Von Stefan Sasse
Wilhelm Heitmeyer ist Vorurteilsforscher. Er untersucht seit neun Jahren Vorurteile gegen Gruppen wie Langzeitarbeitslose, Zuwanderer und Obdachlose. Der Trend, den er dabei ausmacht, ist beachtlich. Nicht nur nehmen aggressive Vorurteile gegen die genannten Gruppen deutlich zu;sie nehmen vor allem in den hohen Einkommensgruppen mit einer Rasanz zu, die erschreckend ist. Der Grund dafür besteht nach Ansicht der Forscher in den gestiegenen Abstiegängsten der Mittelschicht. Diese Erklärung ist absolut plausibel und weist eine frappante Parellele zu den frühen 1930er Jahren auf, in denen es ebenfalls die Mittelschicht war, die aus Abstiegsängsten heraus eine aggressive Trennlinie zu ziehen versuchte und dabei damals in Scharen der NSDAP zulief - ganz im Gegensatz zu der alten Legende, es seien die Arbeitslosen gewesen, die die Nazis gewählt hatten.
Man sollte diese Parallele aber nicht überstrapazieren. Ein neuer Hitler steht uns nicht ins Haus. Die Mittelschicht der damaligen Tage stand in ihrer Mehrheit nicht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in ihren Reihen hatte die Republik sicherlich weniger Freunde. Das ist heute anders; trotz der Krise ist die Zustimmung zur BRD und ihrem System ungebrochen hoch - einzig das aktuelle Parteienpersonal und der Weg, den es einschlägt, steht immer massiver in der Kritik. Doch selbst die härtesten Kritiker wollen in der Regel nur den Weg der Republik ändern, nicht aber die Republik selbst. Das ist der beruhigende Part.
Beunruhigend dagegen ist die offensichtliche Angst der Besitzstandswahrer, also der Mittelschicht. Sie ist wie so oft - eine weitere Parallele zu Weimar - die einzige, die wirklich viel zu verlieren hat. Viele Arbeiter und kleine Angestellte verdienen inzwischen so wenig, dass Hartz-IV keine wesentliche finanzielle Verschlechterung mehr darstellt, obgleich sie diesen Abstieg zu Recht seiner sozialen Konsequenzen wegen fürchten. Richtig gefährdet ist aber tatsächlich die besitzende Mittelschicht. Wer etwa in einem längeren Erwerbsleben den schwäbischen Traum vom Eigenheim verfolgt hat, wer Kinder an den Universitäten hat, wer sich daran gewöhnt hat, Geld für Urlaub oder neuen Wagen prinzipiell zur Verfügung zu haben, für den ist Hartz-IV tatsächlich ein gigantischer Albtraum. Und was das Schlimmste ist: jeder ist Spielball der Gewalten, denn es gibt praktisch nichts, was man gegen den Abstieg unternehmen kann. Es kann jeden treffen, und nach spätestens 18 Monaten sind alle im Elend gleich.
Die bewusste Abkehr der rot-grünen Regierung von der Sicherung des Lebensstandards als Prinzip der Sozialsysteme war ein direkter Angriff auf die Mittelschicht, die in Deutschland einmal die konstitutierende Schicht war und die in allen Sonntagsreden vorkommt. Tatsächlich ist es auch die Mittelschicht, die Wahlen entscheidet, sie ist das Ziel der sozialen Aufsteiger und Heimat derer, die es geschafft haben (vgl. Artikel hier). Wenn sie in ihren Grundfesten erschüttert ist, wackelt auch der Staat. Denn er kann weder auf die Loyalität derer zählen, die er mit dem Hartz-System ausgrenzt und mit den Rentenreformen in Altersarmut drängt, noch auf die Profiteure jener Politik. Die Superreichen werden die letzten sein, die zur Verteidigung ausrücken. Sie werden immer oben sein, und ihre Einstellung der letzten Jahre lässt nicht hoffen, dass sie selbst aus Eigenerhaltungsinteresse zu Verzicht bereit sind.
