Die Alternative, diese traurige Figur

Von Robertodelapuente @adsinistram
Es stimmt: »Der Revoluzzer als Schnorrer ist eine eher traurige Figur.« Das hat Jan Fleischhauer geschrieben. Umso schlimmer, dass die Einschätzung stimmt. Aber in dem Satz liegt die ganze Tragik unserer Zeit begriffen. Die Alternative tritt gewissermaßen als Hausierer und Nassauer auf.
Fleischhauer hat diese Wahrheit wohl eher zufällig formuliert. Das merkt man schon daran, dass er »diese offenen Hemden« thematisiert. Die würden nämlich so eine Art neuen Stil inszenieren. Cooler Auftritt statt Seriosität eben. Etwas, das für die Jugend was ist - oder ganz generell für Linke. Oder für Leute, die einfach bloß keine Ahnung haben und sich blenden lassen. Dabei sind offene Hemden für die Jugend so spießig wie Krawatten. Tsipras und seine Crew müsste dann schon mit Kaputzenpullover auftreten. Oder im Achselshirt. Das wäre die Inszenierung der Coolness. Aber so? Fleischhauer lebt in einem bürgerlichen Mikrokosmos, in der ein nicht in die Hose gestecktes Hemd schon die allergrößte Form von cooler Lebensart ist. Aber davon wollte ich ja eigentlich gar nicht sprechen ...

Ist die Alternative eigentlich organisierbar? Das ist die Frage, die der Mann vom Schwarzen Kanal so zufällig touchierte. Ist sie es? Kann man von Alternativen träumen, wenn sich die Welt rundherum alternativlos aufgestellt hat? Oder muss man in die Isolation? Sich abgrenzen? Und dann sein eigenes Ding durchziehen? Dergleichen gab es schon mal für eine Alternative. Sie hat sich dann zwar als große Scheiße erwiesen, aber dennoch, es war der Versuch eines anderen Gesellschaftskonzepts. In der Welt wie sie war konnte es nicht bestehen. Also gebar man den »Sozialismus in einem Land«. Bis der Krieg das »eine Land« um einige Satellitenländer bereicherte. Doch so oder so, da kommt nichts dabei raus. Mangelwirtschaft höchstens. Und natürlich Unterdrückung, wenn es besonders große Arschlöcher an die Spitze der isolierten Alternative schaffen.
So weit sind wir ja in Griechenland nicht. Isolation ist kein Thema. Kein Stalin im Anschlag. Aber der Revoluzzer gibt als Bittsteller eine traurige Figur ab. Er kann gar keine andere Figur abgeben. Er ist das Minderheitsvotum zwischen einer Mehrheit, die für sich den Weg der Alternativlosigkeit gewählt hat. Innerhalb des organisierten Neoliberalismus kann ein Weg abseits der Lehre gewissermaßen nicht mal gedacht werden. Und falls doch, sieht man eben wie ein Einfaltspinsel aus. Mit offenen Hemd, das aus der Hose lümmelt. Wie einer, der auf Revoluzzer macht und gar keinen Inhalt mit sich bringt. Der einen »Syriza-Kult« zelebriert, wo er Politik machen sollte. Politik, die freilich nach neoliberalen Kriterien abzuleisten wäre. Was denn sonst?

Es ist die Tragik unserer Zeit, die in diesem Typus der traurigen Figur steckt. Der Reformer ist quasi abgemeldet. Er wird als Popstar hingestellt. Als einer, der zwar rockt, aber sonst nichts kann oder weiß. Wir sehen an der griechischen Sache, dass die Alternative zum Neoliberalismus vielleicht noch in den Köpfen steckt. Noch nicht tot ist. Aber realiter scheint sie an der Mauer des einen, des unverbrüchlichen, des unersetzbaren Wirtschaftsglaubens abzuprallen. Nicht nur der Alternative gibt eine traurige Figur ab. Wir tun es als europäische Gesellschaft schlechthin. Denn wir organisieren uns nach Kosten und Nutzen und fragen nicht mehr nach, was wir eigentlich wollen. Traurige Figuren, traurige Zeiten ...
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