Die Analphabetin, die rechnen konnte – Jonas Jonasson

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Meine Erwartungen sind hoch, sehr hoch. Schon einmal konnte mich der schwedische Autor Jonas Jonasson begeistern, indem er einen Hundertjährigen Mann aus dem Fenster steigen, verschwinden und absurde und skurrile Abenteuer erleben ließ.
Protagonistin ist nun die Südafrikanerin Nombeko Mayeki. Nombeko, geboren im Jahre 1961, ehemalige Latrinentonnenträgerin und Tochter einer Mutter, die gerne Lösungsmittel trinkt, ist nicht wirklich eine Analphabetin, wie der Titel vorgibt. Im Alter von dreizehn Jahren lernt sie das Lesen. Später wird sie sogar ganze Bibliotheken auslesen. Da sie ein Rechengenie ist, wird sie bald Chefin des Latrinenbüros, fliegt aber raus, da ihre Kollegen sie für einen Neunmalklug halten. Ihr Ziel: Das Elend des Slums von Soweto verlassen und in die Zivilisation zurückkehren. Genauer: Die Nationalbibliothek in Pretoria. Ihr Ziel erreicht sie nicht. Sie schafft es nur bis ins Zentrum von Johannesburg und wird von einem weißen Kernwaffeningenieur über den Haufen gefahren. “‘War das etwa schon alles?’, dachte sie, bevor sie in die Bewusstlosigkeit sank. Aber das war noch nicht alles.” (35)

Von da an geht Nombekos Abenteuer erst richtig los. Im Apartheidsregime ist sie natürlich am Autounfall schuld und muss nun als Putzfrau beim Ingenieur ihre Strafe abbüßen. Die Idee, die Jonasson schon bei seinem ersten Bestseller hatte, wiederholt er in Die Analphabetin, die rechnen konnte. Nombeko sowie der Hundertjährige sind unheimlich schlau und zugleich naiv. Mit dieser Kombination schaffen es die beiden Helden in die große Politik. Auch eine Atomwaffe kommt wieder zum Einsatz – wohl eine Vorliebe des Autors. Während der Hundertjährige in seinen jungen Jahren beiläufig den Sowjets und Amerikanern eine Atomwaffe besorgte, baut Nombeko mehrere für Südafrika. Der Ingenieur selbst rührt keinen Finger, denn dieser ist natürlich, wie so viele Figuren bei Jonasson, ein Idiot.

Leider wird versehentlich eine Atombombe, von der niemand weiß, zu viel gebaut, und so schmuggelt Nombeko sie nach Schweden und bleibt selbst gleich da. Drei chinesische Schwestern, die gut Hunde vergiften und Gänse aus der Han-Dynastie nachmachen können, helfen ihr dabei. In Schweden trifft Nombeko Holger, den es eigentlich nicht gibt. Holger ist der Zwillingsbruder von Holger und nicht offiziell gemeldet, weil der Vater mithilfe seiner Söhne, das schwedische Königshaus in Staub stürzen will. Von Geburt an will er sie im republikanischen Geiste erziehen. Das gelingt ihm nur bei Holger 1, der, der existiert, denn er ist in seiner Intelligenz beschränkt. Holger 2, der, der nicht existiert, ist hingegen genauso klug wie Nombeko – es ist Liebe auf den ersten Blick. Ein Problem bleibt nur noch die Atombombe, die man irgendwie verstecken oder besser noch loswerden sollte.

Jonasson geizt nicht mit absurden Figuren. Im Roman treten noch eine zornige Junge, Mossadagenten A und B, ein paranoider amerikanischer Töpfer und viele weitere auf. Jonassons Phantasie scheint keine Grenzen zu kennen. Auch Politiker spielen im Roman eine große Rolle. Schon bei “Der Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand” zeichnete Jonasson historische Figuren nach und projizierte sie ins Komische und Absurde. Im zweiten Roman geht er nun weiter. Politische Akteure der Gegenwart werden allesamt als hoffnungslose und lachhafte Volltrottel dargestellt. So ist Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt ein Angsthase mit einem Putzfimmel und das monarchische Staatsoberhaupt König Carl Gustaf ein verfressener Drückeberger, der eigentlich lieber Bauer geworden wäre.

Jonassons Roman ist irrwitzig und unterhaltsam, kommt aber nicht ganz an seinen Vorgänger ran. In der Konstruktion ist Die Analphabetin dem ersten Roman zu ähnlich, was ihn in einigen Teilen ein wenig langweilig erscheinen lässt. Sprachlich zielt Jonasson nach wie vor ohne Umschweife und schmerzlos auf die Pointe ab. Meine Erwartungen wurden nicht übertroffen, dennoch ist dieser Schelmenroman lesenswert, da insbesondere die Seitenhiebe auf die Politiker lustig sind. Ich bin gespannt auf den dritten Roman. Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind erscheint noch in diesem Jahr im April. Für ihn muss Jonasson noch viel weiter gehen.

Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte. Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn. btb. München 2013. 448 Seiten. 19,99 Euro.



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