Dabei ist die Einstellung aller extrem kontraproduktiv. Die Mittelschicht, die zunehmend Aggressionen auf die Benachteiligten richtet, die sie - kein Wunder beim aktuellen Meinungsklima - pauschal verdächtigt, an der Gefährdung ihres eigenen Wohlstands schuld zu sein, ist dabei das größte Problem. Ihr zunehmender Hass auf die Unterschicht ist eigentlich irrational. Es wäre in ihrem besten Interesse, die Sozialsysteme wieder herzustellen, nicht nur um selbst wieder ein Fangnetz zu haben, sondern auch, weil es die eigenen ökonomische Situation sicherer gestalten würde. Selbst die Reichen müssten ein Interesse am Erhalt des sozialen Friedens haben, das zumindest rudimentär vorhanden ist. Doch davon ist nichts zu spüren. Sie behandeln den Staat zunehmend als ihr Eigentum und pressen ihn aus, so gut sie können. Und wer bereits unten ist, bekommt die Verachtung aller anderen und zum Schaden auch noch die Knute der Staatsgewalt ab.
Was aus diesem gefährlichen Kreislauf droht ist, erneut gesagt, nicht der Aufstieg einer neuen Führerfigur. Dafür gibt es in Deutschland keine Anlagen, dafür hat die Aufarbeitung der NS-Zeit zu gut funktioniert. Die reale Gefahr, die besteht, ist die weitere Abwendung vom System, die Wahl ständig neuer verwaltender Regierungen à la Schwarz-Gelb, die nichts weiter tun als die schmaler werdenden Wähler- und vor allem Spendergruppen zu bedienen und ansonsten den Mangel zu administrieren. Eine Abwendung von der Demokratie wäre die Folge, eine Herrschaft der seelenlosen Bürokratie mit Lizenz zur Ausplünderung durch die gerade Herrschenden die Konsequenz. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzutreten, doch dafür ist gerade nirgendwo Besserung in Sicht.
Wilhelm Heitmeyer ist Vorurteilsforscher. Er untersucht seit neun Jahren Vorurteile gegen Gruppen wie Langzeitarbeitslose, Zuwanderer und Obdachlose. Der Trend, den er dabei ausmacht, ist beachtlich. Nicht nur nehmen aggressive Vorurteile gegen die genannten Gruppen deutlich zu;sie nehmen vor allem in den hohen Einkommensgruppen mit einer Rasanz zu, die erschreckend ist. Der Grund dafür besteht nach Ansicht der Forscher in den gestiegenen Abstiegängsten der Mittelschicht. Diese Erklärung ist absolut plausibel und weist eine frappante Parellele zu den frühen 1930er Jahren auf, in denen es ebenfalls die Mittelschicht war, die aus Abstiegsängsten heraus eine aggressive Trennlinie zu ziehen versuchte und dabei damals in Scharen der NSDAP zulief - ganz im Gegensatz zu der alten Legende, es seien die Arbeitslosen gewesen, die die Nazis gewählt hatten.
Man sollte diese Parallele aber nicht überstrapazieren. Ein neuer Hitler steht uns nicht ins Haus. Die Mittelschicht der damaligen Tage stand in ihrer Mehrheit nicht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in ihren Reihen hatte die Republik sicherlich weniger Freunde. Das ist heute anders; trotz der Krise ist die Zustimmung zur BRD und ihrem System ungebrochen hoch - einzig das aktuelle Parteienpersonal und der Weg, den es einschlägt, steht immer massiver in der Kritik. Doch selbst die härtesten Kritiker wollen in der Regel nur den Weg der Republik ändern, nicht aber die Republik selbst. Das ist der beruhigende Part.
