stechmücken (Culicidae) gelten allgemein nur Anophelini und Culicini. (Maier et al., UBA, 05/03, S.17,S.23)
Die adulten Culicidae leben von Pflanzensäften als Nahrung. Jedoch dient ihnen Blut im Winter bisweilen als Nahrungsersatz. Ihre Weibchen konsumieren auch darüber hinaus Blut, da sie die darin enthaltenen Proteine zur Entwicklung der Eier benötigen. Die am Rand von Gewässern abgelegten Eier entwickeln sich, sobald die Stellen überflutet werden, weshalb es bei diesen Arten zu einem explosionsartigen Auftreten nach Hochwassern kommen kann. Die Culicidae durchläuft vier Entwicklungsstadien: Ei, Larve, Puppe und Imago. Dabei ist vor allem ihr Überwinterungsstadium ausschlaggebend für ihre Verbreitung, da die Larven meist ein Einfrieren nicht überleben und für jene Arten, die im Larvenstadium überwintern, die -1°C Januarisotherme eine natürliche Barriere darstellt. Diese verschiebt sich derzeit gen Norden. (siehe 5.2.1.)
Stechmücken bevorzugen meist Tiere als Blutwirt, eher selten explizit den Menschen. Jedoch kann es gelegentlich, beispielsweise bei Mangel an passenden Wirten, bisweilen zu einer Umorientierung von zoophilen (Tiere bevorzugenden) Mücken auf den Menschen kommen. (Maier et al.,, S.16, S.20, S.23, S.37).
In Europa gelten derzeit 18 Anophelesarten als einheimisch, von denen sechs bereits in Deutschland nachgewiesen wurden. Am weitesten verbreitet sind An.messeae im Binnenland und An.atroparvus eher im Küstenbereich, gefolgt von An.claviger, An.maculipennis und An.algeriensis. Seltenerer ist die Baumhöhlenbewohnerin An.plumbeus. Lokal findet man mittlerweile auch Ades albopictus, die Asiatische Tiegermücke, der es nach ihrer Einschleppung gelang, sich bei uns anzusiedeln, was vermutlich auch dem Klimawandel zuzuschreiben ist.
Anophelesmücken sind vor allem als Überträger der Malaria sowie einiger Viruserkrankungen bekannt.
Rund 38 Arten, die zum Tribus Culicini gehören, gibt es derzeit in Deutschland, davon 24 Arten der Gattung Aedes.
Als wichtigste in Deutschland gelten Culex pipens (gemeine Hausmücke), Culiseta annulata (große Hausmücke), Aedes cantans (Waldmücke), Ae.cinereus, Ae.communis, Aedes.geniculatus, Ae.punctor, Ae.sticticus, Ae.vexans, und Mansonia richardii.
Einige Arten können Viruserkrankungen übertragen. Zu diesen Krankheiten gehören auch bisher bei uns nicht heimische, die zu den Tropenkrankheiten gezählt werden können, wie beispielsweise Denguefieber, Gelbfieber, Chikungunya-Fieber und West- Nil-Fieber. (Maier et al., UBA, 05/03, S.18-S.20, S.22, S.24, S.26, S.30)
3.1.2. Kriebelmücken
Die höchstens 5mm langen, dunkel gefärbten Zweiflügler bilden die Familie der Simuliidae. Ihre äußere Gestalt ähnelt eher der von Fliegen, als der von Mücken. (Zumpt, 1956, 41). In Deutschland geht man derzeit von circa 50 heimischen Arten aus, von denen jedoch nur wenige als medizinisch relevant gelten.
Bei uns sind sie weniger als Krankheitsüberträger, sondern vor allem als Allegieauslöser gefürchtet, da der Speichel des Weibchens viele toxische Stoffe enthält, die beim Menschen allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischem Schock auslösen können. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.43). 1923 kam es zu einem massenhaften Schwärmen von Kriebelmücken in Rumänien, bei dem laut Schätzungen 16.500 Rinder umkamen. (Zumpt, 1956, S.13) Das Ausmaß dieser Plage wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass es bis zu 25.000 Stiche benötigt, um ein Rind zu töten. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.43)
Die tropischen Kriebelmücken sind der Hauptüberträger für die durch Filarien verursachte Fluss-blindheit. (Zumpt, 1956, S.43)
Kriebelmücken, bei denen nur die Weibchen stechen, tun dies vorwiegend tagsüber im Freien. Ihre Eier legen sie in und an Fließgewässern ab. Die Larven, die sich an Substrat oder Wassertieren festheften, ernähren sich von Schwebestoffen, die sie aus dem Wasser filtern. Zu Massenauftreten kommt es besonders an stark mit organischen Schwebestoffen belasteten Fließgewässern und ab März, wenn sich die überwinternden Larven im Frühjahr mit den ersten warmen Tagen alle gleichzeitig verpuppen und dann als Adulte schlüpfen. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.38f)
In Europa werden einige Wurmparasitenarten, die Pferde und Rotwild befallen, von Kriebelmücken übertragen. Für Tropenkrankheiten, wie sie im Rahmen dieser Arbeit relevant sind, spielen Kriebelmücken nach dem heutigen Stand der Forschung keine bedeutende Rolle. Zwar stehen sie im Verdacht an der Übertragung einiger Viruserkrankungen beteiligt zu sein, dies ist jedoch noch nicht hinreichend bewiesen. Auch eine Ausbreitung der Flussblindheit nach Deutschland gilt als äußerst unwahrscheinlich. Zum einen fehlt es, wegen nur sehr sporadischen Erkrankungsfällen von heimkehrenden Urlaubern, an Infektionsquellen für hier lebende Mücken, zum anderen stellen Vektormücken dieser Krankheit Ansprüche an Brutgewässer, die in Deutschland auch nach einem Temperaturanstieg nicht gegeben sein werden.
In den letzten Jahren gelang es erfolgreich, Massenaufkommen von Kriebelmücken zu bekämpfen oder zu verhindern. Zudem haben sich durch Gewässersanierungen die Lebensgrundlagen dieser Mücken verschlechtert. Es ist daher nicht anzunehmen, dass ihre Bedeutung als Krankheitsvektor in Deutschland in den nächsten Jahren zunimmt. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.42-S.44)
3.1.3. Gnitzen
Von den weltweit beschriebenen 5155 Gnitzenarten, die unter der lateinischen Bezeichnung Ceratopogoniden geführt werden, sind 332 Arten in Deutschland heimisch. Diese Familie ist nicht wählerisch was Brutmöglichkeiten angeht, und legt ihre Eier ins Wasser, den Schlamm, auf feuchten Boden oder Wasserpflanzen und nutzt sogar Brack- und Salzwasser. Bis zur, mit 0,5mm-2mm ausgewachsenen, Adulten durchläuft die Gnitze vier räuberische Larvenstadien. Teilweise treten Gnitzen in riesigen Schwärmen auf. Nur die weiblichen Tiere saugen Blut, bevorzugt in den frühen Abend- und Nachtstunden, von Mai bis August und wenig wirtspezifisch. Ihr Stich, der wegen des beim Stechen abgegebenen Histamins oft allergische Reaktionen hervorruft, führt zu ausgeprägter Quaddelbildung.