Beunruhigend dagegen ist die offensichtliche Angst der Besitzstandswahrer, also der Mittelschicht. Sie ist wie so oft - eine weitere Parallele zu Weimar - die einzige, die wirklich viel zu verlieren hat. Viele Arbeiter und kleine Angestellte verdienen inzwischen so wenig, dass Hartz-IV keine wesentliche finanzielle Verschlechterung mehr darstellt, obgleich sie diesen Abstieg zu Recht seiner sozialen Konsequenzen wegen fürchten. Richtig gefährdet ist aber tatsächlich die besitzende Mittelschicht. Wer etwa in einem längeren Erwerbsleben den schwäbischen Traum vom Eigenheim verfolgt hat, wer Kinder an den Universitäten hat, wer sich daran gewöhnt hat, Geld für Urlaub oder neuen Wagen prinzipiell zur Verfügung zu haben, für den ist Hartz-IV tatsächlich ein gigantischer Albtraum. Und was das Schlimmste ist: jeder ist Spielball der Gewalten, denn es gibt praktisch nichts, was man gegen den Abstieg unternehmen kann. Es kann jeden treffen, und nach spätestens 18 Monaten sind alle im Elend gleich.
Die bewusste Abkehr der rot-grünen Regierung von der Sicherung des Lebensstandards als Prinzip der Sozialsysteme war ein direkter Angriff auf die Mittelschicht, die in Deutschland einmal die konstitutierende Schicht war und die in allen Sonntagsreden vorkommt. Tatsächlich ist es auch die Mittelschicht, die Wahlen entscheidet, sie ist das Ziel der sozialen Aufsteiger und Heimat derer, die es geschafft haben (vgl. Artikel hier). Wenn sie in ihren Grundfesten erschüttert ist, wackelt auch der Staat. Denn er kann weder auf die Loyalität derer zählen, die er mit dem Hartz-System ausgrenzt und mit den Rentenreformen in Altersarmut drängt, noch auf die Profiteure jener Politik. Die Superreichen werden die letzten sein, die zur Verteidigung ausrücken. Sie werden immer oben sein, und ihre Einstellung der letzten Jahre lässt nicht hoffen, dass sie selbst aus Eigenerhaltungsinteresse zu Verzicht bereit sind.
Dabei ist die Einstellung aller extrem kontraproduktiv. Die Mittelschicht, die zunehmend Aggressionen auf die Benachteiligten richtet, die sie - kein Wunder beim aktuellen Meinungsklima - pauschal verdächtigt, an der Gefährdung ihres eigenen Wohlstands schuld zu sein, ist dabei das größte Problem. Ihr zunehmender Hass auf die Unterschicht ist eigentlich irrational. Es wäre in ihrem besten Interesse, die Sozialsysteme wieder herzustellen, nicht nur um selbst wieder ein Fangnetz zu haben, sondern auch, weil es die eigenen ökonomische Situation sicherer gestalten würde. Selbst die Reichen müssten ein Interesse am Erhalt des sozialen Friedens haben, das zumindest rudimentär vorhanden ist. Doch davon ist nichts zu spüren. Sie behandeln den Staat zunehmend als ihr Eigentum und pressen ihn aus, so gut sie können. Und wer bereits unten ist, bekommt die Verachtung aller anderen und zum Schaden auch noch die Knute der Staatsgewalt ab.
Was aus diesem gefährlichen Kreislauf droht ist, erneut gesagt, nicht der Aufstieg einer neuen Führerfigur. Dafür gibt es in Deutschland keine Anlagen, dafür hat die Aufarbeitung der NS-Zeit zu gut funktioniert. Die reale Gefahr, die besteht, ist die weitere Abwendung vom System, die Wahl ständig neuer verwaltender Regierungen à la Schwarz-Gelb, die nichts weiter tun als die schmaler werdenden Wähler- und vor allem Spendergruppen zu bedienen und ansonsten den Mangel zu administrieren. Eine Abwendung von der Demokratie wäre die Folge, eine Herrschaft der seelenlosen Bürokratie mit Lizenz zur Ausplünderung durch die gerade Herrschenden die Konsequenz. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzutreten, doch dafür ist gerade nirgendwo Besserung in Sicht.