Gnitzen können das Tahyna-Virus, Pferdeenzephalitis-Viern und die Japanische Enzephalitis übertragen. Auch als Vektoren für das Rift-Tal Virus kommen Gnitzen in Frage. Wegen ihrer weiten Verbreitung und ihrer hohen Dichte stellen Gnitzen sehr gute Vektoren dar. Derzeit gelten sie jedoch eher als von Bedeutung in der Veterinärmedizin. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.45, S.58)
3.1.4. Sandmücken
Sandmücken (Plebotomen) sind eine Unterfamilie der Schmetterlingsmücke, die sich vor allem durch ihre Fähigkeit Leishmanien zu verbreiten, auszeichnen. Weltweit gibt es mehr als 700 Arten, in Europa 23. (Maier et al., UBA, 05/03, S61-S.63)
Als Nahrungsgrundlage dienen der Sandmücke Pflanzensäfte und Blattlaussekrete. Auch hier sind es die Weibchen, die Blut zur Eientwicklung benötigen. Anders als alle vorher genannten Mücken legt die Sandmücke ihre Eier jedoch nicht ins Wasser, sondern auf den Boden, wo sich die geschlüpften Larven von organischen Material ernähren. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.60) Tagsüber halten sich Sandmücken meist versteckt in Mauer- oder Gesteinsritzen und kommen erst gegen Abend zum Blutsaugen heraus. (Zumpt, 1956, S.36)
Problematisch ist, dass viele Sandmückenarten von Licht angelockt werden, aber auch unabhängig davon in Häuser hinein fliegen und dort Blut saugen. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.64, S.66, S.67, S.69, S.71) Wegen ihrer geringen Größe gelingt es ihnen, durch übliche grobmaschige Moskitonetze hindurchzukriechen (Zumpt, 1956, S.36). Unter noch unbekannten Umständen können Weibchen auch ohne Blutmahl Eier produzieren. Da diese Tiere aber Viren auch transovariell (von Muttertier auf die Nachkommen) weitergeben können, tragen sie auch ohne neue Infektionsquellen zu einer Krankheitsverbreitung bei. (Maier et al.,UBA, 05/03S.77) Auch stechen einige Arten, wie P.neglectus, gezielt Menschen. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.66)
Da sie keine allzu guten Flieger sind, finden sich Brutplätze in der Regel in einem Umkreis von 50 Metern um die Stelle, an der sie häufig anzutreffen sind. (Zumpt 1956IX S.36f)
In ihrem Vorkommen überschreiten Sandmücken im Allgemeinen nicht die 10°-Jahresisotherme, die derzeit etwa bei Köln liegt, aber sich mit Ansteigen der Temperaturen nordwärts verschieben wird. (siehe 5.2.1)
Als Phlebotomus mascittii 1999 in Baden-Württemberg in Lichtfallen gefangen wurde, galt dies als Erstnachweis von Sandmücken in Deutschland und P. mascittii damit als einzige europäische Art, die auch in Deutschland vorkommt. Sie ist fast ausschließlich in Städten und Dörfern, also in Vergesellschaftung mit Menschen anzutreffen. (Maier et al.,UBA, 05/03, , S.74, S.XVII)
Für sie wurde jedoch noch keine Vektorkompetenz nachgewiesen. Mittlerweile wurde jedoch auch eine andere Art, die aus Spanien stammende P.perniciosus, in Süddeutschland gefunden.
In ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Süd-Spanien, tritt sie häufig zusammen mit P.ariasi unter ähnlichen klimatischen Bedingungen auf, wie man sie mittlerweile in Süddeutschland antrifft, und auch P.ariasi gilt als sehr tolerant gegenüber Kälte. Aus dieser Gegend werden häufig Hunde nach Deutschland importiert. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.64,S.69; Stark et al., 2009, S.8) Auch P.neglectus, die ebenfalls eine hohe Kältetoleranz zeigt, könnte sich bei uns ausbreiten. Des weiteren wird eine Ausbreitung von P.perfiliewi bis zum 49sten Breitengrad mit den steigenden Temperaturen für in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlichen gehalten. Dieser schneidet in Deutschland Karlsruhe und Regensburg.
Zur Bekämpfung von Sandmücken ist entweder Kenntnis von ihren Brutstätten nötig oder aber der gezielte Einsatz von Deltamethrin-Halsbändern an Hunden, da diese gerne als Blutwirte angeflogen werden. Das Gift führt nicht nur zu einem Unterlassen des Stechvorgangs, sondern auch zum Tod der kontaminierten Mücke innerhalb von 30-120 Minuten. (Maier et al., 05/03, S.66, S.68, S.77)
3.2. Zecken
Es gibt in Deutschland zwei Familien von Zecken: Einerseits Lederzecken, die jedoch allgemein nicht als Krankheitsüberträger bekannt sind, andererseits Schildzecken, die nach den Stechmücken als bedeutendste Überträger von Viren, Bakterien und Protozoen unter den Arthropoden gelten.
Schildzecken müssen drei Blutmahlzeiten im Laufe ihres Lebens aufnehmen, jeweils im Übergang zwischen Larve, Nymphe und Adultus. Dabei bevorzugen Larven und Nymphen der Schildzecke hauptsächlich Nager, kleine Insektenfresser und Vögel. Die Adulten hingegen saugen eher bei großen Waldtieren, Hasen aber auch Nutztieren. Sie brauchen dafür mehrere Tage und fallen dann vom Wirt ab. Nach dem Verdauen des Blutes entwickeln sie sich weiter und häuten sich dann zum nächsten Stadium, oder sie suchen, im Falle des Adultus, einen Partner auf und sterben nach der Paarung (Männchen) oder Ablage der bis zu 3000 Eier (Weibchen). Der Lebenszyklus einer Zecke dauert zwischen eineinhalb und viereinhalb Jahre. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.86- S.89, S.108)
Schildzecken sind vor allem wegen ihrer Fähigkeit, FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) und Lyme-Borreliose zu verbreiten, bei uns gefürchtet. Aber auch weitere Krankheiten wie unter anderem das Zeckenfleckfieber, die Hasenpest und die Babesiose können von ihnen übertragen werden. Vor allem der bei uns weit verbreitete Holzbock (Ixodes ricinus), der etwa 95% der heimischen Zeckenfauna ausmacht, zeichnet sich durch seine multiple Vektorkompetenz aus. Aber auch die Rote Schafzecke (Haemaphysalis punktata), die Au(wald)- oder Kuhzecke (Dermacentor reticulatus), die Schafzecke (Dermacentor marginatus) und die Braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) eignen sich als Überträger verschiedener Krankheiten. Viele weitere Arten besitzen ebenfalls nicht unbeträchtliche Vektorkompetenzen. (Maier et al.,UBA, 05/03, S.96; S.88f/2.10.2 u. S.90-S.95)
Die Braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) ist erst in den letzten Jahren aus dem Mittelmeerraum in viele Teile Deutschlands eingeschleppt worden. Mit ihr wäre auch eine Verbreitung des Mittelmeerfleckfiebers in Deutschland möglich, bisher wurden jedoch noch keine autochthonen[5] Fälle bekannt. (Maier et al., UBA, 05/03, S.110)
Bei Zecken ist eine Bekämpfung in freier Wildbahn schlecht möglich, da sie weit verbreitet sind und auch mit verschiedenen Vegetationen zurechtkommen. Der Einsatz von Akariziden[6] in Nagerbauten ist für großflächige Bekämpfung unrealistisch. Es ist daher schwer, die Bestände dieses Vektors einzudämmen, was die Eigenverantwortung jeder Person erhöht, durch passende Kleidung, Repellentien und Absuchen der Haut einer durch Zecken übertragenen Infektion vorzubeugen.
Die steigende Durchseuchungsrate mit dem FSME-Virus in den Zeckenbeständen gibt Grund zur Sorge, dass auch einwandernde Krankheiten in den Beständen nicht bekämpft werden könnten. (Maier et al., UBA, 05/03, S.111, S109)
3.3. Milben
3000 Arten von Milben (Trombiculiden) sind weltweit verbreitet. Lange Zeit ging man davon aus, dass eine Verbreitung in Deutschland nur in begrenzten Herden vorläge. Mittlerweile ist die anerkannte Meinung jedoch, dass ganz Deutschland betroffen ist, Milben aber lediglich kleinräumig, nicht flächendeckend und in unterschiedlichen Dichten auftreten.
Milben legen in feuchtem Boden bis zu 400 Eier ab. Die Larven graben sich nach dem Schlüpfen zur Erdoberfläche durch und sammeln sich in größeren Gruppen an herausragenden Stellen wie den Spitzen von Grashalmen, bis sie von einem Wirt abgestreift werden. Dabei geraten sie häufig auch an den Menschen. Es sind hauptsächlich die Larven, die stechen, um an Lymphflüssigkeit und Gewebssaft zu gelangen. Dazu verweilen sie bis zu einige Tage am Wirt, beim Menschen jedoch meist nur wenige Stunden.
Ihr typischer Lebensraum ist niedrige Vegetation in hoher relativer Luftfeuchte, weshalb sie sich selten höher als 20-30cm über dem Boden aufhalten.
Milben werden bei geeigneter Luftfeuchtigkeit bereits bei knapp 10°C aktiv, ihr Optimum ist jedoch bei 25°-30°C. Deshalb werden sie hauptsächlich im August und September zur Plage. Man trifft sie aber bereits Anfang März bis Ende November an.
In Zentraleuropa wurden sechs an Menschen parasitierende Milbenarten beschrieben, von denen die Herbstmilbe (Neotrombicula autumnalis) mit ihren vier Unterarten als medizinisch am relevantesten gilt. Die weiteren Milbenarten sind Neotrombicula desaleri, N. japonica, N. zachvatkini, Trombicula toldti und Euschoengastia xerothermobia.
Fundierte Untersuchungen über die Vektorkompetenz von Milben in Europa fehlen bisher, jedoch konnten außerhalb Europas schon die Erreger des Q-Fiebers und zweierlei Arten von Rickettsien in Milben nachgewiesen werden. Möglicherweise sind Milben auch Vektoren einiger typischer Zeckenerkrankungen wie FSME und Borreliose, aber eine klare Bestätigung hierfür gibt es noch nicht. Tropische und subtropische Milbenarten sind Überträger des von Bakterien verursachten Tsutsugamushi-Fiebers. (Maier et al., UBA, 05/03, S.113 – S.116; Kampen, 2000, S.393)
3.4. Weitere Arthropoden
Einige weitere Arthropoden haben in Deutschland Einfluss auf Krankheitsverbreitungen. Zu ihnen gehören Flöhe, Läuse und Wanzen.
Die 240 Gattungen der Flöhe (Siphonaptera) zählen circa 2500 Arten und Unterarten. Durch Butsaugen an wechselnden Wirten können Tiere beiderlei Geschlechts als Vektor dienen. Da Flöhe jedoch in sehr engem Kontakt zu ihren Wirten stehen und auch die Larven vom Kot der Elterntiere im Schmutz und Schutz des Nests des Wirts leben, reagieren Flöhe kaum auf Umweltveränderungen. In Deutschland gelten acht Floharten als human- und/oder veterinärmedizinisch relevant, jedoch nicht im Bezug auf Krankheiten tropischer Herkunft. Läuse (Phthiraptera), allen voran die Kleiderlaus Pediculus humanus corporis, gelten zwar als kompetente Überträger einiger Tropenkrankheiten wie dem Fleckfieber, doch auch ihre Verbreitung ist weniger abhängig von der globalen und regionalen Temperatur, sondern besonders, da sie mehr noch als Läuse auf einen engen Wirtskontakt angewiesen sind, von der Hygiene. Ähnliches gilt bei Wanzen (Heteroptera), bei denen auch keine genauen Befunde über ihre Vektorkompetenz vorliegen.
Es ist nicht auszuschließen, dass diese Humanparasiten vereinzelt zu Überträgern für Tropenkrankheiten in Deutschland werden können, doch die hier verbreiteten Hygienestandards beschränken ihre Relevanz im Vergleich zu Mücken und Zecken enorm. (Maier et al., UBA, 05/03, S.78f, S.83, S.85, S.82)
3.5. Reservoirs
Nagetiere und Hasen übertragen Krankheiten zwar nur selten direkt auf Menschen, jedoch kann ihr Kot in verunreinigtem Trinkwasser oder Lebensmitteln als Infektionsquelle dienen. Zudem können sie Erreger wie Bakterien, Protozoen, Helminthen (Würmer) und Viren während ihres mehrjährigen Lebens beherbergen und diese an blutsaugende Artropoden weitergeben, die dann den Menschen damit infizieren. So dienen sie Krankheiten als Rückzugsort und damit auch beispielsweise im Frühjahr als Infektionsquelle der jungen Mückengeneration. Besonders die Kulturfolger unter den Nagern wie Hausmaus, Hausratte und Wanderratte können durch Wanderung infizierter Tiere neue Gebiete für Krankheiten erschließen und die Ausbreitung damit vorantreiben. (Maier et al., UBA, 05/03, S.120,S.125f)
Dies ist auch ein Risiko des alljährlichen Vogelzugs. Die typischen Zuggebiete liegen in Südeuropa und Nordafrika und bei Langstreckenziehern wie Störchen auch über ganz Afrika verteilt. (Die Tiere unserer Heimat S.96f) In diesen Regionen können sich die Tiere mit vielen Krankheiten infizieren und mit ihrer Rückkehr zu uns einschleppen. (vgl. UBA 05/03 S.133,S.137-S.140) Dies führte vermutlich auch zum Ausbruch des West-Nil-Fiebers in den USA, denn hier gelten zurückkehrende Vögel aus Israel als Verursacher. (Stark et al., RKI, 2009, S.9)
Viele Menschen unterschätzen auch die Ansteckungsgefahr durch importierte Haustiere, allen voran Hunden und Pferden. In Folge unprofessioneller Tierschutzbemühungen durch Urlauber und unqualifizierter Organisationen gelangen immer wieder vor allem Straßenhunde aus südlichen Ländern ohne ausreichende medizinische Vorsorge nach Deutschland, wo sie in ihrem Heimatland erworbene Krankheiten übertragen können. (Maier et al., UBA, 05/03, S64f.; S.69; S.178f )
Pferde wurden in diesem Zusammenhang besonders wegen ihrer Reservoireigenschaften für das West-Nil-Fieber bekannt.
Allgemein kann jedes von blutsaugenden Arthropoden heimgesuchte Tier und auch diese selbst zum Rückzugsort für Erreger werden. (Maier et al., UBA, 05/03, S.137,S.139)
IV. Weitere beeinflussende Faktoren bei der Ausbreitung von vektorübertragenen Tropenkrankheiten
4.1. Reiseverkehr und Handel
Die meisten in Deutschland diagnostizierten Tropenkrankheit wurden nach wie vor im Ausland erworben. Am besten ist die Wechselwirkung zwischen Krankheitserwerb und Reise bei der Malaria publiziert. So infizierten sich 92% der in Deutschland behandelten Malariapatienten mit bekanntem Infektionsland 2009 in Afrika, besonders in Ghana und Nigeria.
Indien ist das wichtigste nicht-afrikanische Infektionsland, allerdings nur mit sechs registrierten Fällen. Jedoch fehlen für circa 1/3 der Infektionen Angaben über das Infektionsland.
Wie in den Vorjahren infizierten sich auch 2009 mehr als doppelt so viele Männer als Frauen mit Malaria, was vermutlich auf Unterschiede im Reise- und Präventionsverhalten zurückzuführen ist. Denn 78% aller Erkrankten hatten sich nicht oder falsch mit Prophylaxemedikamenten auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet.
Unter allen Malariaerkrankten in Deutschland waren 37% der Patienten deutsche Staatsbürger, von denen 66% nach touristischen Reisen oder nach Besuchen bei Freunden und Verwandten erkrankten. Die Zahl der erkrankten Geschäftsreisenden sank gegenüber dem Vorjahr von 13% auf 7%.
Bei Bürgern ausländischer Herkunft waren Verwandtschaftsbesuche mit 70% gegenüber dem vorjährigen 77% immer noch der Hauptgrund für die Reise, während der es zur Malariainfektion kam.
Viele Infektionen wären durch bessere Vorsorge zu verhindern gewesen. So rät das Robert-Koch-Institut, um die Erkrankungszahlen effektiv zu senken, zu adäquater reisemedizinischer Beratung, geeigneter Expositions- und Chemoprophylaxe, sowie besserer Information über Reisekrankheiten seitens Arzt und Patient, um dadurch gezieltere Prophylaxe-, Diagnose- und Behandlungsmethoden verwenden zu können.
Für das Denguefieber ist bekannt, dass circa 30% der Infektionen in Thailand erworben wurden, weitere 15% in Indien und 13% in Indonesien. Man geht von jährlich knapp drei Millionen Reisen in Dengue-Risikogebiete aus, was bei der derzeitigen Infektionslage bedeutet, dass sich einer von 10.000 Reisenden dabei mit Dengue infiziert. Das Chikungunya-Fieber wurde meist nach Malediven-,Thailand- und Malaysia-Aufenthalten nach Deutschland eingeführt, daher steigen die Fallzahlen häufig stärker mit der Reisesaison. (Epidemiologisches Bulletin Nr.38, 2010, S.S379-S383; S.186f)
Zusätzlich zu den zahlreichen Tropenreisen schaffen die 18 Mio Reisen in den europäischen Mittelmeerraum mit einer durchschnittlichen Dauer von zwei Wochen reichlich Gelegenheiten, Erreger bei uns einzuführen. (Stark et al., RKI, 2009, S.8)
Dabei ist die Herkunft für das Zusammenspiel von Erreger und Vektor extrem wichtig, wie bereits Versuche zur Vektorkompetenz von Anophelen bei verschiedenen Plasmodien gezeigt haben (siehe auch VI.).
Unter dem Namen Baggage- oder Airportmalaria werden des öfteren Fälle von Malaria bei Personen bekannt, die sich zuvor nicht in den Tropen oder anderen typischen Malariaregionen aufgehalten haben, dafür aber im Umkreis internationaler Flughäfen. 1999 erkrankten drei Personen im Umkreis von 2-4 km des Luxemburger Flughafens an Plasmodium falciparum, obwohl sie zuvor gar nicht oder lediglich nach Schottland, gereist waren. Die Erklärung wäre eine Infektion durch Mücken, die im Flugzeug oder im Gepäck von Reisenden oder Luftfracht mittransportiert wurden, oder einheimische Mücken, die sich bei erkrankten Reisenden infiziert haben. (Epidemiologisches Bulletin Nr.37;1999; S.274; Stark et al., RKI, 2009, S.6f)
Handel spielt eine große Rolle, wenn es um die Verschleppung von Vektoren geht. Nachweislich werden immer wieder gegen Austrocknen resistente Eier von Ades albopictus beim Transport von Autoreifen aus Südamerika in die USA verschleppt. Dies erzeugt dort die Gefahr eines lokalen Ausbruchs von Gelbfieber, Dengue oder Chikungunya. (Maier et al., UBA, 05/03, S.195) Allgemein werden über Autoreifen und Versandbehälter mit Schnittblumen häufig versehentlich Tiegermücken mit versandt, was ursächlich für ihren weltweiten Siegeszug sein dürfte. (Hibbler, 2009 A397)
4.2. Hygiene
Bereits in der Definition von Tropenkrankheiten (siehe I) findet sich der Bezug zur Hygiene. Während dieser Arbeit wird mehrfach auch der Bezug zu hygienischen Bedingungen hergestellt. So wird der Kontakt zu Vektoren wie Milben, Flöhen, Läusen und Wanzen durch Hygiene verringert. Somit werden sie an der Krankheitsübertragung gehindert. Durch regelmäßige Körperpflege wird auch der Kontakt zu Zecken zumindest zeitlich verkürzt. Säuberung mit geeigneten Reinigungsmitteln können außerdem verhindern, dass auf der Haut befindliche Erreger in den Organismus gelangen oder Wohnraum mit ihnen verunreinigt ist.
Nahrungsmittelhygiene ist ein entscheidender Faktor, um die Kontaminierung von Nahrung und Trinkwasser durch Urin, Kot oder andere Hinterlassenschaften von Keimverschleppern zu unterbinden und damit Infektionen vorzubeugen.
Auch der enge Kontakt zu vielen Nutztieren ist in Industriestaaten eher unüblich und seltener als in vielen Herkunftsstaaten der Erreger. ( siehe III)
V. Das Klima in Deutschland
5.1. Das Klima in der Vergangenheit Deutschlands
Das heutige Klima besteht im Wesentlichen seit etwa 12.000-15.000 Jahren, somit seit dem relativ raschen Ende der Würm-Glazial und der Weichsel-Kaltzeit und der damit verschwindenden Vergletscherung. Damals stieg die jährliche Durchschnittstemperatur um bis zu 12°C gegenüber den vorangegangenen Jahrtausenden. Die Temperaturen stiegen weiter und erreichten vor etwa 6.500 Jahren und nochmals vor 4.500 Jahren Spitzenwerte, die ungefähr dem heutigen Temperaturniveau entsprachen oder es sogar leicht übertrafen. In den dazwischenliegenden 2000 relativ warmen Jahren dazwischen verstärkte sich die Einwanderung von mediterraner Organismen, vor allem die von Insekten wie beispielsweise Sandfliegen und Anophelen, die heute noch in Inselpopulationen in Deutschland zu finden sind und sich den damals bei uns vorkommenden Vertretern der sibirischen Fauna hinzugesellten. (Aspöck 2007)
5.2. Das Klima in Deutschland im Wandel
Allgemein lässt sich sagen, dass sich unsere Atmosphäre in den letzten 100 Jahren im Mittel um 0,74°C erwärmt hat. Maßgeblich beeinflusst wird das Klima durch die seit Beginn der Industrialisierung um circa 1750 veränderte Landnutzung, Landwirtschaft und den Verbrauch fossiler Brennstoffe, die zu einem rapiden Anstieg der Treibhausgaskonzentration in unserer Atmosphäre geführt haben.
Das IPCC rechnet derzeit, abhängig von der weltweiten Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung sowie der Einführung effizienterer klimaschonender Technologien, mit einer globalen Erwärmung von 2,5°C – 4,1°C[7] bis zum Jahr 2100.
Auch für Deutschland wurde ein regionales Klimamodell[8] entwickelt, auf dem folgende Vorher-sagen beruhen. (Jakob, UBA, 11/08, S.15, S.16, S.20, S.25)
5.2.1. Temperatur
Im Rahmen der Simulation wurde für Deutschland bis zum Jahr 2100 ein Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen um 2,5°C-3,5°C prognostiziert, je nach zugrunde liegendem Szenario (gegenüber der Vergleichsperiode von 1961-1990).
Zeitlicher Verlauf der Änderung des Jahresmittels der Temperatur [°C]
Den Berechnungen nach stiege die Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland an der Ostsee von 9°C-11°C auf etwa 11°C-13°C. Die Durchschnittstemperatur um die Hoch- und höheren Mittelgebirgslagen würde sich dann von circa 7°C-9°C auf 9°C-11°C erhöhen, wobei der Unterschied zu den umliegenden Regionen stark zurückginge. Einige Regionen, die im Vergleichszeitraum Mittelgebirgstemperaturen aufweisen, würden sich so auf die Mittelwerte des umliegenden Tieflands und damit auf die in Großteilen Deutschlands prognostizierte Durchschnittstemperatur von 11°C-13°C erwärmen. Im Südosten, Südwesten und im Gebiet des Rheingrabens ist sogar ein Anstieg der Jahresmittelwerte auf bis zu 15°C vorhergesagt. Da Jahresisothermen[9] eine wichtige Zäsur für die Artenverbreitung darstellen, wird deren mit der allgemeinen Temperaturerhöhung einhergehende Verschiebung uns in späteren Kapiteln noch beschäftigen.
Der Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert wird den Prognosen nach allerdings nicht linear verlaufen. Stattdessen weisen die durchgeführten Simulationen auf eine langsamere Erwärmung der mittleren Temperaturen der Monate Februar und März hin, die erst gegen Ende des Jahrhunderts auf das Niveau des allgemeinen Deutschlandtrends aufschließen und in einem der Szenarien sogar dann noch deutlich darunter bleiben. (Jakob et al., UBA, 11/08, S.41, S.42, S.44, S.47f u. Abb.27/S.91, Abb.43/S.103, Abb.44/S.104, Abb.45/S.105, Abb.46/S.106, Abb.48/S.108)
5.2.2. Niederschlag
Der Niederschlag wird in den Herbst-, Winter- und Frühjahrsmonaten zunehmen.
Demnach soll sich für Deutschland im Mittel für Frühjahr um Herbst eine Niederschlagszunahme um ca.10%, für den Winter sogar von über 20%. Für die Sommermonat errechnete sich jedoch eine Abnahme um bis zu 20% – 30%.
Für Bayern wird mit Zunahmen des Niederschlags um 7% – 19% im Winter und sogar 12% – 26% im Frühjahr gerechnet. Im Herbst vollzieht sich eine Änderung gegenüber dem Vergleichszeitraum von -2% – 11%. Die Niederschlagswerte des Sommers hingegen werden wohl auch in Bayern stark rückläufig sein. Hier geht der Trend mutmaßlich zu einer Abnahme um 12% – 23%, in vereinzelten Jahren ergaben sich sogar Niederschlagsabnahmen um bis zu 30%. Daraus resultiert eine Änderung des Jahresdurchschnittsniederschlags um -2% – 6%. Die Werte der anderen Bundesländer zeigen eine ähnliche Tendenz , können im Einzelnen aber auch abweichen.
Die Dauer der längsten Trockenperioden, also Folgetagen mit weniger als 0,1mm Niederschlag/Tag, ist bisher im Durchschnitt circa zehn Tage in Norddeutschland und 20 Tage in Baden-Württemberg. Hier wird nicht mit signifikanten Änderungen gerechnet, lediglich in Bayern und Sachsen wird ein leichter Rückgang um 2-4 Tage erwartet. Genauere Analysen hierzu wurden jedoch noch nicht hinreichend durchgeführt. (Jakob et al., UBA, 11/08, S.43, S.44, S.48, S.49, S.51, S.52 u. Abb.64/S.124–Abb.68/S.128, Abb.70/S.130)
5.2.3. Wetterausprägung
Aus den durch das Klimamodell gewonnenen Daten war es möglich, weitere Rückschlüsse auf zukünftige Wetterphänomene in Deutschland zu ziehen.
Durch einen überproportionalen Anstieg der Temperaturen im Winter um bis zu 3°C-4°C ist mit einer Abnahme des Schneefallanteils am Gesamtniederschlag zu rechnen.
Die Zahl der Sommertage, also Tage, an denen die Temperatur von 25°C mindestens einmal überschritten wird, wird der Simulation zufolge zunehmen. Der bisherige Höchstwert im Vergleichszeitraum von 1981 mit 35 Sommertagen wird im Modell spätestens ab 2060 in allen Szenarien dauerhaft überschritten. In einem Szenario werden sogar Werte von 60 Sommertagen erreicht, während es in einem anderen bis 2100 nie zu mehr als 50 Sommertage kommt.
Auch die Zahl heißer Tage, bei denen die Temperatur mindestens einmal am Tag die 30°C Marke überschreitet, wird zunehmen. Bisher waren 4-5 heiße Tage pro Jahr der Durchschnitt und selbst im Rekordjahr 1981 waren es nicht mehr als 7. Die Klimaszenarien zeigen jedoch eine Steigerung auf 14-18 heiße Tage pro Jahr auf. Eines der Szenarien weist sogar in mehreren Jahren 20 heiße Tage auf. Somit ist der Anteil heißer Tagen sogar verhältnismäßig höher als der der Sommertage. Jedoch unterliegt auch dies regionalen Schwankungen.
Aus der Zunahme der Lufttemperatur mit gleichzeitiger Abnahme des Niederschlags im Sommer folgt eine Abnahme der Luftfeuchtigkeit in den Sommermonaten.
Im Kontrolllauf zeigte die Simulation eine hohe Zuverlässigkeit. Lediglich bei der Vorhersage von Tagen mit Tagestemperaturminimum von 0°C (Frosttage) und Tagen mit Tagestemperaturmaximum von 0°C (Eistage) lagen die Berechnungen teils sehr stark neben der Realität. Daher fehlt es den Zahlen hier an Aussagekraft. Der Tendenz der Temperaturzunahme nach kann jedoch mit einer starken Abnahme von sowohl Frost- als auch Eistagen gerechnet werden, was auch dem weltweitem Trend entspricht, der über die letzten 50 Jahre beobachtet wurde. (Jakob et al., UBA, 11/08, S.54-S.58 u. Abb.75,Abb.76 /S.135; IPCC, 2007, S.9)
VI. Einflüsse des Klimas auf Vektoren und Krankheiten
Die Temperaturerhöhung ist wohl die augenscheinlichste Veränderung, die der Klimawandel bringt. Bereits kleinere Temperaturschwankungen haben einen großen Einfluss auf die Verbreitung von Tropenkrankheiten in unseren Breiten. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Temperatur ein wichtiger Faktor für die Verbreitung von Arten, Pathogenen und der Entwicklungsgeschwindigkeit beider ist.
Das Beispiel der Sandmücke P.mascittii, die in Deutschland unter 13°C nicht aktiv, ab 14,5°C aber bereits flugaktiv ist, veranschaulicht gut, was bereits Schwankungen von 1,5°C ausmachen. (Maier et al., UBA 05/03 S.74) In Deutschland wird aber eine Temperaturerhöhung von bis zu 3,5°C im drastischsten Szenario erwartet.
Allerdings muss es nicht zwingend so sein, dass steigende Temperaturen nur zum Vorteil für Überträger und Pathogene sind. Zu hohe Temperaturen können auch hemmend auf die Entwicklung wirken. Sind die ansteigenden Temperaturen mit einem Sinken der Luftfeuchtigkeit verbunden, kann die Lebensdauer der Vektoren auch verkürzt werden. Auch das Verhalten der Menschen ändert sich bei zunehmenden Temperaturen. Einerseits kann sich ihre Aufenthaltsdauer im Freien erhöhen und die Bekleidungsmenge abnehmen. Andererseits können hohe Temperaturen in entwickelten Ländern aber auch den gegenteiligen Effekt haben und die Menschen zum vermehrten Aufenthalt in klimatisierten Räumen anregen, was die Zahl der Vektorkontakte wieder verringert. (Maier et al., UBA 05/08 S.181)
Klimabedingte Naturkatastrophen haben ebenfalls Effekte auf die Verbreitung von Vektoren. Allerdings ist nur schwer vorherzusehen, ob sie eher förderlich oder hinderlich sind. So können Überschwemmungen die Brut davonspülen, andererseits aber nach ihrem Abklingen eine vektorfreundliche Situation hinterlassen, da für auf Feuchtigkeit angewiesene Arten viele neue Brutplätze entstehen. Dürren wiederum können Flüsse soweit austrocknen, dass sie zu Ketten von Weihen und Pfützen werden, die optimale Brutplätze für Mücken sind, gleichzeitig verringern sie insgesamt aber die Zahl anderer Brutstätten durch Austrocknung. (Maier et al. UBA, 05/03, S.180-S.185)
Realistische Vorhersagen über den Einfluss des Klimas auf die Verbreitung von Vektoren können daher nur getroffen werden, wenn die genauen Reaktionen aller biologischen Systeme bekannt ist. Dies ist derzeit bei den meisten in dieser Arbeit aufgeführten Organismen nicht der Fall.
Aus diesem Grund sollen Malaria und Dengue-Fieber als in diesem Zusammenhang am besten erforschte Krankheiten exemplarisch die komplizierten Wechselwirkungen veranschaulichen.
Die optimale Entwicklungstemperatur für das Plasmodium berghei[10], das zur Erforschung der Malaria verwendet wird, liegt bei 19°C. Ab etwa 25°C werden kaum noch Oozysten und keine Sporozoiten (siehe 1.2.2) mehr gebildet. Die Mindesttemperatur für die Entwicklung von P.vivax liegt bei ca. 16°C-17,5°, für P.malariae bei 16,5°C und für P.falciparum bei 18°C-19°C.
Die gegenwärtige Verbreitung der Malaria tropica (P.falciparum) scheint durch die Sommerisotherme von 20°C begrenzt zu sein, die von Malaria tertiana und quartana erst durch die 16°C-Isotherme.
Mücken leben je nach Verbreitung in der Regel nur wenige Wochen, wenn sie überwintern bis zu mehrere Monate. Je höher die Luftfeuchte ist, umso länger ist ihre Lebensdauer. Bei circa 30°C-35°C ist das Temperaturoptimum der meisten Anophelesarten überschritten. Entsprechend ihrer Temperaturempfindlichkeit findet man verschiedene Anophelesarten auch in Europa verbreitet. Diejenigen Arten, die eine Entwicklungsverzögerung mit herabgesetztem Stoffwechsel (Diapause) einlegen können, überleben auch konstanten Frost, aber milde Winter mit häufigen Temperaturschwankungen sind auch für sie oft tödlich.
Die Larven benötigen für ihre Entwicklung Temperaturen ab 10°C. 25°C-30°C sind für die meisten Arten optimal, ab etwa 35°C beginnt der letale Bereich.
Die Zeit, die während der Wirtssuche, Blutaufnahme, Verdauung des Blutes und Eiablage vergeht, der gonotrophe Zyklus, wird durch einen Temperaturanstieg verkürzt, da zwischen der Geschwindigkeit der Blutverdauung und der Temperatur eine lineare Abhängigkeit besteht. So beschleunigt sich die Verdauung bei An.marculipennis von zehn Tagen bei 15°C auf zwei Tage bei 20°C. Zudem lässt sich ein Erhöhung der Verdauungsrate bei ansteigender Luftfeuchte feststellen.
Die Überträgermücke An.gambiae legt ab 30°C keine Eier mehr, sondern nutzt das getrunkene Blut zum Überleben.
Zu Viruserkrankungen liegen einige Forschungsergebnisse vor, die zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen Temperatur und Infektiosität ihrer Trägermücken besteht. Damit eine Vektormücke infektiös wird, muss sich das Virus erst in ihr vermehren. Versuche zeigen, dass die Replikationsrate von Dengue-Viren parallel zur Temperatur ansteigt. So übertrugen bei 28°C 60% der Mücken schon nach neun Tagen das Virus, nach 14 Tagen sogar zu 100%, wohingegen bei 20°C erst nach 20 Tagen überhaupt Infektionen stattfanden.
Dies zeigt, dass höhere Sommertemperaturen zwar positiv für die Vektoren sind, die sinkende Luftfeuchte hingegen nicht.
Die Überschreitung des Optimumbereichs der Mücken wird in Deutschland in Zukunft häufiger der Fall sein als bisher, aber immer noch deutlich seltener als in den ursprünglichen Verbreitungs-gebieten vieler eingewanderter Mückenspezies. Allerdings kann sich dies verstärkt nachteilig auf unsere ursprünglich heimische Mücken auswirken, die sich bisher selten mit so hohen Temperaturen konfrontiert sahen, was zu gravierenden Verschiebungen im Artvorkommen führen kann. Ähnlich kann sich die erwartete Steigerung der Wintertemperaturen auswirken, denn durch sie wird der Frost weniger gleichmäßig und permanent ausfallen. Arten, die eine Diapause einlegen, stehen dadurch großen Schwierigkeiten gegenüber.
Die Aktivitätsdauer aller Arten wird sich durch späteren Frost im Herbst und wärmere Frühjahrs-temperaturen verlängern.
Es ist zu erwarten, dass die Lebensdauer der einzelnen Individuen durch die Abnahme der Luftfeuchte sinkt, was jedoch möglicherweise mit einem temperaturbedingt kürzeren gonotrophen Zyklus und der schnelleren Entwicklung der Larven eine häufigere Generationenfolge bedingen kann. Dadurch würden besonders die Mücken eine Gefahr, die die Erreger transovariel an die Nachkommen weitergeben. Bei allen anderen wird die Infektionswahrscheinlichkeit vermutlich zunächst zurückgehen, da die kürzere Lebensspanne weniger Gelegenheiten lässt, ein Pathogen aufzunehmen. Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass sich die aufgenommenen Erreger durch den Temperaturanstieg schneller entwickeln und damit Träger früher als bisher infektiös werden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Entwicklungsbedingungen der Larven Einfluss auf die Empfänglichkeit der erwachsenen Tiere gegenüber Viren haben können. Allerdings sind diese Vorgänge sehr komplex und bislang kaum erforscht, so dass über die genauen Abläufe kaum Aussagen getroffen werden können. (Maier et al., UBA, 05/03, S.188-S.192)
Auf die in II. vorgestellten Schemata bezogen bedeuten die oben angesprochenen Änderungen folgendes:
Durch die Einwanderung neuer effizienterer Überträgerspezies stiege die Wahrscheinlichkeit einer Infektion nach einem Stich oder wäre sogar bei Krankheiten, die an Träger gebunden sind, nach deren Einwanderung erstmals größer als Null.
Ob die Menge der Stechkontakte und die Anzahl der Mücken pro Person steigt, darüber kann derzeit keine Aussage getroffen werden. Wie oben gezeigt, könnte die durchschnittliche Lebenserwartung einer Mücke in Deutschland in Zukunft sinken. Dadurch sänke dann womöglich auch die Wahrscheinlichkeit für die Mücke, die Latenzzeit zu überleben, wobei die Latenzzeit selbst jedoch sinken könnte, was den gegenteiligen Effekt hätte. An der Dauer der Infektion beim Menschen wird der Klimawandel nichts ändern.
Allgemein lässt sich jedoch noch anmerken, dass neue Erreger kaum auf Resistenzen seitens der deutschen Bevölkerung treffen werden. Daher fehlt hier eine Regulation, die der Erreger in seinem Heimatland erfährt, was die Zahl der erfolgreichen Infektionen nach einem infektiösen Stich gegenüber der Ursprungsländer der Krankheiten steigern dürfte.
Noch können die endgültigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Ausbreitung der Tropenkrankheiten in Deutschland aufgrund ihrer Komplexität nicht abgeschätzt werden, da auf diesem Gebiet in den letzten Jahren zu wenig Forschung betrieben worden ist. Die sich bereits vollziehende Ausbreitung vieler Spezies gen Norden zeigt aber, dass die Klimaänderungen, wie sie sich derzeit vollziehen, die Verbreitung bestimmter Arten begünstigen.
Trotzdem lassen sich vorsichtige Prognosen für einzelne Krankheiten erstellen.
Blick über das Ufer am Arber SeeVII. Voraussichtliche Endemisierungsrisiken verschiedener Tropenkrankheiten in Deutschland
7.1. Chikungunya-Fieber
Folgendes Bild gibt sich für das Chikungunyavirus:
Der Hauptvektor des Chikungunyafiebers, die Asiatische Tiegermücke, ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts lokal in Deutschland vorhanden. Daher könnten infizierte Urlauber, die das Virus ins Land bringen, möglicherweise auch ausschlaggebend für eine Endemisierung der Krankheit hierzulande sein. Allerdings ist die Infektionsdauer beim Menschen eher gering. Ob sich die Krankheit bei uns halten könnte, bleibt unklar. Jedoch scheint sie derzeit auf dem Vormarsch nach Europa zu sein, was nicht zuletzt der Verbreitung ihres Hauptvektors zuzuschreiben ist. Ob daran nun der Klimawandel oder doch mehr der globale Handel Schuld trägt, lässt sich Augenblick noch nicht belegen..
Es sollte damit gerechnet werden, dass Chikungunya das nötige Potential besitzt, sich zu uns auszubreiten. (Stark et al., RKI, 2009, S.4)
7.2. Denguefieber
Vor kurzem wurden auch autochthone Fälle aus Kroatien und Frankreich gemeldet.
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, berichtete das Neumarkter Tagblatt am 12 Oktober 2010 von einem deutschen Urlauber, der sich in Kroatien mit dem Dengue-Virus infiziert hat. (Neumarkter Tagblatt vom 12.10.2010) Kurz zuvor, am 13.September 2010, hatten die französischen Behörden über den ersten autochthon in Frankreich erworbenen Fall bei einem 64 jährigen Mann aus Nizza berichtet. Kurz darauf wurde ein weiterer Fall bei einem 18jährigen aus dessen unmittelbaren Wohnumfeld gemeldet. In dem Departement rund um Nizza hat sich seit Jahren eine stabile Population der Asiatischen Tiegermücke etabliert. Daher stand diese Region bereits zuvor unter Beobachtung. Im Monat vor den Erkrankungsfällen waren sechs importierte Fälle in Nizza bestätigt worden, die hier möglicherweise als Infektionsquellen gedient haben. (Epidemiologisches Bulletin Nr.38, 2010, S.386)
Damit schließt das Verbreitungsgebiet des Dengue-Fiebers nun erstmals auch europäischen Staaten mit ein.
Aedes aegypti kommt in Deutschland derzeit nicht vor, Aedes albopictus bereits lokal (siehe auch 6.1.1). Infizierte Tiere beider Arten können jedoch versehentlich über Warentransporte nach Deutschland eingeführt werden. (Stark et al., RKI, 2009, S.4, S.8f)
In den letzten Jahren kam es zudem zu einem erhöhten Reiseaufkommen nach Thailand, Indien, Indonesien, Sri Lanka und Brasilien, was sich in der steigenden Zahl an eingeführten Fällen widerspiegelt. (Epidemiologisches Bulletin Nr.38, 2010, S.386)
Zu beachten ist bei diesen Fallzahlen, dass erst seit 2003 eine eigene Meldekategorie für Denguefieber besteht. Von 2001-2003 wurden lediglich hämorrhagische Verläufe in der Kategorie „Andere Erreger hämorrhagischer Fieber“ geführt. Dies zeigt auch die steigende Aufmerksamkeit, mit der die Krankheit mittlerweile beobachtet wird.
Das Robert-Koch-Institut hält einen Ausbruch oder gar eine Ausbreitung des Erregers nach Deutschland für möglich. (Stark et al., RKI, 2009, S.4; Epidemiologisches Bulletin Nr.38, 2010, S.385) Es existieren leider noch keine Studien über die Vektorkompetenz unserer einheimischen Mücken, was es schwer macht, die tatsächliche Gefahr abzuschätzen. Könnte sich bei uns jedoch ähnlich wie in Frankreich eine stabilere Population an Tiegermücken etablieren (vgl. 6.2.1), wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch bei uns autochthone Fälle auftreten. Allerdings gibt es derzeit Versuche mit einem Impfstoff in Südostasien, der in einigen Jahren Marktreife erlangen könnte und somit eine effektive Gegenwehr darstellen würde.
7.3. Gelbfieber
Die Ausbreitung dieser Krankheit aufgrund von infizierten Urlaubern ist wegen des sehr akuten Krankheitsverlaufs eher gering, vor allem da intensivmedizinische Patienten von Mücken abgeschirmt sein sollten.
Natürliche Reservoirs des Gelbfiebers sind Affen, die in Deutschland nur in menschlicher Obhut vorkommen. Aedes albopictus kommt, wie in 6.1.2. bereits erwähnt, in Deutschland lokal vor. Zusammen mit der kurzen Zeit, in der es dem Patienten möglich ist, als neue Infektionsquelle zu dienen, sollte sich die Gefahr einer dauerhaften Endemisierung derzeit in Grenzen halten. Sollte in Zukunft ein Anstieg der Vektorenzahl festgestellt werden, kann mit einer umfassenden Impfung der Bevölkerung Vorsorge betrieben werden. Der Impfstoff wird bereits seit längerem in den Verbreitungsgebieten verwendet und auch das deutsche Militär impft seine Soldaten vor Auslandseinsätzen. (Stark et al., RKI, 2009, S.9, S.4; Landes, 2010) Daher ist die Frage einer Ausbreitung zwar von der Temperatur beeinflusst, aber die Regulation durch ein effizientes Gesundheitssystem dürfte hier der ausschlaggebende Faktor sein.
7.4. West-Nil-Fieber
1999 wurden erste West-Nil-Fieber-Erkrankungen in den USA gemeldet und bereits wenige Jahre später, im Sommer 2002, kam es zu einer regelrechten Epidemie mit 4008 diagnostizierten Infektionen, von denen 263 einen tödlichen Verlauf nahmen. Zwischen Januar und Oktober 2005 wurden erneut beinahe 2000 Fälle, davon 55 letal, registriert. Da eine Infektion mit dem West-Nil-Virus aber durchaus symptomfrei verlaufen kann, existiert neben den bekannten Fällen vermutlich zusätzlich noch eine gewisse Dunkelziffer. Mittlerweile gilt das West-Nil-Fieber in großen Teilen Nordamerikas, vor allem in den Sommermonaten, als endemisch. In Europa kommt es bereits zu vermutlich autochthonen Infektionen in Rumänien seit 1996/97, Italien seit 1998, mitunter auch in Österreich und Ungarn und in Südfrankreich seit 2000, wobei in Frankreich bereits 1962-65 einen größeren Ausbruch gab. Seit 2010 gibt es auch autochthone Fälle in Nordgriechenland. (Stark et al., RKI, 2009, S.50; Maier et al., UBA, 05/03, S.10; Epidemiologisches Bulletin Nr.37, 2010, S.373)
Ae.geniculatus, Ae.punctor, Culex modestus, An.maculipennis, Ae.cantans, Mansonia richiardii undauch An.plumbeus, die in Deutschland vorkommen, gelten als kompetente Vektoren des West-Nil-Virus. Auch die ornithophile (Vögel bevorzugende) Culex pipiens, die den wichtigsten Vektor des West-Nil-Fiebers in Frankreich und Rumänien darstellt, ist bei uns heimisch (Maier et al., 05/03, S.30;S.33).
In überwinternden Culex kann das Virus überleben. Möglicherweise kann es auch zu Übertragungen durch Zecken kommen, dies ist jedoch noch nicht hinreichend erforscht.
Neben den direkten parasitären Überträgern wird die Verbreitung der West-Nil-Fiebers aber vor allem durch Reservoirwirte begünstigt. (Maier et al., UBA, 05/03, S.140)
Als Reservoirs können zahlreiche Säugetiere dienen, wie beispielsweise Mäuse, Katze und vor allem Pferde. Doch auch Frösche sind als Reservoir nicht ausgeschlossen. Besonders Zugvögel gelten als Hauptreservoire, die das Virus über viele Kilometer verschleppen, jedoch selbst vielfach daran zugrunde gehen. Sie werden für den Import der West-Nil-Fiebers nach Frankreich und Nordamerika verantwortlich gemacht. (Stark et al., RKI, 2009, S.9)
Bei einer Studie über die Verbreitung von West-Nil-Virus Antikörpern in Vögeln in Deutschland wurden zwischen 2005 und 2009 Blutproben von über 2700 Zug und Nicht-Zugvögeln aus 72 Arten genommen. Dabei wurden in elf Wildvogelarten Antikörper gefunden, die auf das Virus reagierten. Bei zehn Zugvogelarten wurden Antikörper gefunden, die in der Lage waren, das Virus auch effektiv zu bekämpfen, jedoch bei keiner einzigen Nicht-Zugvogelart. Zudem konnte in keinem einzigen der untersuchten Vögel das Virus selbst nachgewiesen werden (Seidowski et al., 2010). Allerdings hatten bei einer Studie von 2000-2005 mit 3399 Vögeln aus 87 Spezies nur 5 Spezies (53 Vögel) positiv auf Antikörper getestet werden können (Pauli, 2007). Dies spricht dafür, dass das Virus derzeit noch nicht in Deutschland zirkuliert.
Andererseits gibt es in Deutschland sowohl kompetente Vektoren als auch Reservoirwirte und es wurden in den letzten Jahren auch einige Fälle von importiertem West-Nil-Fieber aus Endemiegebieten bekannt (Stark et al., RKI, 2009, S.9f). Die rasche Ausbreitung in Nordamerika zeigt auch, dass das Virus durchaus klimatisch nicht auf Tropen- und Subtropentemperaturen angewiesen ist und auch in kälterem Klima erfolgreich verbreitet werden kann.
Sämtliche Quellen bezüglich des West-Nil-Fiebers stimmen darin überein, dass eine Ausbreitung des West-Nil-Fiebers nach Deutschland mit einer nicht zu geringen Wahrscheinlichkeit möglich ist. Dies wurde bisher vermutlich nur durch eine zu geringe Virämie und/oder eine zu geringe Vektorendichte verhindert (Stark et al., RKI, 2009, S.10 u.a.).
Das Frauenhoferinstitut in Leipzig hat jedoch einen Impfstoff entwickelt, der 2012 zugelassen werden soll und gleichermaßen für Mensch und Tier anwendbar ist. (netdoktor.de 2010)
Damit wäre es dann möglich, den Neuankömmling bei Ausbrüchen frühzeitig einzudämmen und einer Endemisierung frühzeitig entgegenzuwirken.
7.5. Leishmaniose
Über die Vektorkompetenz der bereits in Deutschland verbreiteten Phlebotomus mascittii liegen derzeit keine Erkenntnisse vor.
Die in Europa beheimateten Sandmücken P.ariasi, P.perniciosus, P.neglectus und P.perfiliewi, die die aus Italien nordwärts wandert, sind jedoch nachgewiesene Überträger von L.infantum .
(siehe 2.1.1.) Daher dürfte mit ihrem Einwandern auch eine Ausbreitung der kutanen Leishmaniose einhergehen. Allerdings spricht das Umweltbundesamt auch von einer Ausbreitung der visceralen Leishmaniose. (Maier et al, UBA, 05/03, S.67f)
Als Reservoirs für Leishmanien können Füchse, Katzen, verschiedene Nagetiere und Hund dienen. Dies ist wegen des zunehmenden Hundeimports aus südlichen Ländern ein Problem.
Jährlich führen 18 Mio Reisen mit einer durchschnittlichen Dauer von zwei Wochen aus Deutschland in den europäischen Mittelmeerraum. (Stark et al., RKI, 2009, S.8) Da Leishmaniose nicht meldepflichtig ist, liegen leider keine Zahlen über Erkrankungsfälle bei zurückkehrenden Urlaubern vor.
Eine Ausbreitung von kompetenten Vektoren, vor allem wegen sich verbessernden klimatischen Bedingungen zusammen mit geeigneten Infektionsquellen, die in Form von Urlaubern und erkrankten Hunden vorliegen, macht eine Endemisierung der Leishmaniose wahrscheinlich. Vereinzelte autochthone Erkrankungen bei Menschen und Hunden in Deutschland können von importierten Fällen ausgelöst worden sein, eine Zirkulation der Krankheit in Deutschland konnte noch nicht nachgewiesen werden. (Maier et al., UBA, 05/03, S.178f)
7.6. Malaria
Als ausschlaggebend für die Vertreibung der Malaria gelten derzeit vor allem Eingriffe des Menschen in die Natur, wie Flussregulierungen, Sumpftrockenlegungen und Kanalisations-maßnahmen, die Mückenbrutplätze zerstörten. Zudem reduzierte sich der Kontakt zwischen Mücke und Mensch durch verbesserte Wohnhygiene und zunehmende Verstädterung. Hinzu kam eine Verschiebung im Mückenvorkommen in Folge des veränderten Brutplatzangebots in der kultivierten Landschaft. Die als harmlos geltende Anopheles maculipennis typicus verdrängte vielerorts die kompetente Vektorart Anopheles maculipennis messeae. Auch die Verwendung von Chemo-therapeutika und Insektiziden war kaum von Bedeutung. Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel konnte bisher nicht nachgewiesen werden. (Maier et al., UBA, 05/03, S.7f; Dalitz, 2004, S.2)
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ist eine Etablierung des Malariaerregers in Deutschland selbst dann äußerst unwahrscheinlich, wenn steigende Temperaturen bessere Verhältnisse für Erreger schaffen. Der Grund dafür liegt in unserem guten Gesundheitswesen, das über Früh-erkennungsmethoden und effizienter Therapien verfügt, die den Vektoren die Infektionsquellen nehmen (Stark et al., RKI, 2009, S.7, S.8). Ob dieses Vertrauen in unser Gesundheitswesen gerechtfertigt ist, wird die Zukunft zeigen.
7.7. Mittelmeerfleckfieber
Das Robert-Koch Institut hält eine Einschleppung des Mittelmeerfleckfiebers in weitere Gebiete Europas vor allem durch Hunde für möglich. Das Umweltbundesamt hält sich mit Prognosen hingegen noch zurück. (Maier et al., UBA, 05/03 S.168f und RKI 2006)
Da im Ausland Ziegen, Schafe und Rinder, die es auch bei uns reichlich gibt, nachweislich als Reservoirs fungieren und Zecken häufig vorkommende Vektoren sind, bestehen für Deutschland zumindest die Voraussetzungen seitens der Vektoren und Reservoirs. Allerdings ist bisher noch unklar, wie andere Faktoren die Krankheit beeinflussen und ob die Klimaveränderung auch bei uns die passenden Gegebenheiten schaffen wird. Bisher konnte zumindest in Deutschland noch kein autochthoner Fall nachgewiesen werden.
Resümee
Tropenkrankheiten gibt es viele. In dieser Arbeit konnten wegen des begrenzten Umfangs nur einige genauer betrachtet werden. Umso erschreckender ist es zu sehen, dass diese alle in gewissem Maße das Potential haben, auch in Deutschland ihren Siegeszug fortzusetzen. Natürlich kann man dies nicht auf alle Krankheiten aus tropischen Ländern übertragen. Viele werden auch weiterhin an unseren Klimabedingungen scheitern, andere an den Hygienestandards unseren Industriestaats. Deutschland sollte aber auf die Veränderungen vorbereitet sein. Daher ist es von enormer Bedeutung, dass mehr Forschung auf all jenen Gebieten betrieben wird, die uns helfen die zukünftigen Veränderungen angemessen zu erwarten und bei ungünstigen Entwicklungen Gegenmaßnahmen zu treffen. Es ist daher unverantwortlich, dass Wissenschaftsbereiche wie die
medizinische Entomologie (Insektenkunde) in den letzten Jahren massiv vernachlässigt wurden. Denn der Konsens in der Literatur ist, dass es zu wenig Daten für Deutschland gibt und daher oft Schätzungen, die auf Gegebenheiten in unseren Nachbarländern beruhen, als Grundlage für Prognosen und Aussagen dienen. Für grobe Einschätzungen mag dies genügen, aber nicht um akkurate Vorhersagen zu treffen und angemessen vorzusorgen.
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[1]„Endemie [gr.-nlat., Gegenbildung zu ->Epidemie] w;-,…jen: Bezeichnung für in bestimmten Gebieten ständig auftretende Krankheiten(z.B. Malaria in [sub]tropischen Sumpfgebieten) (vgl. DUDEN, 1966)
[2] Spanien, Frankreich, Monaco, Italien, Griechenland, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Albanien, Türkei
[3]Pathogen: Krankheitserreger (vgl. DUDEN, 1966)
[4]Arthropoden: Gliedfüßer (u.a.Zecken,Läuse,Flöhe und Stechmücken) (vgl. DUDEN, 1966)
[5]autochthon: am Fundort selbst entstanden (vgl. DUDEN FremdwörterbuchIII)
[6]Akarizid: Mittel zur Abtötung von Spinnmilben (DUDEN Fremdwörterbuch)
[7]Die hier verwendeten Zahlen des Umweltbundesamtes (Jakob et al., UBA, 11/08) beruhen auf den Prognosemodellen des IPCC und gehen aus einer Mittelung der wahrscheinlichen Bandbreiten hervor. Das IPCC gibt für den günstigsten Fall, mit der geringsten Erwärmung (B1-Szenario), eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um 1,1°C-2,9°C, im ungünstigsten Fall (A1FI-Szenario), um 2,4°C-6,4°C für 2090-2099, gegenüber dem Zeitraum 1980-1999, an. (IPCC, 2007, S.13 u. Tabelle SPM.3)
[8]REMO (Regional Modell): Klimamodell basierend auf dem Europamodell des deutschen Wetterdienstes und einem globalen Klimamodell des Max-Plank-Instituts.
[9]Isotherme: (gr.: ισος – „gleich“ und θερμη – „Wärme“ ): in Wetter- bzw. Klimakarten Verbindungslinien der Orte, in denen Augenblickswerte bzw. Zeitmittel der Temperaturen gleich sind (nach Neues Grosses Lexikon in Farbe, 1990)
[10] Modellorganismus zur Malariaerforschung, infiziert nur Nagetiere
Wie relevant das Thema Tropenkrankheiten für mich selbst noch werden würde, konnte auch niemand ahnen…